Stefanie Hock, Dr. Dieter Bremecker
Um die Probleme der tariflichen Vorgaben zum Arbeitszeitkonto nach § 10 TVöD zu vermeiden, sollten möglichst Gleitzeitkonten zwischen den Betriebsparteien vereinbart werden, die nicht unter die Reglementierung des § 10 TVöD fallen.
7.1 Übersicht über Grundgestaltungen bedarfsorientierter Arbeitszeit
Gegenpole "Zeitsouveränität" und "Bedarfsorientierung"
Die Verteilung der verfügbaren Arbeitszeit entsprechend dem Bedarf ist eine wesentliche Voraussetzung kosteneffizienter Produktion oder Dienstleistung. Bedarfsorientierte Arbeitszeitgestaltung bedeutet aus der Sicht des Arbeitgebers die Orientierung allein am Bedarf des Unternehmens. Dabei ist schon sehr viel gewonnen, wenn eine Orientierung am längerfristig vorhersehbaren Bedarf stattfindet. Optimal ist eine Bedarfsorientierung jedoch erst, wenn sie neben den vorhersehbaren Schwankungen auch die kurzfristigen Bedarfsveränderungen auffangen kann. Ideal wäre, die Präsenz der Arbeitnehmer exakt den Bedarfsschwankungen des Unternehmens anzupassen.
Diese Zielsetzung kollidiert zwangsläufig mit den Interessen des Arbeitnehmers, seine Arbeitszeit möglichst seinen außerbetrieblichen Bedürfnissen und Bindungen, z. B. durch Familie oder Freizeitveranstaltungen, anzupassen. Hinzu kommt, dass eine Bedarfsorientierung für die Mitarbeiter zu einer erheblichen Leistungsverdichtung führt und von ihm nun eine deutlich höhere Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung erwartet wird.
Dieses Spannungsfeld aufzulösen zugunsten einer einseitigen Bedarfsorientierung des Arbeitgebers wäre kontraproduktiv. Denn Basis für jeden betrieblichen Erfolg ist unverzichtbar ein hohes Maß an Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmer. Betrieblicher Erfolg ist auf Dauer gegen die Arbeitnehmer nicht möglich. Daher ist ein Ausgleich der beiderseitigen Interessen anzustreben. Ein praktikables Arbeitszeitkonzept muss die Arbeitszeitbedürfnisse der betroffenen Arbeitnehmer zwingend integrieren. Am besten sind die Arbeitszeitkonzepte, die die beiden Zielkonflikte harmonisch in Übereinklang bringen. Dies kann z. B. durch Übertragung der Ergebnisverantwortung auf die jeweilige Gruppe bei Einräumung hoher Arbeitszeitsouveränität des Einzelnen innerhalb der Gruppe geschehen, verbunden mit bedarfsorientierten Rahmenvorgaben. Denkbar sind auch ergänzende ergebnisorientierte Entgeltanreize.
Gleitzeitmodelle sind geprägt von der Idee, dass die Mitarbeiter selbst regulieren können, wie viel sie pro Tag, Woche, Monat, über die grundsätzlich geschuldete Wochenarbeitszeit hinaus zusätzlich bzw. weniger arbeiten. Den Mitarbeitern wird dann zugleich die Möglichkeit gegeben, die Differenz in einem bestimmten Zeitraum auszugleichen.
Die Zeitgutschriften können nach Absprache mit dem Vorgesetzen unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange als einzelne freie Stunde, freie Tage oder größere Freizeitblöcke genommen werden. Die Arbeitszeitguthaben können auch über einen längeren Zeitraum angespart und in Form eines Sabbaticals, einer größeren Freizeitperiode, genommen werden.
7.2 Herkömmliche Gleitzeitkonzeptionen
Die seit den späten 60er Jahren vor allem in zahlreichen Verwaltungen und Behörden der Bundesrepublik eingeführte gleitende Arbeitszeit enthält bereits einige grundlegende Regelungselemente, die auch für eine Weiterentwicklung in Richtung zu mehr Flexibilität unabdingbar sind:
- Für jeden Mitarbeiter wird ein Zeitkonto geführt, auf dem Schwankungen der geleisteten regelmäßigen Arbeitszeit sich im Zeitverlauf ausgleichen.
- Jeder Mitarbeiter enthält ein gleich bleibendes Monatsentgelt, unabhängig von der im jeweiligen Monat tatsächlich geleisteten Arbeitszeit.
- Es wird ein Zeitrahmen festgelegt, innerhalb dessen die individuelle Regelarbeitszeit hinsichtlich ihrer Dauer, Lage und Verteilung frei bestimmt werden kann.
- Die individuell geleisteten Arbeitszeiten werden auch individuell erfasst, sei es durch Selbstaufschreibung, Stechuhren, Zeitzähler oder elektronischem Zeiterfassungssystem.
Bei Einführung der Gleitzeit ging es den Dienststellen und Betrieben hauptsächlich darum, den Mitarbeitern angesichts der teilweise äußerst angespannten Arbeitsmarktlage attraktive Arbeitszeitbedingungen zu bieten. Die Flexibilität der Arbeitszeit wurde als ein Zugeständnis an den Mitarbeiter betrachtet. Die betrieblichen Flexibilitätserfordernisse blieben dagegen in den meisten Gleitzeitvereinbarungen weitgehend unerwähnt.
Mittlerweile haben sich die Anforderungen an Gleitzeitsysteme wie auch an flexible Arbeitszeitsysteme grundlegend gewandelt. Im Vordergrund steht nunmehr die beiderseits interessengerechte Nutzung zeitlicher Flexibilitätsspielräume durch Mitarbeiter und Betrieb. Neu gegenüber "herkömmlichen" Gleitzeitsystemen ist also vor allem, dass auch betriebliche Flexibilitätserfordernisse mithilfe der Gleitzeit bewältigt werden sollen. Hierbei stellt sich zunehmend das Problem, dass tarifvertragliche Arbeitszeitverkürzungen mit dem betrieblichen Erfordernis einer mindestens gleich bleibenden, möglicherweise aber auch längeren zeitlichen Ansprechbarkeit zumindest in kunden- bzw. bürgernahen Funktionen zusammentreffen. Hier ist ei...