Dr. Cornelia Feldmann, Dr. Dieter Bremecker
– Bisherige Rechtsprechung des BAG
Zugrunde liegen der Fallgestaltung zwei Entscheidungen des BAG. In beiden Fällen war in der abgebenden Einrichtung im Arbeitsvertrag Bezug genommen auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes – damals noch BAT. Zugleich war die abgebende Einrichtung jeweils im Kommunalen Arbeitgeberverband. Der eine Mitarbeiter war vor dem Betriebsübergang tarifgebunden (4 AZR 767/06), also Gewerkschaftsmitglied, der andere dagegen nicht (4 AZR 765/06). Beide Mitarbeiter verrichteten überwiegend Reinigungstätigkeiten. Die neuen Arbeitgeber wendeten nach dem Betriebsübergang die allgemeinverbindlichen Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks an.
Das BAG entschied beide Fälle parallel. Der BAT bzw. TVöD ist auch nach dem Betriebsübergang über die entsprechende Auslegung im Arbeitsvertrag weiterhin dynamisch anwendbar. Im Arbeitsvertrag war in beiden Fällen auf die jeweils gültige Fassung des BAT bzw. TVöD verwiesen worden (sog. kleine dynamische Verweisung, vgl. oben Ziff. 5.1). Das BAG stellte klar, dass es sich nicht um einen Fall von Tarifkonkurrenz handele. Es gelte vielmehr das Günstigkeitsprinzip, da ein arbeitsvertraglich in Bezug genommener Tarifvertrag neben einem normativ geltenden allgemeinverbindlichen Tarifvertrag Anwendung finde.
Besonders interessant ist die Begründung des BAG für den tarifgebundenen Arbeitnehmer:
In der Vergangenheit wurde vom BAG eine Ablösung des Tarifvertrags des Veräußerers durch den Tarifvertrag des Erwerbers (§ 613a Abs. 1 Satz 3 BGB) nur zugelassen, wenn beide Tarifverträge mit derselben Gewerkschaft, z. B. ver.di, abgeschlossen war. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der TVöD mit den Gewerkschaften ver.di und dbb beamtenbund und tarifunion u. a. abgeschlossen war, der Gebäudereinigertarif dagegen nicht. Allerdings findet der Gebäudereinigertarifvertrag wegen seiner Allgemeinverbindlichkeit normative Anwendung.
- Arbeitsvertragliche Ebene:
Auf der arbeitsvertraglichen Ebene konnte ein solcher Tarifwechsel nicht angenommen werden, da die dynamische Verweisung auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes nicht als Tarifwechselklausel ausgelegt werden kann. Das BAG bestätigte, dass die Bezugnahmeklausel auch bei tarifgebundenen Arbeitnehmern (Gewerkschaftsmitgliedern) konstitutive Wirkung entfalte, also Bedeutung habe. Obwohl der Gebäudereinigertarifvertrag – wegen der Allgemeinverbindlichkeit – normativ angewendet werden musste, finde auch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme Anwendung. Im konkreten Fall sei nach dem Günstigkeitsprinzip zu klären, welcher von beiden Tarifverträgen der für den Arbeitnehmer günstigere sei. Vorliegend war das Entgeltsystem des BAT/TVöD erheblich günstiger als der Gebäudereinigertarif.
Nach dem Günstigkeitsprinzip findet bei Anwendung zweier verschiedener Tarifverträge – bei dem Veräußerer arbeitsvertraglich vereinbart, beim Erwerber normativ geltend – im Regelfall wegen des für den Arbeitnehmer günstigeren Entgeltsystems der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes Anwendung.
Da das Günstigkeitsprinzip auch für den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer Anwendung findet, wird eine Schlechterstellung der Gewerkschaftsmitglieder verhindert. Es liegt demnach kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor.
Die Vorgehensweise ändert sich nicht, wenn beide Tarifverträge mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen wurden.
Die abgebende Einrichtung ist normativ an den TVöD gebunden. Der Erwerber hat mit ver.di einen Firmen- bzw. Haustarifvertrag geschlossen, der eine Lohnabsenkung gegenüber dem TVöD um 10 % beinhaltet.
Normativ löst der Firmentarifvertrag den Flächentarifvertrag (TVöD) ab, weil beide Tarifverträge mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen wurden.
Arbeitsvertraglich wurde auf die jeweils gültige Fassung des TVöD verwiesen. Nach dem Günstigkeitsprinzip gilt der TVöD mit den günstigeren Entgeltregelungen.
Sehr schwierig wird die Anwendung des Günstigkeitsprinzips, wenn die abgebende Einrichtung an den TV-L gebunden ist, z. B. ein Psychiatrisches Landeskrankenhaus, die aufnehmende Einrichtung dagegen als kommunales Krankenhaus an den TVöD. Diesbezüglich kommt es auf die Frage an, welche Regelungen der Tarifverträge gesondert miteinander verglichen werden können (der sog. Sachgruppenvergleich).
Um eine nach Sachgruppen geordnete Anwendung beider Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis zu vermeiden, wird dringend empfohlen, über einverständliche Vertragsänderungen in der übernehmenden Einrichtung ein einheitliches System zu erreichen.
– Auswirkung der Entscheidungen von 2013 und 2017
Besonders unbefriedigend ist die Situation, die durch die bisherige Rechtsprechung des BAG bei kongruenter Tarifbindung entstanden ist. Der Erwerber müsse die jeweils günstigeren Regelungen aus den Tarifverträgen des Veräußerers und seinen eigenen Tarifwerken ermitteln und zur Anwendung bringen. Unter Einbeziehung der Notwendigkeit wirtschaftlicher Entscheidungsfreiheit des...