Anika Steffens, Prof. Dr. Klaus Hock †
Die Begriffe "Mehrarbeit" und "Überstunden" werden erkennbar nicht synonym verwendet. Mit diesen unterschiedlichen Definitionen haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, dass bei Teilzeitbeschäftigten eine zuschlagspflichtige Überstunde erst entstehen kann, wenn die Arbeitszeit für einen Vollbeschäftigten überschritten wird. Diese Differenzierung war bereits in der Vorgängerregelung des BAT enthalten. Zu den §§ 17 Abs. 1, 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a BAT hat das BAG anerkannt, dass mit den Überstundenzuschlägen ein Ausgleich für die in der zusätzlichen Arbeitsleistung liegenden Belastung gewährt werden soll. Nicht damit verfolgt worden sei der Zweck, einen Ausgleich dafür zu gewähren, dass der Beschäftigte planwidrig Möglichkeiten einbüßt, über seine Zeit frei zu verfügen. Dieser Belastungsschutz als Grund der Differenzierung stehe auch im Einklang mit dem gemeinschaftsrechtlichen Lohngleichheitsgebot für Männer und Frauen (Art. 119 EGV, Richtlinie Nr. 75/117/EWG). In Kenntnis dieser Rechtsprechung haben die Tarifvertragsparteien diese Regelung in den TVöD übernommen. Es ist daher davon auszugehen, dass sie nach wie vor den gleichen Zweck – Belastungsschutz – verfolgen, wie in der Vorgängerregelung. Andernfalls wäre eine inhaltliche Änderung oder zumindest eine entsprechende Klarstellung zu erwarten gewesen.
Eine Auslegung dahingehend, wonach Teilzeitbeschäftigte Überstundenzuschläge i. S. d. § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVöD für Mehrarbeit i. S. d. § 7 Abs. 6 TVöD erhalten, ist sonach mit dem klaren Wortlaut und der tariflichen Systematik unvereinbar.
Streitig ist nun allerdings, ob diese tarifliche Regelung nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 1994 ist zu entnehmen, dass eine Ungleichbehandlung mit Vollbeschäftigten deswegen nicht vorliege, weil Teilzeit- und Vollbeschäftigte für die gleiche Anzahl von Arbeitsstunden die gleiche Gesamtvergütung erhalten. In dieser Entscheidung ist darauf abgestellt worden, dass Teilzeitbeschäftigte die gleiche Gesamtvergütung für die gleiche Zahl geleisteter Arbeitsstunden wie Vollzeitbeschäftigte erhielten. Leiste ein Teilzeitbeschäftigter mit einer vertraglichen Arbeitszeit von 18 Stunden eine 19. Stunde, erhalte er dafür das gleiche Entgelt wie ein Vollzeitbeschäftigter. Auch nach der langjährigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind entsprechende tarifvertragliche Regelungen nicht zu beanstanden.
Entgegen dieser Rechtsprechung hat das BAG mit Urteil vom 23.3.2017 im Falle von Schicht- und Wechselschichtarbeit zu § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD entschieden, dass sehr wohl eine unmittelbare Ungleichbehandlung Teilzeitbeschäftigter nach § 4 Abs. 1 TzBfG gegenüber Vollbeschäftigten vorläge, wenn für den Anspruch auf Überstundenzuschläge bei einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer die Voraussetzungen der Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten herangezogen würde. Die Belastungsgrenze für Teilzeit- und Vollbeschäftigte sei identisch. Damit würde für Teilzeitbeschäftigte eine "höhere individuelle Belastungsgrenze" gezogen. Für Teilzeitbeschäftigte würde die Grenze der Entstehung ihres Anspruchs nicht proportional zu ihrer Arbeitszeit vermindert. Ein Vollzeitbeschäftigter erhalte bereits für die 1. Stunde, die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinausgeht, einen Überstundenzuschlag. Ein Teilzeitbeschäftigter müsste dagegen erst die gesamte Differenz zur Vollarbeitszeit über seine Teilzeitquote hinaus arbeiten, um für die nächste Stunde einen Überstundenzuschlag zu erlangen. Damit ginge wegen ihrer Teilzeitquote eine höhere Belastungsgrenze von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten einher. Sie würden deshalb gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unmittelbar ungleichbehandelt. Dem Urteil lag folgender Fall zugrunde: Die Beklagte beschäftigt den Kläger unter Anwendung des TVöD-K in Teilzeit (75 % mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 29,25 Stunden pro Woche) als Gesundheits- und Krankenpfleger. Die Beklagte setzte ihn auf der Grundlage von monatlich im Voraus erstellten Schichtplänen in Wechselschicht ein. In der Zeit von Dezember 2012 bis April 2014 überschritt der Kläger auf Anordnung der Beklagten mehrfach die für ihn im Schichtplan vorgesehene tägliche Arbeitszeit, sodass er teilweise wöchentlich mehr als 29,25 Stunden, aber weniger als 39 Stunden leistete. In 4 Kalenderwochen ergab sich eine wöchentliche Arbeitszeit von mehr als 39 Stunden. Die Beklagte glich die über 29,25 Wochenstunden hinausgehenden Arbeitsstunden grundsätzlich im Monatsrhythmus des Schichtplans durch Freizeit aus und leistete keine Überstundenzuschläge. Der Kläger begehrte jedoch die Feststellung, dass es sich um zuschlagspflichtige Überstunden gehandelt hat. Die Klage hatte mit o. g. Begründung Erfolg. Das BAG bejahte sowohl den Überstundenbegriff (nähere Ausführungen hierzu siehe Ziffer 9.2) als auch den entsprechenden Anspruch für Teilzeitbeschäftigte, wenn der...