8.1.1 Ursprüngliche Regelung des TVöD
Die Dauer des Erholungsurlaubs änderte sich im TVöD für die Beschäftigten zunächst nur unwesentlich. Bereits im Rahmen des sog. Potsdamer Abkommens im Februar 2005 hatten sich die Tarifvertragsparteien auf die grundlegende Struktur des Urlaubsanspruchs geeinigt. Die Dauer betrug unabhängig von der jeweiligen Entgeltgruppe für eine Arbeitswoche mit durchschnittlich 5 Arbeitstagen
- bis zum vollendeten 30. Lebensjahr 26 Arbeitstage,
- bis zum vollendeten 40. Lebensjahr 29 Arbeitstage,
- nach dem vollendeten 40. Lebensjahr 30 Arbeitstage.
Entgegen der bisherigen Regelung in § 48 Abs. 1 BAT/BAT-O wurden die höchsten Vergütungsgruppen I und I a nach der Überleitung mit den übrigen Entgeltgruppen gleichgestellt. § 15 Abs. 2 TVÜ enthält eine Besitzstandsregelung, wonach für die Beschäftigten aus diesen Vergütungsgruppen auch nach der Überleitung zwischen dem vollendeten 30. und 40. Lebensjahr der Urlaubsanspruch 30 Urlaubstage beträgt. Voraussetzung ist, dass sie zum Zeitpunkt der Überleitung bereits diesen Anspruch nach dem BAT/BAT-O erworben haben.
Von Beginn an wurde in dieser Kommentierung die Auffassung vertreten, dass diese Altersstaffelung eine unmittelbar an das Alter anknüpfende unzulässige Ungleichbehandlung darstellt. Zu dieser Bewertung gelangte auch das BAG mit Urteil vom 20.3.2012. Dieser Verstoß könne nur in der Weise beseitigt werden, indem die Dauer des Urlaubs der wegen ihres Alters diskriminierten Beschäftigten in der Art und Weise "nach oben" angepasst wird.
Dem Urteil zugrunde lag die Klage einer am 27.10.1971 geborenen und seit 1988 beim beklagten Landkreis Beschäftigten. Sie wollte festgestellt haben, dass ihr in den Jahren 2008 und 2009 und damit schon vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres über den tariflich vorgesehenen Urlaub von 29 Arbeitstagen hinaus jeweils ein weiterer Urlaubstag zugestanden hat. Ihre Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des BAG benachteiligt die Differenzierung der Urlaubsdauer nach dem Lebensalter in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD Beschäftigte, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unmittelbar und verstößt gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG. Die tarifliche Urlaubsstaffelung verfolge nicht das legitime Ziel, einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Menschen Rechnung zu tragen. Ein gesteigertes Erholungsbedürfnis von Beschäftigten bereits ab dem 30. bzw. 40. Lebensjahr ließe sich auch kaum begründen. Dieser Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters könne nur beseitigt werden, indem die Dauer des Urlaubs der wegen ihres Alters diskriminierten Beschäftigten in der Art und Weise "nach oben" angepasst wird, dass auch ihr Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage beträgt.
8.1.2 Neue tarifliche Regelung zum 31.3.2012 mit Wirkung für das Jahr 2013
Die Arbeitgeber haben das Urteil des BAG vom 20.3.2012 zum Anlass genommen, diese Thematik in die laufende Tarifrunde einzuführen und eine kostenneutrale und AGG-konforme Neuregelung des Urlaubs zu fordern. Mit Tarifeinigung vom 31.3. wurde § 26 TVöD wie folgt verändert:
"2Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 5 Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 29 Arbeitstage und nach dem vollendeten 55. Lebensjahr 30 Arbeitstage."
„Niederschriftserklärung zu § 26 Abs. 1:
Die Tarifvertragsparteien sind bei der Neuregelung übereinstimmend davon ausgegangen, dass für Beschäftigte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, ein entsprechend höherer Erholungsbedarf besteht. Deshalb ist für diese Beschäftigten ein zusätzlicher Urlaubstag gerechtfertigt.”
Somit betrug der Urlaubsanspruch des Beschäftigten generell 29 Tage im Urlaubsjahr. Mit Vollendung des 55. Lebensjahres erhöht er sich um einen Tag auf 30 Urlaubstage. Diese Altersdifferenzierung erschien auch im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot des AGG unbedenklich. Da in diesem Alter ohne Weiteres von einem deutlich erhöhten Regenerationsbedürfnis ausgegangen werden kann.
Diese Einschätzung wird auch durch die Entscheidung des BAG vom 21.10.2014 bestätigt. Das BAG entschied, dass ein Arbeitgeber, der älteren Arbeitnehmern jährlich mehr Urlaubstage als den jüngeren gewährt, nicht zwangsläufig gegen die Regelungen des AGG verstößt; denn diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters könne unter dem Gesichtspunkt des Schutzes älterer Beschäftigter nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt und demnach zulässig sein. Bei der Prüfung, ob eine solch freiwillig begründete Urlaubsregelung dem Schutz älterer Beschäftigter diene und geeignet, erforderlich und angemessen i. S. v. § 10 Satz 2 AGG sei, stehe dem Arbeitgeber eine auf die konkrete Situation in seinem Unternehmen bezogene Einschätzungsprärogative zu. Ein derartiger Beurteilungsspielraum steht erst Recht Tarifvertragsparteien zu wie bei der hier getroffenen Regelung.
Maßgebend für die Erhöhung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Das Lebensjahr wird am Tag vor dem ...