BAG, Urteil vom 24.4.2024, 4 AZR 195/23
Leitsatz (amtlich)
"Beschäftigte in Gaststätten" i. S. d. § 1 Abs. 2 Buchst. r TVöD/VKA sind solche, die in einem Betrieb i. S. d. allgemeinen Betriebsbegriffs tätig sind, dessen arbeitstechnischer Zweck darauf gerichtet ist, Gästen Speisen und Getränke zum Verzehr vor Ort gegen Entgelt anzubieten.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Geltung des TVöD-VKA.
Der Kläger verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als Assistent für Hotelmanagement. Seit 1.7.2020 ist er Mitglied von ver.di. Er war von 2016 bis 2018 und vom 1.5.2019 bis zum 31.3.2024 bei der Beklagten, zuletzt als "Mitarbeiter Service", beschäftigt, wobei arbeitsvertraglich ein monatliches Festgehalt i. H. v. 2.000 EUR brutto vereinbart war.
Die Beklagte, Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen e. V., betreibt ein Eissportzentrum mit einer Eissporthalle und einer Eisschnelllaufbahn, das Golfbad "Gesundheitspark" und verwaltet das Naherholungsgebiet am Stausee R. Im Eissportzentrum und am Stausee R unterhält sie je eine Großküche. Die dort hergestellten Speisen werden über die gastronomischen Einrichtungen der Liegenschaften vertrieben. Im Eissportzentrum sind dies während der Wintersaison 3 Imbissstände sowie 3 Gasträume, die für Veranstaltungen genutzt werden können. Am Stausee betreibt die Beklagte in der Sommersaison 4 verschiedene Imbiss-, Grill- und Bareinrichtungen, die von den Badegästen genutzt werden können. Darüber hinaus gibt es ein Bistro, welches sowohl von Gästen als auch von Dritten besucht werden kann und saisonunabhängig geöffnet ist.
Der Kläger wurde seit September 2020 in den Wintermonaten überwiegend in den gastronomischen Einrichtungen im Bereich des Eissportzentrums und in den Sommermonaten überwiegend in denen des Stausees eingesetzt. Er hatte hierbei das Grillgut zuzubereiten, Speisen und Getränke zu verkaufen sowie diese jeweils zu kassieren. Zudem musste er u. a. die Kasse vorbereiten und abrechnen, Warenlieferungen annehmen, sowie Reinigungsarbeiten vornehmen. In geringem Umfang war er auch als Ordner und Kassierer sowie bei der Schlittschuhausleihe tätig.
Der Kläger forderte den Beklagten unter Berufung auf die Geltung des TVöD/VKA auf, ihn nach TVöD zu vergüten.
Die Entscheidung
Vor dem BAG hatte die Klage Erfolg.
Nach Auffassung des BAG ist der Kläger kein Beschäftigter in einer Gaststätte i. S. d. tariflichen Bereichsausnahme gem. § 1 Abs. 2 Buchst. r TVöD/VKA und ist somit vom Geltungsbereich des TVöD/VKA erfasst.
Es führte aus, dass nach § 1 Abs. 2 Buchst. r TVöD/VKA der TVöD/VKA nicht für "Beschäftigte in Bergbaubetrieben, Brauereien, Formsteinwerken, Gaststätten, Hotels, Porzellanmanufakturen, Salinen, Steinbrüchen, Steinbruchbetrieben und Ziegeleien" gelte. "Beschäftigter in Gaststätten" sei jedoch nur eine Person, die in einem Betrieb tätig werde, bei dem es sich seinem arbeitstechnischen Zweck nach um eine Gaststätte handele. Dies ergebe die Auslegung der Vorschrift. Entscheidend für die Herausnahme aus dem tariflichen Geltungsbereich sei nicht die Tätigkeit des Beschäftigten, sondern dessen Einsatzort und damit den fachlich-betrieblichen Geltungsbereich. Hierfür spreche bereits der Wortlaut der Vorschrift. Zudem zeige der Vergleich mit den weiteren Ausnahmetatbeständen, dass die Tarifvertragsparteien zwischen Tätigkeiten und Tätigkeitsorten differenziert haben. So seien z. B. aufgrund ihrer Tätigkeit "leitende Angestellte" (Buchst. a), "künstlerisches Theaterpersonal" (Buchst. n) und "Seelsorger" (Buchst. o) vom Geltungsbereich ausgenommen. Somit seien nicht alle Beschäftigten mit "gaststättentypischer Tätigkeit" unabhängig von ihrem Arbeitsort vom Geltungsbereich ausgenommen, sondern alle "in einer Gaststätte" tätigen Beschäftigten unabhängig von ihrer Tätigkeit. Diese Auslegung werde dadurch bestätigt, dass einige Tätigkeiten, die "typischerweise" in Gaststätten anfielen, von den Tarifvertragsparteien ausdrücklich als Tätigkeitsbeispiele in der EG 1 TVöD/VKA aufgeführt worden sind (wie z. B. Essens- und Getränkeausgeber, Spülen, Gemüse putzen, Servierer).
Weiter führte das BAG aus, dass Gaststätte i. S. v. § 1 Abs. 2 Buchst. r TVöD/VKA ein Betrieb i. S. d. allgemeinen Betriebsbegriffs sei, dessen arbeitstechnischer Zweck darauf gerichtet sei, Gästen Speisen und Getränke zum Verzehr vor Ort gegen Entgelt anzubieten.
Der Wortlaut der tariflichen Regelung ließe hierbei sowohl ein enges Verständnis zu, nach dem es sich bei einer Gaststätte um einen "Betrieb" handeln müsse, als auch ein weitergehendes Verständnis im Sinne einer abgrenzbaren Organisationseinheit innerhalb eines Betriebs; da die Tarifvertragsparteien den Begriff der "Gaststätte" nicht definiert hätten, sei jedoch anzunehmen, dass sie ihn in dem Sinne verwendet haben, der dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem der beteiligten Kreise entspreche. Und hiernach sei eine Gaststätte ein "Haus, in dem man gegen Entgelt Mahlzeiten einnehmen kann" (Wahrig Deutsches Wörterbuch) oder ein "Betrieb mit einem oder mehre...