Prof. Dr. Michael Worzalla
Rz. 17
Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gehen im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehende Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Inhaber über; das gilt auch für Arbeitsverhältnisse, in denen die Hauptleistungspflichten ruhen, z. B. während der Elternzeit und bei Altersteilzeitverhältnissen in der Freistellungsphase. Neuer Inhaber ist derjenige, der die betreffende Einheit unter Wahrung ihrer Identität weiterführt oder wieder aufnimmt bzw. wer nach außen für den Betrieb verantwortlich ist. Im Zeitpunkt des Betriebsübergangs gekündigte Arbeitsverhältnisse, bei denen die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen ist, gehen in gekündigtem Zustand auf den Betriebserwerber über. Auch faktische oder anfechtbare Arbeitsverhältnisse gehen auf den Erwerber über. Für Ruhestandsverhältnisse gilt § 613a BGB nicht, sodass ein Erwerber Versorgungsansprüche von Arbeitnehmern, die bereits vor dem Betriebsübergang ausgeschieden sind, nicht erfüllen muss. Geht ein rechtlich bestehendes Arbeitsverhältnis über, so tritt der neue Inhaber natürlich auch in Rechte und Pflichten aus Versorgungszusagen und ggf. hierauf bezogene Absprachen ein. Unentschieden ist bisher, ob ein vereinbartes Wettbewerbsverbot aus einem vor dem Betriebsübergang beendeten Arbeitsverhältnis auch gegenüber dem Erwerber wirkt.
Rz. 18
In erweiternder Auslegung des § 613a BGB hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass die Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis auch dann auf einen Betriebserwerber übergehen, wenn das Arbeitsverhältnis wirksam auf das Ende des Tages vor dem Betriebsübergang befristet war und der Erwerber es nahtlos durch Abschluss eines neuen Arbeitsverhältnisses fortsetzt.
Rz. 19
Nur der Betriebserwerber ist befugt, das Arbeitsverhältnis nach einem Betriebsübergang zu kündigen. Die Kündigung durch einen Nichtberechtigten (z. B. den Veräußerer) kann allenfalls dann das Arbeitsverhältnis beenden, wenn der Kündigende vertretungsberechtigt war und in fremdem Namen handelte. Die 3-wöchige Klagefrist findet nach § 4 KSchG nur bei einer dem Arbeitgeber zurechenbaren Kündigung Anwendung. Bei einem Betriebsinhaberwechsel sind die beim Betriebsveräußerer erbrachten Beschäftigungszeiten bei der Berechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG für eine vom Betriebsübernehmer ausgesprochene Kündigung zu berücksichtigen, ebenso für § 3 Abs. 3 EFZG, wonach ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach 4-wöchiger Dauer des Arbeitsverhältnisses begründet wird. Für beide Fälle gilt dies auch dann, wenn zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs das Arbeitsverhältnis kurzfristig unterbrochen war, die Arbeitsverhältnisse aber in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen. Beschäftigungsjahre bei dem Veräußerer sind i. d. R. auch beim Erwerber zu berücksichtigen. Vom Veräußerer erteilte Abmahnungen gelten zugunsten des Erwerbers. Bei einer vom Erwerber erteilten Jubiläumszusage können allerdings die Zeiten, die beim Veräußerer zurückgelegt worden sind, unberücksichtigt bleiben. Ebenso kann ein Tarifvertrag bestimmen, dass Vorbeschäftigungszeiten bei einem Veräußerer unberücksichtigt bleiben. Eine Versorgungszusage kann ebenfalls Beschäftigungszeiten vor einem Betriebsübergang ausnehmen. Nach dem Urteil des EuGH v. 6.9.2011 sind den übernommenen Arbeitnehmern mindestens so viele der bisher tatsächlich geleisteten Dienstjahre anzurechnen, dass ihr bisheriges Gesamtentgelt nicht unterschritten wird, wenn beim Erwerber eine an die Betriebszugehörigkeit anknüpfende kollektive Entgeltstruktur besteht.
Rz. 20
Der beim Veräußerer erworbene Kündigungsschutz geht mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses ggf. nicht über, etwa wenn die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG in dem Betrieb des Erwerbers nicht vorliegen. Der Erwerber muss sich aber die Kenntnis des Betriebsveräußerers von der Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers zurechnen lassen. Die aus einer Gesamtzusage gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer erwachsene Verpflichtung geht bei einem Betriebsübergang ebenfalls nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über.
Rz. 21
Der Betriebsübernehmer muss die Vergütung in derselben Höhe zahlen, wie dies der Veräußerer getan hat. Ein Verzicht auf Vergütungsansprüche durch einen Erlassvertrag mit dem Veräußerer unter der auflösenden Bedingung eines nicht stattfindenden Betriebsübergangs ist nach § 134 BGB i. V. m. § 613a BGB nichtig. Der Erwerber und der Arbeitnehmer können aber ohne Rücksicht auf den Betriebsübergang jederzeit vertraglich die Vergütung ändern. Der Erwerber kann bei Anwendbarkeit des KSchG weder unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung Änderungskündigungen aussprechen, um die Vergütungen an das niedrigere Lohnniveau des Erwerberbetriebs anzupassen, noch kann der Arbeitnehmer unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz eine höhere Vergütung entsprechend dem höheren Lohnniveau des Erwerberbetriebs ver...