BAG, Urteil vom 25.10.2017, 7 AZR 632/15
Die Vereinbarung der automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der Regelsaltersgrenze – sog. Altersgrenzenbefristung – bedarf grds. der Schriftform, § 14 Abs. 4 TzBfG. Das gesetzliche Schriftformerfordernis entfällt nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis insgesamt "einem einschlägigen Tarifvertrag" unterfällt, der eine Befristung vorsieht. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitsvertrag z. B. nur eine Teilverweisung auf den TVöD/TV-L enthält, im Arbeitsvertrag nicht auf den "einschlägigen" Tarifvertrag verwiesen wird oder die Altersgrenzenbefristung im Arbeitsvertrag ohne Verweis auf einen Tarifvertrag geregelt ist. Hier ist die gesetzliche Schriftform einzuhalten.
Sachverhalt
Der Kläger, geboren am 7.6.1949, veräußerte seine radiologische Arztpraxis aufgrund Vertrags vom 17.5.2009 zum 30.6.2009 an die Beklagte, die ein medizinisches Versorgungszentrum in den Fachbereichen Radiologie und Nuklearmedizin betreibt. Am 17.5.2009 suchte der damalige Geschäftsführer der Beklagten den Kläger zu Hause auf, wo dieser auch einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten unterschrieb. In § 15 des Arbeitsvertrags hieß es auszugsweise: ...
"5. Ohne dass es einer Kündigung bedarf, endet das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers oder spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das Regelaltersrentenalter erreicht."
Die Geschäftsführer der Beklagten unterzeichneten den Arbeitsvertrag am 18.5.2009. Streitig war jedoch zwischen den Parteien, ob dem Kläger ein von beiden Parteien unterzeichnetes Arbeitsvertragsexemplar ausgehändigt wurde. Ab dem 1.7.2009 wurde er dann für die Beklagte als Facharzt für Radiologie gegen eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 10.500 EUR tätig. Der Kläger machte nun geltend, dass die Befristung aus mehreren Gründen unwirksam sei.
Die Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg; denn es war nicht klar, ob die gesetzliche Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG eingehalten wurde.
In seinem Urteil führte das BAG aus:
Zunächst sei die Altersgrenzenregelung in § 15 Abs. 5 des Arbeitsvertrags keine überraschende Klausel, da sie weder nach ihrem Erscheinungsbild noch nach den sonstigen Umständen so ungewöhnlich sei, dass der Kläger mit ihr nicht zu rechnen brauchte. Zudem befand sich die Befristungsregelung nicht an einer unerwarteten Stelle des Vertrags, sondern war in § 15 enthalten, der ausweislich seiner Überschrift die Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelte. Auch seien Befristungsabreden, die auf das Erreichen der Regelaltersgrenze für den Bezug von Altersrente abstellen, im Arbeitsleben durchaus verbreitet, sodass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB überraschend sei.
Allerdings unterlägen, so das BAG weiter, Regelungen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen aufgrund von Altersgrenzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle. Sie bedürften somit eines sie rechtfertigenden Sachgrunds i. S. d. § 14 Abs. 1 TzBfG. Eine solche auf das Regelrentenalter abstellende Altersgrenzenregelung könne hierbei nicht nur in Kollektivnormen (so für einen Tarifvertrag: BAG, Urteil v. 21.9.2011, 7 AZR 134/10; für eine Betriebsvereinbarung: BAG, Urteil v. 13.10.2015, 1 AZR 853/13), sondern auch in Individualverträgen getroffen werden und sachlich gerechtfertigt sein. Ende das Arbeitsverhältnis durch die vereinbarte Altersgrenze, verliere der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Arbeitsvergütung, die ihm bisher zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hatte. Dieses Ergebnis sei, so das Gericht, verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung der dauerhafte Bezug von Leistungen aus einer Altersversorgung treten würde. Nicht ausreichend hierfür sei eine Ausgleichszahlung des Arbeitgebers oder eine betriebliche Altersversorgung (vgl. hierzu BAG, Urteil v. 18.1.2017, 7 AZR 236/15). Somit sei Bestandteil des Sachgrunds die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze; ob dagegen der Arbeitnehmer auch tatsächlich wirtschaftlich abgesichert sei, sei für die Wirksamkeit der Befristung irrelevant (BAG, Urteil v. 9.12.2015, 7 AZR 68/14).
Wie jede Befristung erfordere die Wahrung der in § 14 Abs. 4 TzBfG bestimmten Schriftform den Zugang der unterzeichneten Befristungsabrede bei dem Erklärungsempfänger vor Vertragsbeginn. Und für die Einhaltung der Schriftform müsse nach § 126 Abs. 1 BGB eine eigenhändig vom Aussteller mit Namensunterschrift unterzeichnete Urkunde ausgestellt werden, bzw. bei einem Vertrag nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde. Bei Befristungen sei die gesetzliche Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG nicht schon gewahrt, wenn eine einheitliche Vertragsurkunde von beiden Parteien vor Vertragsbeginn unterzeichnet worden ist. Hat der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber vorformulierte, aber noch nicht unterschriebene Vertragsurkunde unterzeichnet an den Arbeitgeber zurückgegeben, genüge zu...