Die rechtlichen Voraussetzungen des wichtigen Grundes i. S. v. § 3 Abs. 3 Buchst. a TVSöD entsprechen denen des § 626 Abs. 1 BGB, sodass die in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hierzu entwickelten Grundsätze auch für die Auslegung der Tarifnorm heranzuziehen sind. Danach kann eine Kündigung aus wichtigem Grund insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn der Studierende seine vertraglichen Hauptleistungspflichten und/oder vertraglichen Nebenpflichten erheblich verletzt hat. Liegt eine solche Pflichtverletzung vor, ist in Anlehnung an § 626 Abs. 1 BGB in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Ausbilders an der sofortigen Beendigung des Vertragsverhältnisses gegen das Interesse des Studierenden an dessen Fortbestand bis zum Ablauf der Ausbildungs- und Studienzeit abzuwägen. Dabei hat eine Bewertung des konkreten Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn dem Ausbildenden angesichts der Gesamtumstände sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzt deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus.[1] Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Studierenden erkennbar – ausgeschlossen ist (z. B. bei besonders schwerem Fehlverhalten[2]).

 
Hinweis

Die Kündigung aus wichtigem Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrundeliegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als 2 Wochen bekannt sind (vgl. § 22 Abs. 4 BBiG, § 22 Abs. 4 Satz 1 PflBG). Ist ein vorgesehenes Güteverfahren vor einer außergerichtlichen Stelle eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf der 2-Wochen-Frist gehemmt (vgl. § 22 Abs. 4 Satz 2 PflBG).

[2] LAG Düsseldorf, Urteil v. 15.4.1993, 5 Sa 220/93 (Verletzung der Pflicht zum Berufsschulbesuch); LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 6.3.2007, 1 Sa 881/06 (Eigenmächtige Verabreichung der Infusion eines falschen, wenn auch versehentlich verwechselten Medikaments); LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 9.11.2005, 10 Sa 686/05 (Eigenmächtiger Urlaubsantritt nach 2-maligem Versuch, sich eine Arbeitsbefreiung durch Täuschung zu erschleichen); ArbG Siegburg, Urteil v. 17.3.2022, 5 Ca 1849/21 (Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit).

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