Das AGG regelt in § 8, unter welchen allgemeinen Voraussetzungen berufliche Anforderungen eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Der Hauptanwendungsbereich wird bei Fällen der unmittelbaren Benachteiligung liegen. Bei der mittelbaren Benachteiligung zählt die Rechtfertigung durch einen sachlichen Grund bereits zu den tatbestandlichen Voraussetzungen; bei einer Belästigung oder sexuellen Belästigung kommt eine Rechtfertigung regelmäßig nicht in Betracht.

Eine unterschiedliche Behandlung wegen der im Gesetz genannten Gründe ist nur zulässig,

Zitat

wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

Eine Ungleichbehandlung kann also nicht durch Erwägungen der bloßen Zweckmäßigkeit zulässig werden. Vielmehr muss die an den Beschäftigten gestellte Anforderung erforderlich sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen beruflichem Zweck und Schutz vor Benachteiligung standhalten. Im Grunde ist eine Differenzierung dann nach § 8 Abs. 1 AGG nur zulässig, wenn ansonsten die Tätigkeit nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden könnte ("wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung"). Aus dem Wortlaut ergibt sich somit eine Erheblichkeitsschwelle für eine gerechtfertigte Differenzierung.

Ein unternehmerisches Konzept kann hierbei nur in engen Grenzen eine Ungleichbehandlung wegen § 8 AGG rechtfertigen. Auch wenn die Marktausrichtung an sich ohne Bindungen an das AGG erfolgt, kann der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres nur Arbeitnehmer auswählen, mit denen er sein Konzept am leichtesten verwirklichen kann; es muss sich immer um eine wesentliche und entscheidende Anforderung an die Arbeitnehmer handeln, d. h. für den Erfolg des Unternehmens erweislich entscheidend sein. Z. B. kann eine nur an Frauen gerichtete Stellenanzeige gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber (hier ein Autohaus) das legitime Ziel verfolgt, seinen Kunden Verkaufsberater beiderlei Geschlechts zur Verfügung zu stellen. Im zugrunde liegenden Fall hatte das Autohaus einen nicht unerheblichen Anteil (25-30 %) weiblicher Kunden, die sich selbst bereits nach einer Verkäuferin erkundigt hatten; zudem führte es bestimmte Einstiegsmodelle, die bei Frauen besonders gefragt waren.[1]

Gerechtfertigt sind Differenzierungen u. a. bei rechtlichem (aufgrund gesetzlicher Beschäftigungsverbote) oder tatsächlichem Unvermögen, die Arbeit zu erbringen ("Authentizität" bei der Besetzung von Theater-, Filmrollen; Einstellung eines Chinesen im Chinarestaurant, Profisportler [Frauen-, Männerfußball] etc.).

In diesem Zusammenhang war die Klage eines abgelehnten Bewerbers abgewiesen worden, der sich auf eine Anzeige eines Mädcheninternats beworben hatte, in der eine Stelle als "Erzieherin/Sportlehrerin/Sozialpädagogin" ausgeschrieben wurde, wobei die Tätigkeit auch Nachtdienst (25 %) im abgegrenzten Mädchentrakt umfasste.[2] Hier war die Diskriminierung des männlichen Bewerbers wegen § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt, da hier insbesondere im Hinblick auf den Nachtdienst, wo die Erzieherin auch ganz konkret private und in den Intimbereich führende Zusammenkünfte mit den Mädchen hatte, wie z. B. deren Zimmer oder den Sanitätsbereich aufzusuchen, das weibliche Geschlecht eine unverzichtbare Voraussetzung war.

Zudem ist die Benachteiligung wegen des Geschlechts auch dann gerechtfertigt, wenn der Erfolg der Tätigkeit durch eine merkmalsneutrale Stellenausschreibung gefährdet würde, was insbesondere bei Beratungsstellen für Frauen der Fall sein kann.[3]

Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung:

  • Die Regelung in Schleswig-Holstein, dass Gleichstellungsbeauftragte weiblich sein müssen, stellt keine unzulässige Diskriminierung dar.[4]
  • Die Vorgabe, dass nur weibliche Sportlehrerinnen für den Sportunterricht für Mädchen eingestellt werden, kann eine unzulässige Diskriminierung darstellen, auch wenn der Sportunterricht geschlechterspezifisch erteilt wird.[5]

Die vorstehend genannten Kriterien gelten auch bei einer Differenzierung wegen einer Behinderung. Hier wird die Berechtigung zur Unterscheidung wegen der Einschränkung einer körperlichen Funktion, einer geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit aber durch § 167 (§ 84 a. F.) SGB IX eingeschränkt, der jedenfalls bei schwerbehinderten Menschen zusätzliche Maßnahmen zur Integration dieser Betroffenen in das Arbeitsleben bestimmt.

Nach § 8 Abs. 2 AGG wird die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen einer der im Gesetz genannten Diskriminierungsgründe nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen einer dieser Gründe besondere Schutzvorschriften gelten. Damit wird die bisherige Vorschrift des § 612 Abs. 3 a. F. BGB über das Geschlecht hinaus auf alle im Gesetz genannten Gründe erstreckt, was im Grundsatz der Regelung des Art. 141 EGV entspricht.

[1] ArbG Köln, Urteil v. 10.2.2016, 9 Ca 4843/15.

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