Im Unterschied zum Betriebsrisiko setzt § 615 Satz 1 BGB nicht zwingend eine tatsächlich vorhandene Störung voraus, sondern erfasst auch alle Fälle, in denen der Arbeitgeber nicht die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung abnimmt oder abnehmen kann.
4.1 Nichtabnahme der Arbeit
Aus welchen Gründen dies geschieht, ist unerheblich.
Unterlässt der Arbeitgeber eine Verteilung der individuell geschuldeten Arbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage, Kalenderwochen oder ggf. längere Zeiträume, sondern ruft vielmehr den Beschäftigten flexibel zur Arbeit ab, kommt er – unabhängig von einem besonderen Arbeitsangebot des Beschäftigten – mit Ablauf eines jeden Arbeitstags in Annahmeverzug, wenn und soweit er die sich aus Arbeits- und Tarifvertrag ergebende Sollarbeitszeit nicht ausschöpft.
Der Beschäftigte ist auch nicht verpflichtet, um mehr Arbeit zu bitten. Vielmehr muss der Arbeitgeber ihm im Rahmen seines Weisungsrechts entsprechende Tätigkeiten anbieten bzw. die Arbeitsleistung entgegennehmen und sei es, dass der Beschäftigte sich zur Arbeitsleistung bereithält. Im Umkehrschluss ist daher erforderlich, dass der Arbeitgeber eine entsprechende Tätigkeit auch zuweisen darf. Ein Annahmeverzug ist jedoch ausgeschlossen, wenn sich der Beschäftigte so verhält, dass der Arbeitgeber nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Arbeitslebens die Annahme der Leistung zu Recht ablehnt. Dies kann der Fall sein, wenn bei Annahme der angebotenen Dienste strafrechtlich geschützte Interessen des Arbeitgebers oder anderer betriebsnaher Personen unmittelbar und nachhaltig so gefährdet werden, dass die Abwehr dieser Gefährdung Vorrang vor dem Interesse des Beschäftigten an der Erhaltung seines Verdienstes haben muss.
Der Annahmeverzug greift nicht in den Fällen eines gesetzlichen Arbeitsverbots. Der Beschäftigte hat in diesen Fällen nur dann einen Ersatzanspruch, wenn ein solcher in den betreffenden Spezialgesetzen geregelt ist, wie etwa bei einem Arbeitsausfall nach dem EFZG.
Kein Annahmeverzug im Sinne des § 615 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn die Arbeitsvertragsparteien einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben. Die im Aufhebungsvertrag vereinbarte unwiderrufliche Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung hat die Aufhebung der Arbeitspflicht des Beschäftigten bei gleichzeitiger Befreiung des Arbeitgebers von der Beschäftigungspflicht bewirkt. Dies schließt insbesondere, soweit keine diesbezügliche Vereinbarung besteht, die Anrechnungsmöglichkeit des § 615 Abs. 2 BGB aus.
4.2 Fehlende Mitbestimmung
Als Störung im weitesten Sinne ist daher auch der Fall zu verstehen, dass der Arbeitgeber nicht befugt ist, die Arbeitsleistung zu fordern, soweit es an einer notwendigen Mitbestimmung durch den Betriebs-/Personalrat mangelt.
Eine tarifvertragliche Verlängerung der Arbeitszeit kann infolge einer Verkürzung bezahlter Pausenzeiten wegen Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erst zu einem späteren Zeitpunkt durch einen neuen Dienstplan umgesetzt werden.
Auch wenn das dem Beispiel zugrunde liegende Urteil nicht auf § 615 BGB zurückgreifen musste, ergibt sich aus der Begründung, dass ein fehlender rechtlicher Anspruch auf Arbeitsleistung als Störung zulasten des Arbeitgebers geht. Deutlicher wird diese Konstellation, wenn der Betriebs-/Personalrat eine notwendige Mitbestimmung bei einer Einstellung verweigert (§§ 99 BetrVG; 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG). Dem Arbeitgeber ist in diesem Fall zwar die Beschäftigung des Beschäftigten betriebsverfassungsrechtlich untersagt, dieser kann trotzdem die entsprechende Vergütung verlangen.
4.3 Angebot
Der Arbeitgeber kommt nach § 293 BGB in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Neben dem Verzug muss daher die Arbeitsleistung durch den Beschäftigten angeboten worden sein. Die Anforderungen an das Angebot sind jedoch nicht sehr hoch, es muss jedoch dem Arbeitgeber zugehen. § 294 BGB verlangt lediglich ein tatsächliches Angebot. Der Beschäftigte muss also rechtzeitig seinem Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich anbieten. Die Arbeitsleistung muss so angeboten werden, wie sie zu bewirken ist, also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen bzw. deren Konkretisierung kraft Weisung nach § 106 Satz 1 GewO. Dies kann regelmäßig nur am Dienstort in Person vorgenommen werden, wenn der Arbeitgeber zur Entgegennahme des Angebots bereit ist. Das Angebot muss sich auf die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher...