BAG, Urteil vom 13.10.2021, 5 AZR 211/21
Muss der Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen "Lockdowns" zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen, trägt er nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen.
Sachverhalt
Die Klägerin ist bei der Beklagten, welche einen Handel mit Nähmaschinen und Zubehör betreibt, in deren Filiale in Bremen als geringfügig Beschäftigte im Verkauf tätig. Aufgrund der "Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus" der Freien Hansestadt Bremen vom 23.3.2020 war das Ladengeschäft im April 2020 geschlossen. Die Klägerin konnte deshalb nicht arbeiten und erhielt auch keine Vergütung. Sie begehrte nun mit ihrer Klage die Zahlung ihres Entgelts für den Monat April 2020 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs mit der Begründung, die Schließung des Betriebs aufgrund behördlicher Anordnung sei ein Fall des von der Beklagten als Arbeitgeberin zu tragenden Betriebsrisikos. Die Beklagte brachte dagegen vor, die von der Freien Hansestadt Bremen zur Pandemiebekämpfung angeordneten Maßnahmen beträfen das allgemeine Lebensrisiko, das nicht beherrschbar und von allen gleichermaßen zu tragen sei.
Die Entscheidung
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Vor dem BAG hatte die Klage jedoch keinen Erfolg. Das BAG entschied, dass die Klägerin für den Monat April 2020, in dem ihre Arbeitsleistung und deren Annahme durch die Beklagte aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs habe; denn der Arbeitgeber trage nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn wie im vorliegenden Falle zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen durch behördliche Anordnung nahezu alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. In einem solchen Fall realisiere sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung sei vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Es sei Sache des Staates, ggf. für einen Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen; dies sei auch teilweise durch den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld erfolgt. Soweit ein solcher nicht gewährleistet sei, wie hier bei der Klägerin als geringfügig Beschäftigter, beruhe dies auf Lücken in dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Hieraus, so das BAG, lasse sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.