Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien, durch die Kündigung der Beklagten vom 24.01.2022 zum 31.07.2022 beendet wird.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Der Streitwert wird auf 12.000 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, hilfsweise einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

Die Klägerin steht bei der Beklagten seit 01.05.2004 in einem Arbeitsverhältnis als Krankenschwester. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug zuletzt 3.000,00 EUR. Mit Schreiben vom 17.12.2021 (Anlage B1, Bl. 24-25 d. A.) informierte die Beklagte die bei ihr Beschäftigten über die zum 16.03.2022 eintretende einrichtungsbezogene Impfpflicht gem. § 20a Abs. 1 IfSG und bat bis zum 15.01.2022 um Vorlage eines der gem. § 20a Abs. 2 IfSG geforderten Nachweise. Wegen des Inhalts des Schreibens wird vollumfänglich auf die Anlage B1 verwiesen. Die Klägerin legte der Beklagten das Dokument gem. Anlage B2 (Bl. 26 d. A.) vor. Wegen des Inhalts der Bescheinigung wird vollumfänglich auf die Anlage B2 verwiesen. Die Beklagte legte die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung dem Gesundheitsamt O. gem. § 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG vor. Am 19.01.2022 teilte das Gesundheitsamt O. der Beklagten mit:

„Nach Überprüfung der vorgelegten Bescheinigungen Ihrer Mitarbeiterinnen stelle ich fest, dass sie aus dem Internet heruntergeladen sind (siehe Link […]) und somit nicht auf einer ärztlichen Untersuchung beruhen. Zudem ist die die ärztliche. Bescheinigung unterzeichnende Ärztin nicht bekannt.”

Nach Anhörung des bei ihr gebildeten Betriebsrats mit Schreiben vom 21.01.2022 (Anlage B3, Bl. 27-28 d.A.) und der vom Betriebsrat am 24.01.2022 (Anlage B3, Bl. 29 d.A.) erklärten Zustimmung sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 24.01.2022 eine außerordentliche Kündigung, hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 31.07.2022 aus (Anlage K1, Bl. 4 d.A.).

Die Klägerin ist aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ordentlich unkündbar.

Die Klägerin bestreitet das Vorliegen eines wichtigen Grundes und die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB. Die Klägerin erklärt, dass die Beklagte gegenüber den Mitarbeitenden im Schreiben vom 17.12.2021, dort auf Seite 2 im zweiten Kästchen, fälschlicherweise angedroht habe, dass Personen die bis zum 15.03.2022 keinen ausreichenden Nachweis erbringen, nicht mehr tätig sein dürfen. Zudem werde beschrieben, dass das Gesundheitsamt Geldbußen oder Zwangsgelder aussprechen könne, wenn die Nachweise nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vorgelegt würden. Diese offensichtlich bewusste rechtliche Falschbeauskunftung gegenüber den Mitarbeitenden konnte von diesen ohne weiteres als Drohung aufgefasst werden. Die Klägerin verweist darüber hinaus auf eine Handreichung des Bundesministeriums für Gesundheit (Anlage K2, Bl. 35 ff.), dort insbesondere die Ziffern 21 und 22. Daraus ergebe sich, dass bei Zweifeln an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises das zuständige Gesundheitsamt zu benachrichtigen sei und ausschließlich das Gesundheitsamt dann den Fall zu untersuchen habe. In Ziff. 20 stehe, dass arbeitsrechtliche Rechtsfolgen immer abhängig seien von der Entscheidung des Gesundheitsamtes. Die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 20a IfSG begründe kein Recht des Arbeitgebers zur Freistellung; wenn Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer also weiterbeschäftigt werden könnten, bestehe auch keine Grundlage für kündigungsrechtliche Konsequenzen. Die Beklagte habe letztlich aus sachfremden Erwägungen aus der Vorlage der Bescheinigung einen fristlosen Kündigungsgrund konstruiert.

Die Klägerin beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien, durch die Kündigung der Beklagten vom 24.01.2022, nicht beendet wird;
  2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Krankenschwester bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte stützt ihren Vorwurf schweren arbeitsvertragswidrigen Verhaltens darauf, dass die Klägerin ihr eine Bescheinigung über eine angeblich vorläufige Impf-Kontraindikation, die die Klägerin bei einem unseriösen Anbieter aus Süddeutschland im Internet gekauft habe, vorgelegt und dadurch versucht habe, der Beklagten eine Impfunfähigkeit vorzuspiegeln, die tatsächlich nicht vorliege.

Die Beklagte erklärt, dass die Klägerin die die „Bescheinigung” ausstellende Frau Dr. M. offenkundig nicht in F. aufgesucht, sondern vielmehr die Bescheinigung nach kurzer Internetrecherche gekauft habe, um auf diese Weise den Vorgaben des § 20a IfSG zu entgehen. Eine notwendige individuelle Untersuchung der Klägerin auf das tatsächliche Bestehen einer Impfunfähigkeit sei unterblieben. Die Beklagte sei davon überzeugt, dass die Bescheinigung...

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