Regelmäßig werden Streikposten vor dem Betrieb aufgestellt. Das Aufstellen dieser Streikposten ist rechtmäßig. Diese dürfen nicht streikenden Arbeitnehmern deutlich machen, dass ihr Verhalten von den Streikenden als unsolidarisch empfunden wird und ihr Verhalten die Arbeitgeberseite stärkt.

Die Streikposten dürfen die nicht streikenden Arbeitnehmer jedoch nicht beschimpfen oder gar am Betreten des Geländes hindern. Ebenso wäre es unzulässig, jemanden am Verlassen des Betriebsgeländes zu hindern. Arbeitnehmer haben gegen den Arbeitgeber keinen Anspruch, dass dieser ihnen Zugang zum blockierten Betrieb verschafft, sie können damit nach der Arbeitskampfrisikolehre ihren Vergütungsanspruch verlieren.[1] Menschenmauern, Streikbrechergassen schikanöser Art, Kontrollen zur Personenfeststellung, Visitationen zur Feststellung mitgeführter Sachen und ähnliche Kampfmaßnahmen, die vor einem Betrieb durchgeführt werden, sind nicht durch Art. 9 GG gedeckt.[2] Arbeitgeber sollten in diesen Fällen sofort die örtliche Streikleitung bzw. den Arbeitgeberverband benachrichtigen. Unzulässig wäre auch das Aufstellen eines Tores mit dem Schild "Streikbrecher", durch das Arbeitswillige und unbeteiligte Dritte gehen müssen[3] – dies wäre eine nicht hinzunehmende Demütigung.

Oftmals kommt es während eines Streiks zu Verbalattacken der Beschäftigten bzw. Gewerkschaften gegen den Arbeitgeber. Es ist zwischen dem grundrechtlich geschützten Recht auf Meinungsfreiheit bzw. Koalitionsfreiheit einerseits und dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Recht des Arbeitgebers, nicht das Ziel diffamierender und das Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG verletzender verbaler Attacken zu werden, abzuwägen. Dabei kommt es darauf an, ob die Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung bzw. Werturteil auszulegen ist. Art. 5 Abs. 1 GG schützt Werturteile stärker als (unrichtige) Tatsachenbehauptungen. Werturteile sind erst dann unzulässig, wenn diese eine Schmähung enthalten – eine überzogene, ungerechte oder ausfällige Kritik kann zulässig sein. Eine unzulässige Schmähung wäre die Herabsetzung einer Person, die jenseits polemischer und zugespitzter Kritik diffamiert und dadurch quasi an den Pranger gestellt wird. Sprechchöre "L. – Betrüger", "A. heißt er, uns bescheißt er" und "1, 2, 3 ... X. ist ein Dieb" können unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles eine (gerade noch) zulässige Maßnahme im Arbeitskampf darstellen.[4] Das Ansprechen von Passanten mit dem Ziel, sich mit den Streikenden solidarisch zu erklären und das Begleiten von Einkäufen mit Pfui-Rufen ist nach Ansicht des Arbeitsgerichts Darmstadt ebenso zulässig wie das Aufhängen eines Transparents über dem Eingang, das das Einziehen des Kopfes beim Durchschreiten der Eingangstür erzwingt. Es handelt sich nicht um einen Boykottaufruf, denn die potenziellen Kunden können selbst entscheiden, ob sie sich solidarisch zeigen wollen, und es steht ihnen frei, im Laden einzukaufen. Ein Anspruch auf einen 3 m breiten ungehinderten Zugang wird verneint.[5]

 
Wichtig

Zeitlich unbefristete Zugangsbehinderungen zu einem bestreikten Betrieb kämen einer unzulässigen Blockade gleich und sind unzulässig. Zugangsbehinderungen (insbesondere für Arbeitswillige und Lieferanten) sind am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen, außerdem muss die Kampfparität gewährt bleiben. Daher sind kurze Zugangsbehinderungen bis zu 15 Minuten zulässig.[6] Dies kann aufgrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit z. B. nicht für Krankenhäuser gelten.

Wird ein Arbeitnehmer, der als Streikposten eingesetzt ist, versehentlich von einem anderen arbeitswilligen Arbeitnehmer mit dem Pkw angefahren, so handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall. Das Streikpostenstehen ist eine sogenannte eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die allein dem Interesse des Arbeitnehmers und nicht dem Unternehmen dient. Damit kann der geschädigte Arbeitnehmer einen Schadens- und Schmerzensgeldanspruch gegenüber seinem Arbeitskollegen geltend machen. § 105 Abs. 1 SGB VII, der im Falle eines Arbeitsunfalls einen solchen Anspruch versagt, findet in diesen Fällen keine Anwendung.[7]

Beschäftigte, die auswärtige Streikbrecher zur Aufgabe der Streikbrechertätigkeit auffordern und diese mit den Worten "Wenn es wieder zu einem Streik kommt, dann könnt ihr was erleben, wenn ihr trotz Streik wieder arbeitet. Wir wissen schon, in welchem Hotel ihr wohnt!" bedrohen, können weder außerordentlich noch ordentlich verhaltensbedingt gekündigt werden.[8]

[5] ArbG Darmstadt, Urteil v. 13.12.2005, 3 Ga 8/05; zu Recht kritisch: Paul Melot de Beauregard, Die Rechtsprechung zum Arbeitskampfrecht in den Jahren 2004–2006, NZA-RR 2007 S. 393; ArbG Hamburg, Urteil v. 6.6.2013, 29 Ga 9/13.

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