0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit dem Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz (PflEG) v. 14.12.2001 (BGBl. I S. 3728) zum 1.1.2002 eingeführt und zuletzt geändert worden durch das Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) v. 28.5.2008 (BGBl. I S. 874).
1 Allgemeines
Rz. 2
Nach übereinstimmender Auffassung aller in der Pflege Verantwortlichen war eine Verbesserung der Versorgungssituation – insbesondere von demenzkranken Menschen – dringend erforderlich. Darauf wies auch der 4. Altenbericht der Bundesregierung des Jahres 2002 hin. Dem Bericht zufolge, der eine Gesamtanalyse zur Lage der älteren Generation mit Augenmerk auf Hochaltrigkeit und Demenz beinhaltet, erkranken nach Expertenmeinung in der Altersgruppe der Senioren (65 Jahre und älter) jährlich insgesamt ca. 192.000 Menschen an Demenz. Inzwischen leiden bis zu 1,4 Mio. Menschen (Stand: 8.5.2014, veröffentlicht auf der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums im Internet unter http://www.bmg.bund.de) an mittelschwerer und schwerer Demenz. Im Hinblick auf die zu erwartende allseits bekannte demografische Entwicklung sind zielstrebige Maßnahmen geboten. Mit dem PflEG und den dort eingeführten verbesserten Leistungsangeboten hat die Bundesregierung auf die unbefriedigende Situation reagiert. Durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz ist der Kreis der Personen, die Leistungen in Anspruch nehmen können, erheblich erweitert worden. Dies schafft pflegenden Angehörigen/Lebenspartnern zusätzliche Möglichkeiten zur Entlastung und den Pflegebedürftigen aktivierende und qualitätsgesicherte Betreuungsangebote.
§ 45a nennt den Personenkreis, der Anspruch auf die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b und verbesserte Pflegeleistungen nach § 123 hat.
2 Rechtspraxis
2.1 Personenkreis
Rz. 3
Seit dem Inkrafttreten der Regelung ist der Personenkreis der Pflegebedürftigen der Pflegestufen I, II oder III mit einem auf Dauer bestehenden erheblichen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung anspruchsberechtigt. Mit Wirkung zum 1.7.2008 ist dieser Personenkreis durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz auf die Hilfebedürftigen der sog. Pflegestufe 0 ausgedehnt worden. In den Kreis der möglichen Leistungsempfänger sind damit die Menschen aufgenommen worden, die keine Leistungsempfänger nach §§ 36 bis 43a sind, da sie den Pflegebedürftigkeitsbegriff des § 14 Abs. 1 nicht erfüllen. Voraussetzung ist jedoch, dass bei ihnen überhaupt ein Hilfebedarf sowohl im Bereich der Grundpflege als auch in der hauswirtschaftlichen Versorgung feststellbar ist.
Die Ausdehnung des anspruchsberechtigten Personenkreises auf die Hilfebedürftigen der sog. Pflegestufe 0 hat in der öffentlichen Wahrnehmung zu der Annahme eines Gegensatzes zwischen demenzbedingter allgemeiner Beaufsichtigungsbedürftigkeit und der Pflegebedürftigkeit i. S. d. § 14 Abs. 1 geführt. Hingegen erhält eine Vielzahl demenzerkrankter Menschen die zusätzlichen Leistungen nach § 45b allein ergänzend zu Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung bei mindestens erheblicher Pflegebedürftigkeit.
Rz. 3a
Weitere Tatbestandsvoraussetzung ist das Bestehen eines erheblichen Bedarfs an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung. Diesen Bedarf sieht Abs. 1 Satz 2 denkbar ausschließlich bei Menschen mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen. Liegt ein Krankheitsbild außerhalb dieser Diagnosen vor, scheiden Leistungen nach §§ 45a ff. aus (vgl. BSG, Urteil v. 12.8.2010, B 3 P 3/09 R, SozR 4-3300 § 45b Nr. 1). Die betreffende Erkrankung oder Behinderung muss des Weiteren solche Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens gezeitigt haben, dass dauerhaft eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz eingetreten ist. Bei einer in zeitlichen Abständen auftretenden Unterzuckerung etwa bestehen keine dauerhafte Einschränkung der Alltagskompetenz und damit kein Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen wegen eines erheblichen allgemeinen Betreuungsbedarfs (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 18.12.2008, L 5 P 12/08).
Rz. 4
Bei Kindern ist nach der Vorschrift des § 15 Abs. 2 der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend. Dadurch wird klargestellt, dass "der natürliche, altersentsprechende Pflegebedarf von Kindern" unberücksichtigt bleibt und allein auf den das altersübliche Maß übersteigenden Aufwand abzustellen ist (vgl. BT-Drs. 14/7154).
Rz. 5
Dauerhaft ist die Einschränkung der Alltagskompetenz, wenn die maßgeblichen Störungen mit dem sich daraus ergebenden Hilfebedarf voraussichtlich für mindestens 6 Monate bestehen (vgl. BSG, Urteil v. 12.8.2010, B 3 P 3/09 R, SozR 4-3300 § 45b Nr. 1). Dies folgt für den Anspruchstellerkreis des Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 unmittelbar aus § 14 und ist als argumentum a maiore ad minus ("Erst-recht-Schluss") ebenso für den Kreis der weniger beeinträchtigten Menschen i. S. d. Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 anzunehmen. Der 6-Monats-Zeitraum kann unterschritten werden, wenn d...