Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 463,80 DM brutto nebst 4% Zinsen von dem genannten Bruttobetrag entsprechenden. Nettolohn zu zahlen ab 16.3.1986.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dar Beklagten auferlegt.
3. Streitwert: 463,80 DM.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin steht seit 16.6.1982 als Kassiererin zum Arbeitsentgelt von zuletzt 1.546,– DM brutto pro Monat in den Diensten der Beklagten. Sie ließ im Rahmen einer stationären Behandlung im Krankenhaus eine künstliche Befruchtung vornehmen, und zwar während ihres Urlaubs und in der Hoffnung, mit Beendigung des Urlaubs die Arbeit wieder aufnehmen zu können. Die Klägerin war jedoch im Anschluß an die Urlaubszeit vom 3.2. bis zum 9.2.1986 arbeitsunfähig krank geschrieben.
Für diese Zeit verweigerte die Beklagte die Lohnfortzahlung in Höhe von unstreitig 463,80 DM brutto.
Die Klägerin erhob die Zahlungsklage vom 19./20.3.1986. Sie hält den Einbehalt für unberechtigt. Angesichts bestimmter körperlicher Gegebenheiten habe für sie keine sonstige Möglichkeit bestanden, ein Kind zu bekommen.
Die Vornahme des Eingriffs sei unverschuldet.
Die Klägerin beantragte zuletzt,
die Beklagte zu verurteilen, an
sie 463,80 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 16.3.1986 aus dem Nettobetrag hieraus zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Meinung, sie verschulde die nunmehr der Höhe nach unstreitige Gehaltsfortzahlung nicht.
Die bei der Klägerin vorliegende Unfruchtbarkeit sei zwar eine Abweichung vom normalen Gesundheitszustand eines Menschen. Deshalb habe die Beklagte schon in der Vergangenheit (1984–1985) der Klägerin für ärztliche Maßnahmen, die die Unfruchtbarkeit beseitigen und zur künstlichen Befruchtung … führen sollten, für insgesamt 63 Arbeitstage Lohnfortzahlung gewährt.
Die künstliche Befruchtung nun sei jedoch keine Maßnahme, die zur Beseitigung der Unfruchtbarkeit führe. Sie diene nicht der Beseitigung eines krankhaften Zustandes, sondern lediglich dazu, die Folge der Unfruchtbarkeit (Kinderlosigkeit) zu beseitigen.
Auch bei Erfolg im Einzelfalle bleibe in Zukunft die natürliche Befruchtung ausgeschlossen.
Wegen des Sach- und Streit Stands im einzelnen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Gehaltsfortzahlung auf der Grundlage des § 63 Abs. 1 HGB zu.
Danach behält der Handlungsgehilfe seinen Anspruch auf Gehalt für die Dauer von bis zu sechs Wochen, wenn er durch unverschuldetes Unglück an der Leistung seiner Dienste verhindert ist.
Im Rahmen verfassungskonformer Auslegung unterfällt dem Begriff „Unglück” im Sinne des Gesetzes die Arbeitsverhinderung durch eigene Krankheit des Handlungsgehilfen, vgl. Schaub in AR – Handbuch, § 97 IV, BAG in AP Nr. 22 zu § 63 HGB.
unstreitig lag bei der Klägerin in der weiteren Folge der künstlichen Befruchtung für die Zeit vom 3.2. bis zum 9.2.1986 eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vor.
Belanglos für die Frage des Vorliegens einer Arbeitsverhinderung infolge Krankheit ab dem 3.2.1986 ist daher zunächst, ob die Klägerin vor dem bei ihr vorgenommenen Eingriff arbeitsunfähig krank im Sinne des Gesetzes gewesen ist. Es ist in diesem Zusammenhange verfehlt, darauf abzustellen, ob die bei einer Frau bestehende Unfruchtbarkeit selbst einen regelwidriegen Gesundheitszustand darstellt, der dem Begriff der Krankheit zuzuordnen ist.
Ebenso verfehlt ist es, darauf abzuheben, ob die Befruchtung ihrerseits der. Behebung einer gesundheitlichen Regelwidrigkeit diente, was selbstverständlich nicht der Fall ist. Entscheidend ist vielmehr, daß am 3.2.1986 und an den folgenden Tagen Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bestand.
Der Gehaltsfortzahlungsanspruch der Klägerin für die Zeit vom 3.2. bis zum 9.2.1986 ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin die in dieser Zeit bestehende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit selbst schuldhaft herbeigeführt hätte.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG, vgl. zuletzt in Der Betrieb 1982 Seite 1729, 1730 handelt
schuldhaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Lohnfortzahlungsgesetz der Arbeiter, der gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Entsprechendes gilt für Angestellte, die Ansprüche auf Lohn- oder Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle nach §§ 616 Abs. 1 Satz 1 BGB, 63 Abs. 1 Satz 1 HGB oder 133 c Satz 1 Gewerbeordnung geltend machen können. Der Sache nach handelt es sich um ein „Verschulden gegen sich selbst”. Das Gesetz schließt den Anspruch bei eigenem Verschulden des Arbeitnehmers aus, weil es unbillig wäre, den Arbeitgeber mit der Leistungsverpflichtung zu belasten, wenn der Arbeitnehmer zumutbare Sorgfalt sich selbst gegenüber außer acht gelassen und dadurch seine Arbeitsunfähigkeit verursacht hat. Das ist ständige Rechtsprechung des BAG und einhellige Ansicht der Literatur (...