Eine Teilarbeitsfähigkeit oder begrenzte Arbeitsfähigkeit kennt das deutsche Arbeitsrecht nicht. Kann der Beschäftigte infolge Erkrankung nicht mehr die volle vertraglich geschuldete Arbeitsleistung bringen, liegt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gleichwohl Arbeitsunfähigkeit in vollem Umfang vor, auch wenn der Beschäftigte zu einer teilweisen Arbeitsleistung in der Lage ist. Nach dieser Entscheidung soll der Beschäftigte nicht verpflichtet sein, die ihm an sich mögliche teilweise Arbeitsleistung zu erbringen. Erbringt der Beschäftigte im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber teilweise seine Arbeitsleistung, kann der Beschäftigte neben dem Teilgehalt Krankenbezüge bis zum vollen Gehaltsanspruch verlangen. Ohne Zustimmung des Beschäftigten ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, diesen zu einer anderen Arbeit heranzuziehen, die er möglicherweise ausüben könnte.
Eine Verpflichtung des Beschäftigten zur Ausführung einer anderen Arbeit, hinsichtlich derer er arbeitsfähig wäre, besteht nur dann, wenn der Arbeitgeber unabhängig von der Arbeitsunfähigkeit bereits aufgrund arbeitsvertraglichen Vorbehalts oder Direktionsrechts berechtigt wäre, dem Beschäftigten diese andere Tätigkeit zuzuweisen.
Die Abgrenzung, ob eine (auch teilweise) Arbeitsunfähigkeit mit der Folge einer vollständigen Unmöglichkeit der Leistungspflicht vorliegt oder ob die Leistungsminderung lediglich zu einer Einschränkung des Direktionsrechts führt, kann äußerst schwierig werden.
Beispiel
Eine Krankenschwester teilt der Klinik mit, sie sei aufgrund einer gesundheitlich bedingten Medikamenteneinnahme nicht mehr in der Lage, nachts zu arbeiten. Sie könne jedoch uneingeschränkt in anderen Schichten eingesetzt werden. Bisher hatte die Krankenschwester ca. 5 % ihrer Gesamtarbeitszeit im Nachtdienst verbracht. Die Klinik meinte, die Krankenschwester sei wegen ihrer eingeschränkten Einsetzbarkeit arbeitsunfähig und teilte diese nicht mehr zur Arbeit ein. Eine Nachtarbeit war nicht zwingender Bestandteil der vertraglichen Leistungspflichten. Der Arbeitsvertrag sowie die Betriebsvereinbarung sehen aber die Möglichkeit des Arbeitgebers vor, unter bestimmten Bedingungen Nachtarbeit anzuordnen. Die Einteilung zur Nachtarbeit erfolgt hier also aufgrund des Direktionsrechts. Diese Anordnung hat der Arbeitgeber jedoch nach § 106 GewO nach billigem Ermessen auszuüben. Im Rahmen der Ermessensausübung muss er die eingeschränkte Einsetzbarkeit der Beschäftigten berücksichtigen. Damit ist der Beschäftigten ihre Leistung nicht teilweise unmöglich geworden, sondern der Arbeitgeber ist nur gehindert, die gesamte Bandbreite der arbeitsvertraglich an sich möglichen Leistungsbestimmungen nach § 106 GewO auszunutzen. Sein Leistungsbestimmungsrecht ist bezüglich der Anordnung von Nachtarbeit infolge des Gesundheitszustands der Beschäftigten entsprechend eingeschränkt.
Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Arbeitsvertragsparteien einvernehmlich den Arbeitsvertrag abändern und die dem Beschäftigten mögliche Teilarbeitsleistung als nunmehrige Vollarbeitsleistung vereinbaren. Erfolgt eine derartige Vertragsänderung, ist der Beschäftigte dementsprechend wieder voll arbeitsfähig. Er hat nur noch Anspruch auf das der vereinbarten Arbeitszeit entsprechende Entgelt, nicht aber daneben auch Anspruch auf Gewährung von Krankenbezügen. Erkrankt er sodann erneut, hat er Anspruch auf Bezahlung von Krankenbezügen nach § 22 TVöD. In der Praxis empfiehlt es sich, besondere Sorgfalt auf die Feststellung zu legen, ob der Wille des Beschäftigten wirklich auf eine Vertragsänderung in Richtung Teilzeitbeschäftigung abzielt. Häufig wird das Angebot des Beschäftigten, die Arbeit nur teilweise aufzunehmen, nicht auf den Abschluss eines geänderten Arbeitsvertrags gerichtet sein. Er wird vielmehr die Weiterzahlung des vollen Entgelts erwarten.