Rz. 117
Ob ein Anspruch auf Urlaubsgeld dem Insolvenzgeld-Zeitraum zugeordnet werden kann, hängt maßgeblich davon ab, wann das Arbeitsentgelt erarbeitet worden ist. Ausschlaggebend sind insoweit der arbeitsrechtliche Entstehungsgrund und die Zweckbestimmung der Leistung ("Erarbeitungsprinzip"):
Wird das Urlaubsgeld als eine über das Urlaubsentgelt hinausgehende akzessorische Arbeitgeberleistung für die Dauer des Urlaubs gewährt, mit der urlaubsbedingte Mehraufwendungen ausgeglichen werden sollen und ist es deshalb als Teil der Urlaubsvergütung ausgestaltet, so ist es nur zu zahlen, wenn tatsächlich Urlaub gewährt wird und ein Anspruch auf Urlaubsvergütung besteht. In diesem Fall ist das Urlaubsgeld auch insolvenzgeldrechtlich nur zu berücksichtigen, soweit es für die Zeit der Urlaubstage in den letzten 3 Monaten vor dem Insolvenzereignis – d. h. der Insolvenzeröffnung – vom Arbeitgeber zu zahlen gewesen wäre.
Wird das zusätzliche Urlaubsgeld dagegen urlaubsunabhängig gezahlt, ist es wie jede andere zusätzliche jährliche Sonderzuwendung (z. B. Weihnachtsgeld etc.) nur dann berücksichtigungsfähig, wenn es sich ganz oder anteilig den dem Insolvenzereignis vorausgehenden 3 Monaten zurechnen lässt. Arbeitsvertragliche Vereinbarungen bzw. Regelungen, die bei vorherigem Ausscheiden des Arbeitnehmers – d. h. vor dem Fälligkeitszeitpunkt – einen zeitanteiligen Anspruch vorsehen, begründen dementsprechend einen Insolvenzgeldanspruch in Höhe des auf den Insolvenzgeldzeitraum entfallenden Anteils. Lässt sich die Sonderzuwendung nicht in dieser Weise einzelnen Monaten zurechnen, ist sie in voller Höhe bei dem Insolvenzgeld zu berücksichtigen, wenn der Stichtag, zu dem die Zahlung im bestehenden Arbeitsverhältnis hätte erfolgen müssen, im Insolvenzgeldzeitraum liegt. Ist dies jedoch nicht der Fall, findet die Sonderzuwendung überhaupt keine Berücksichtigung. Bloße Fälligkeitsvereinbarungen ohne Veränderung des Rechtsgrunds können eine Änderung des Stichtags und damit eine Änderung der zeitlichen Zuordnung der Sonderzuwendung nicht herbeiführen.
Einem Arbeitnehmer steht aufgrund seines Arbeitsvertrags ein zusätzliches Urlaubsgeld zu, wenn er am 30.6. des Urlaubsjahres in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht. Im Juli 2023 schlossen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Zusatzvereinbarung, wonach das Urlaubsgeld für das Jahr 2023 erst im November 2023 zur Auszahlung kommen sollte. Die Zusatzvereinbarung sah zudem vor, dass bei einem Ausscheiden des Arbeitnehmers vor November 2023 das Urlaubsgeld sofort zur Auszahlung fällig sein sollte. Am 1.1.2024 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet. Das Urlaubsgeld war im November 2023 nicht ausgezahlt worden. Der Arbeitnehmer meinte, das Insolvenzgeld für die Monate Oktober bis Dezember 2023 umfasse auch das entgangene Urlaubsgeld. Das lehnte die Bundesagentur für Arbeit ab.
Entscheidung des BSG
Das Bundessozialgericht ist der Auffassung des Arbeitnehmers nicht gefolgt. Die vertragliche Vereinbarung habe eine urlaubsneutrale, auf das Jahr – und nicht einzelne Monate – bezogene Sonderzahlung zum Inhalt gehabt. Sie sei auch unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme von Urlaub und der Gewährung von Urlaubsentgelt gewesen. Der relevante Stichtag des 30.6. habe jedoch außerhalb des Insolvenzgeld-Zeitraums gelegen. Die Zusatzvereinbarung von Juli 2023 habe den Stichtag nicht nach hinten verlegt, denn sie habe nur den Fälligkeitszeitpunkt verschoben, nicht jedoch den Entstehungsgrund und die Stichtagsregelung abgeändert.