Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Verbreitung ausländerfeindlicher Schriften
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Weitergabe von Texten mit Hetze gegen Ausländer, Aussiedler oder Asylbewerber im Rahmen der Arbeitstätigkeit ist eine grobe, in der Regel nicht entschuldbare Verletzung der arbeitsvertraglichen Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers. Dies gilt insbesondere für einen Außendienstmitarbeiter im Verhältnis zu Kunden.
2. Derartige Pflichtverletzungen sind "an sich" zur Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung und zur sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung geeignet. Für die Beurteilung, ob die Weitergabe ausländerfeindlicher Texte im Einzelfall eine Kündigung rechtfertigt, bedarf es stets einer auf den konkreten Fall bezogenen Prüfung der Verhältnismäßigkeit und einer umfassenden Interessenabwägung.
3. Eine außerordentliche wie eine ordentliche Kündigung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gerechtfertigt, wenn im Einzelfall eine Abmahnung als gegenüber einer Kündigung mildere Maßnahme geeignet ist. Die Prüfung der Eignung einer Abmahnung erfordert eine zukunftsbezogene Beurteilung. Eine Abmahnung ist geeignet, wenn dadurch bei verständiger Würdigung der Einzelfallumstände eine Wiederholungsgefahr aller Voraussicht nach ausgeschlossen werden kann. Das ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens einsieht, von sich aus zur Entschuldigung seines Verhaltens bei dem Betroffenen bereit ist und es sich um einen einmaligen Vorfall im Rahmen eines langjährigen ungestörten Arbeitsverhältnisses handelt. Eine Abmahnung ist demgegenüber ungeeignet, wenn das Arbeitsverhältnis durch die Verfehlung des Arbeitnehmers entweder so stark verletzt ist, daß selbst eine künftige Besserung der Zusammenarbeit an dem Vertrauensverlust nichts mehr ändert, oder wenn der Arbeitnehmer infolge der Pflichtverletzung nicht mehr vertragsgemäß beschäftigt werden kann.
Rein generalpräventive Gesichtspunkte ("ein Exempel zu statuieren") sind zur Rechtfertigung einer Kündigung wegen des individualrechtlich ausgestalteten Kündigungsschutzes nicht geeignet.
Orientierungssatz
Berufung eingelegt beim LArbG Hannover, 14 Sa 941/92. Erledigt durch Vergleich vor dem LArbG Hannover vom 9.12.1993.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1
Fundstellen
BB 1993, 1218 |
BB 1993, 1218-1221 (L1-3) |
DB 1993, 1194 (L1-4) |
RzK I 6a, Nr. 95 (L1-2, 4) |
ZAP, EN-Nr 633/93 (L1-3) |
ArbuR 1993, 415 (L1-3) |
PersF 1993, 900 (T) |