Rz. 35
§ 3 PflegeZG räumt dem Beschäftigten ein einseitiges Gestaltungsrecht ein. Durch die Erklärung, Pflegezeit in Anspruch zu nehmen, treten unmittelbar die gesetzlichen Rechtsfolgen der Pflegezeit ein, ohne dass es noch eines weiteren Handelns des Arbeitgebers bedürfte. Der Arbeitgeber kann einer vollständigen Freistellung von der Arbeit während der Pflegezeit – wie bei der Elternzeit – insbesondere auch keine betrieblichen Gründe entgegenhalten.
Dies gilt allerdings nicht für Arbeitgeber mit bis zu 15 Beschäftigten, bei denen die Beschäftigten (lediglich) ein Antragsrecht haben (s. hierzu oben Rz. 17).
Soweit nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG der Beschäftigte "von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen" ist, handelt es sich um eine redaktionelle Ungenauigkeit des Gesetzgebers. Einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers bedarf es gerade nicht. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und form-/fristgerechter Ankündigung kann er der Arbeit auch gegen den Willen des Arbeitgebers fernbleiben. Das Arbeitsverhältnis bleibt bestehen. Es wird für die Dauer der Pflegezeit kraft Gesetzes zum Ruhen gebracht. Nach diesen Grundsätzen ist es für den Beschäftigten weder möglich noch notwendig, zur Sicherung des Anspruchs auf Pflegezeit eine Leistungsklage zu erheben. Er kann allenfalls nach erfolgter Inanspruchnahme beantragen festzustellen, dass während des in Anspruch genommenen Zeitraums keine Arbeitspflicht bestand. Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer lediglich eine Teilfreistellung begehrt (s. hierzu unten Rz. 45, 47). Bei Ablehnung seiner Wünsche kann er Klage auf Annahme seines Antrags auf Verringerung/Verteilung der Arbeitszeit erheben. Die Erklärung des Arbeitgebers gilt (erst) mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben (§ 894 ZPO). Dies ist in der Praxis angesichts der Höchstdauer von 6 Monaten illusorisch. In Betracht kommt ein Vorgehen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Eine einstweilige Verfügung zur Sicherung des Anspruchs auf Teilzeitarbeit während der Pflegezeit ist möglich. Den Arbeitgeber auf Abgabe einer zustimmenden Willenserklärung bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren in Anspruch zu nehmen, ist aber nicht möglich. Der Arbeitgeber kann nicht dazu verurteilt werden, der Änderung der Arbeitszeit vorläufig im vom Arbeitnehmer gewünschten Umfang bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zuzustimmen. Dies ist mit § 894 ZPO, der die Fiktion der Abgabe der Willenserklärung durch eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache zum Gegenstand hat, nicht zu vereinbaren.
Das BAG hat ausdrücklich die Frage offengelassen, ob die zeitliche Beschränkung des Pflegezeitanspruchs nur für dasselbe Arbeitsverhältnis gilt. Wenn es sich bei dem Pflegezeitbegehren um ein einmaliges Gestaltungsrecht handelt, ist dieses mit der einmaligen Ausübung bezüglich desselben Angehörigen verwirkt. Dies bedeutet, dass im Falle des Arbeitgeberwechsels kein neuer Anspruch entsteht, wenn das einmalige Gestaltungsrecht bereits beim bisherigen Arbeitgeber ausgeübt wurde. Kommt es jedoch zu einem Arbeitgeberwechsel während der genommenen Pflegezeit, so dürfte der Freistellungsanspruch bis zur Höchstgrenze von 6 Monaten fortbestehen. Eine Verlängerung über diese Höchstgrenze hinaus erscheint wenig sachgerecht, wenn man den Pflegezeitanspruch an die jeweils zu pflegende Person knüpft.