Rz. 11
Die Unklarheitenregel legt fest, dass Zweifel bei der Auslegung zulasten des Verwenders gehen. Der Arbeitgeber trägt damit das Risiko, dass die Klausel nicht in dem von ihm gewünschten Sinne ausgelegt wird. Erhält man somit nach der Auslegung kein eindeutiges, sondern ein mehrdeutiges Ergebnis, findet die für den Arbeitnehmer günstigere Auslegung Anwendung. Es müssen mindestens 2 vertretbare Auslegungen vorliegen und keine von diesen klar vorzugswürdig sein. Es müssen erhebliche Zweifel an der richtigen Auslegung bestehen. Allein die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Auslegungsergebnis zu kommen, ist für die Anwendung der Auslegungsregel nicht ausreichend.
Ebenso wie das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion dient die Unklarheitenregel dazu, den Arbeitgeber das Risiko der Unwirksamkeit einer Klausel voll und ganz tragen zu lassen. Er soll nicht durch eine ihm günstige Auslegungsmöglichkeit von der Verwendung grenzwertiger Klauseln profitieren. Seine Interessen müssen hinter denen seines Vertragspartners, des Arbeitnehmers, zurücktreten. Will der Arbeitgeber die Anwendung der Unklarheitenregel vermeiden, liegt es in seiner Hand, die Klausel klar und unmissverständlich zu formulieren.
Rz. 12
Kein Fall des § 305c Abs. 2 BGB ist es, wenn 2 widersprüchliche Klauseln vorliegen. Die Klauseln sind dann intransparent i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und schon aus diesem Grund unwirksam.
§ 305c BGB ist nicht anwendbar, wenn keine Zweifel an der Auslegung bestehen. Verweist ein Arbeitsvertrag auf die jeweils geltenden Bestimmungen der Tarifverträge, finden diese in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. Begleitumstände, wie die Übersendung eines nicht mehr aktuellen Tarifvertrags, schaffen keine Unklarheit, die zugunsten des Arbeitnehmers ausgelegt werden muss. Unterzeichnet ein Arbeitnehmer, der zum Geschäftsführer des Arbeitgebers bestellt wird, einen Geschäftsführerdienstvertrag, muss er davon ausgehen, dass damit sein bisheriges Arbeitsverhältnis beendet ist. Vernünftige Zweifel bestehen nicht. Bleiben bei der Auslegung einer Bezugnahmeklausel Zweifel, ob der in Bezug genommene Tarifvertrag statisch oder dynamisch gelten soll, ist zulasten des Arbeitgebers von einer dynamischen Geltung auszugehen. Insbesondere dann, wenn in einem Arbeitsvertrag auf eine tarifliche Vergütungsbestimmung ohne Nennung fester Beträge und einer Festlegung, welche Fassung des Tarifvertrags gelten soll, Bezug genommen wird, ist die Bezugnahme als dynamische zu verstehen. Dies gilt aber nicht, soweit eindeutige Hinweise für eine Bezugnahme statischer Natur sprechen. Stellt sich die Frage, ob eine Bezugnahmeklausel nur auf den Manteltarifvertrag oder auf das gesamte Tarifwerk Bezug nimmt, scheitert die Anwendung der Unklarheitenregelung daran, dass nicht abstrakt festgestellt werde kann, welche der beiden Auslegungsmöglichkeiten wegen der Vielgestaltigkeit von tariflichen Regelungen die günstigere ist. Wird im Arbeitsvertrag vereinbart, dass "sämtliche Sonderzahlungen freiwillige Zahlungen sind, für die kein Rechtsanspruch besteht (z. B. Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld richten sich nach den Bestimmungen des TVöD)", gilt nach der Unklarheitenregelung, dass sich der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht auf die in der Klammer stehenden Arbeitsbedingungen bezieht.
Eine entsprechende Anwendung findet § 305c BGB, wenn Entscheidungen über die Anpassung von Betriebsrenten einseitig und zudem durch einen 3. Versorgungsschuldner (Bochumer Verband) getroffen werden. Obwohl die betroffenen Regelungen hier 1. keine vertragliche Vereinbarung sind und 2. durch einen Dritten erfolgten und daher keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen im eigentlichen Sinne vorliegen, gehen Zweifel bei der Auslegung zulasten des einzelnen Arbeitgebers.