LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.5.2016, 1 Sa 1/16
Amtlicher Leitsatz
Die Bestimmung in § 5 Abs. 7 Satz 1 TV ATZ, wonach Arbeitnehmer, die nach Inanspruchnahme der Altersteilzeit eine Rentenkürzung wegen einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente zu erwarten haben, für je 0,3 % Rentenminderung eine Abfindung in Höhe von 5 % der Vergütung erhalten, ist dahingehend auszulegen, dass die Rentenkürzung tatsächlich eingetreten sein muss. Es ist nicht maßgebend, dass eine Rentenkürzung im Zeitpunkt des Abschlusses der Altersteilzeitvereinbarung zu erwarten war (Zusammenhang: Wegfall einer erwarteten Rentenkürzung nach Einführung der "Rente mit 63" ab dem 1.7.2014).
Sachverhalt
Der Kläger hat mit seinem Arbeitgeber einen Altersteilzeitvertrag im Teilzeitmodell vom 1.10.2008 bis 31.5.2014 abgeschlossen. Danach sollte er eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit gem. § 237 SGB VI in Anspruch nehmen. Allerdings wäre dies mit einer Rentenkürzung von 7,2 % verbunden gewesen. Nachdem gegen Ende der Altersteilzeit das Inkrafttreten der neuen Renten für besonders langjährig Versicherte ab 1.7.2014 absehbar war und der Kläger die Voraussetzungen für diese Rente erfüllt hat, beschloss er, den Monat Juli 2014 ohne Arbeitsentgelt zu überbrücken; danach wollte er die Altersrente für besonders langjährig Versicherte, die er nun abschlagsfrei beziehen konnte, beantragen. Trotzdem machte er gegenüber seinem Arbeitgeber einen Abfindungsanspruch nach § 5 Abs. 7 TV ATZ geltend. Dieser verweigerte jedoch die Zahlung, da der Kläger nun keine Rentenkürzung in Kauf nehmen musste.
Die Entscheidung
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Das Gericht entschied, dass § 5 Abs. 7 Satz 1 TV ATZ dahingehend auszulegen sei, dass eine Rentenkürzung tatsächlich eingetreten sein muss. Das LAG begründete dies u. a. mit dem Wortlaut der Vorschrift; denn die Formulierung "zu erwarten habe" stelle auf den sicheren Eintritt der Rentenkürzung ab. Auch wenn die Tarifnorm eine zukunftsbezogene Formulierung enthalte, sei daraus nicht zu schließen, dass es für die Frage der Rentenkürzung auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ankomme. Daneben, so das Gericht, zeige sich daran, dass die Abfindungszahlung zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses gezahlt werde, dass die Tarifvertragsparteien auf die Sachlage am Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses abgestellt hätten. Auch Sinn und Zweck der Regelung bestätige dies Auslegungsergebnis; denn durch die Abfindung solle dem Arbeitnehmer bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rente die eintretende Rentenkürzung in einem gewissen Umfang ausgeglichen werden.