Eine Besonderheit im Tarifgebiet Ost stellt der Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 – "TV soziale Sicherung" – dar. Mit diesem Tarifvertrag wurden Regelungen getroffen, um den nach der deutschen Wiedervereinigung im öffentlichen Dienst der neuen Länder erforderlichen Umstrukturierungsprozess sozialverträglicher zu gestalten. Der Tarifvertrag favorisiert zunächst die Sicherung von Beschäftigungsmöglichkeiten und bestimmt im Weiteren, dass bei dennoch unvermeidlichen Kündigungen, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnden Bedarfs oder wegen ersatzloser Auflösung, Verschmelzung, Eingliederung etc. der Beschäftigungsstelle nicht mehr einsetzbar ist, eine Abfindung zu zahlen ist.

Die Höhe der Abfindung richtet sich nach der Beschäftigungsdauer und der Vergütung und beträgt für jedes volle Beschäftigungsjahr (§ 19 BAT-O) 1/4 der letzten Monatsvergütung.

Die Abfindung ist nach unten auf mindestens die Hälfte und nach oben auf höchstens das Fünffache der letzten Vergütung (Obergrenze) begrenzt.

Für den Fall der Beendigung durch Auflösungsvertrag kann die Abfindung bis zum Siebenfachen der letzten Vergütung erhöht werden.

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitnehmer hat eine Beschäftigungszeit gem. § 19 BAT-O von 22 Jahren und ein Monatseinkommen von zuletzt 2.900 EUR.

  1. Das Arbeitsverhältnis wird durch den Arbeitgeber gekündigt, weil der Arbeitnehmer wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist.

    Die Abfindung errechnet sich: 22 × 2.900 : 4 = 15.950 EUR (Beschäftigungsjahre × letztes Gehalt : 4)

    Obergrenze bei Kündigung: 5 × 2.900 = 14.500 EUR (Fünffaches der letzten Vergütung)

    Da die errechnete Summe die Obergrenze von 5 Monatsgehältern überschreitet, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abfindung in Höhe von 14.500 EUR.

  2. Derselbe Arbeitnehmer erklärt sich bereit, einen Auflösungsvertrag abzuschließen.

    Die Abfindung kann daher bis zum Siebenfachen der letzten Vergütung (Obergrenze bei Auflösungsvertrag) erhöht werden. Das Siebenfache der letzten Vergütung beträgt 20.300 EUR.

    Da die Obergrenze höher als die errechnete Abfindung liegt, kann der Arbeitnehmer eine Abfindung von 15.950 EUR erhalten. Wenn diese höhere Abfindung nicht (z. B. im Auflösungsvertrag) zugesagt worden ist, hat der Arbeitnehmer jedoch nur einen Rechtsanspruch auf 14.500 EUR Abfindung.

Die Abfindung nach dem "TV soziale Sicherung" steht nicht zu, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung zu vertreten hat (z. B. bei Ablehnung eines zumutbaren anderen Arbeitsplatzes) oder wenn er von einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes übernommen wird.

Sie verringert sich bei späterem Wiedereintritt in den öffentlichen Dienst oder Erwerb eines Anspruchs auf Rente. Dabei ist allein der gesetzliche Anspruch auf Rente entscheidend, darauf, ob der Berechtigte tatsächlich einen Rentenantrag stellt, kommt es nicht an.[1] Maßgeblich für die nachträgliche Kürzung der Abfindung ist die Anzahl der Monate, die als Bruchteile der Monatsvergütung (Anzahl der Vergütungsviertel) bei der Berechnung der Abfindung tatsächlich zugrunde gelegt wurden.

 
Hinweis

Nach einer in der Literatur umstrittenen[2] Entscheidung des BAG[3] soll ein Anspruch auf Abfindung nach dem "TV soziale Sicherung" nur bei einer Kündigung nach den Sondervorschriften des Einigungsvertrags[4] nicht jedoch bei einer Kündigung unter den Gesichtspunkten des Kündigungsschutzes in Betracht kommen. Diese Entscheidung ist jedoch durch den 2. Änderungs-TV vom 5. Mai 1998 zum "TV soziale Absicherung" nicht mehr aktuell.

Der tarifliche Abfindungsanspruch entfällt im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Auflösungsvertrag, anders als bei Kündigung, nicht deshalb, weil der Arbeitnehmer einen zumutbaren anderen Arbeitsplatz zuvor abgelehnt hat.[5]

[2] Vgl. z. B. Meist: Zur Anwendbarkeit des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung vom 06.07.1992 – ZTR 1996, 13.
[4] Anlage I zum Einigungsvertrag Kapitel XIX Abschnitt Nr. 1 Abs. 4 Nrn. 2 und 3.

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