2.1 Betriebliche Prävention
Nach § 4 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und den Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen. In § 5 ArbSchG ist eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen, die sogenannte Gefährdungsanalyse, vorgesehen. Auf der Grundlage solcher Gefährdungsbeurteilungen lassen sich konkrete Maßnahmen zur Prävention von stress- bzw. suchtauslösenden Faktoren entwickeln. Ein mögliches Gesamtkonzept "Gesundheit und Suchtprävention" stellen bspw. Heinze/Reuß vor. Ausgehend von Bestandsaufnahmen wird eine Infrastruktur zur Umsetzung von Präventionsaufgaben etabliert. Hier geht es im Einzelnen um
- die Verfügbarkeit von Alkohol,
- strukturelle, arbeitsplatzbezogene Maßnahmen, wie die Reduzierung trinkfördernder Arbeitsbedingungen und Förderung von sozialer Unterstützung am Arbeitsplatz,
- kommunikative, personenbezogene Maßnahmen, wie die Aufklärung und Information der Belegschaft, Qualifizierung von Vorgesetzten und Multiplikatoren,
- Hilfsmaßnahmen bei Suchtgefährdung und -krankheit (s. auch Betriebliches Eingliederungsmanagement),
- die Kontaktaufnahme und -pflege mit externen Suchthilfe-Organisationen,
- die Entwicklung einer Betriebsvereinbarung.
Beteiligte an diesem Prozess sind der Personalleiter, der Betriebs- oder Personalrat, der betriebsärztliche Dienst, die Sicherheitsfachkraft, ein innerbetrieblicher Suchthelfer, ggf. Sozialarbeiter oder Mitarbeiter von externen Suchthilfe-Organisationen.
2.2 Aufgaben des Vorgesetzten im Einzelfall
Es gehört zu den wesentlichen Führungsaufgaben des Vorgesetzten, den Alkoholmissbrauch seiner Mitarbeiter frühzeitig zu erkennen und gleichermaßen konsequent wie fürsorglich zu reagieren. Jeder Einzelfall stellt sich anders dar, läuft aber doch nach dem gleichen Grundmuster mit individueller Variante ab. Eine qualifizierte Beurteilung der Krankheitsproblematik des Betreffenden sollte dem Arzt vorbehalten bleiben. Allerdings treffen auch den Vorgesetzten Verpflichtungen. In Einzelfällen, in denen das suchtbedingte Fehlverhalten eine erhöhte Unfallgefahr und/oder ein erhöhtes Schadensrisiko darstellt, müssen (vgl. § 21 SGB VII) als erforderliche Sofortmaßnahmen bspw. die Entfernung vom Arbeitsplatz, Heimtransport oder Ähnliches erfolgen. Im Übrigen hat der Vorgesetzte Interventionsgespräche zu führen. Patentrezepte gibt es nicht. Bewährt hat sich allerdings eine Folge aufeinander aufbauender Gespräche, die in Abständen von maximal 6 Wochen stattfinden. Folgender Phasenverlauf kann empfohlen werden:
Kontaktphase
Der unmittelbare Vorgesetzte führt mit dem suchtkranken Mitarbeiter ein vertrauliches Gespräch. Vorwürfe, moralische Wertungen und eine Diskussion über konsumierte Mengen und Beweggründe sind zu vermeiden.
Vermittlungsphase
Ist das geführte Erstgespräch ohne Wirkung geblieben, so ist nach maximal 6 Wochen der nächsthöhere Vorgesetzte zu informieren. Beide führen gemeinsam ein Gespräch mit dem Betroffenen. Der Mitarbeiter wird auf die Beratungs- und Behandlungsmöglichkeiten hingewiesen und aufgefordert, diese unbedingt in Anspruch zu nehmen.
Entscheidungsphase/Ahndungsphase
Dauert das suchtbedingte Fehlverhalten an, sprechen der nächsthöhere und der unmittelbare Vorgesetzte nach maximal 6 Wochen erneut mit dem betroffenen Mitarbeiter. Ziel dieses Gesprächs und der nun einzuleitenden Ahndungsphase ist es, dem Betroffenen den Zusammenhang zwischen der Vermeidung des Fehlverhaltens und der Inanspruchnahme inner- und außerbetrieblicher Beratungs- und Behandlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Sofern der betroffene Mitarbeiter die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht ordnungsgemäß erfüllt oder betriebliche Hilfsangebote ablehnt, können personalrechtliche Maßnahmen getroffen werden. Nach maximal weiteren 6 Wochen sind bei Andauern des suchtbedingten Fehlverhaltens höchstens zwei weitere Gespräche zu führen, diese jeweils verbunden mit erneuten Hilfsangeboten und Ahndungsmaßnahmen.
Wiedereingliederungsphase
Nach erfolgreich abgeschlossener (ggf. ambulanter) Therapie führt der Vorgesetzte unter Hinzuziehung des Personalleiters, des Betriebsrats und ggf. des Suchtbeauftragten ein Wiedereingliederungsgespräch.
Nachsorgephase
Der unmittelbare Vorgesetzte und ggf. eine Vertrauensperson aus dem Kollegenkreis unterstützen den Mitarbeiter auch nach der Wiedereingliederung in seinem Bemühen um Abstinenz.
Viele Vorgesetzte kennen die Rechtslage nicht detailliert genug, um sich in ihrem Handeln wirklich sicher zu fühlen. Unternehmensleitung und Belegschaftsvertretung sollten mittels einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung konkret signalisieren, welches Vorgehen sie erwarten.
Betriebs-/Dienstvereinbarung Sucht und Suchtmittelmissbrauch