Dr. Cornelia Feldmann, Dr. Dieter Bremecker
8.1 Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen, Übergangsmandat des Betriebsrats
In der abgebenden Firma/Einrichtung bestehende Betriebsvereinbarungen gelten nach dem Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB individualrechtlich – als Teil der einzelnen Arbeitsverträge – weiter. Die Rechte aus diesen Betriebsvereinbarungen dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden.
Wird der übergehende Betriebsteil in einen existenten Betrieb des Erwerbers eingegliedert, sind die beim Erwerber bereits zu diesem Zeitpunkt bestehenden oder auch später abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB vorrangig. Besonderheiten bestehen, wenn ein selbstständiger, betriebsratsfähiger Betrieb oder Betriebsteil übergeht.
Bleibt die betriebsverfassungsrechtliche Selbstständigkeit beim Betriebserwerber erhalten, so steht dem Betriebsrat ein Übergangsmandat zu.
Die bisherigen Betriebsvereinbarungen behalten in diesem Fall ihre normative Wirkung, d. h., sie wirken auch für neu einzustellende Mitarbeiter.
Bei Spaltungen oder Teilübertragungen bleibt der Betriebsrat der veräußernden Firma im Amt und führt die Geschäfte für die ihm bislang zugeordneten Betriebsteile weiter, soweit in den Betriebsteilen mindestens 5 ständig wahlberechtigte Arbeitnehmer, von denen drei wählbar sind, beschäftigt sind und in der übernehmenden Firma ein Betriebsrat nicht besteht (§ 21a Abs. 1 BetrVG). Der Betriebsrat hat insbesondere Wahlvorstände zu bestellen. Das Übergangsmandat endet, sobald in den Betriebsteilen ein neuer Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekannt gegeben ist, spätestens jedoch 6 Monate nach Wirksamwerden der Spaltung oder Teilübertragung; durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung kann das Übergangsmandat um weitere 6 Monate verlängert werden (§ 21a Abs. 1 Satz 2 und 3 BetrVG).
Werden Betriebe oder Betriebsteile zu einem Betrieb zusammengefasst, so nimmt der Betriebsrat des nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größten Betriebs oder Betriebsteils das Übergangsmandat wahr (§ 21a Abs. 2 BetrVG).
Die Vorschriften zum Übergangsmandat des Betriebsrats gelten unabhängig davon, ob die Übertragung des Betriebs durch Einzelrechtsübertragung oder im Wege einer sog. partiellen Gesamtrechtsnachfolge – durch Änderung des Handelsregistereintrags – nach dem Umwandlungsgesetz erfolgt (§ 21a Abs. 3 BetrVG).
8.2 Sperre des § 77 Abs. 3 BetrVG
Zum Teil wird die zuständige Gewerkschaft unmittelbar nach dem Betriebsübergang versuchen, den Abschluss eines Haus- oder Firmentarifvertrags zu erreichen. Üblicherweise geschieht dies unter Hinweis auf § 77 Abs. 3 BetrVG, wonach Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können.
Der Erwerber ist jedoch gezwungen, das Lohnsystem, das für die nach dem Betriebsübergang eingestellten Arbeitnehmer Anwendung finden soll, durch Betriebsvereinbarung zu regeln (§ 87 Ziffer 10 und 11 BetrVG), soweit sich beim Übernehmer ein Betriebsrat bildet.
Nach der Rechtsprechung des BAG greift § 77 Abs. 3 BetrVG in allen Angelegenheiten, in denen der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 BetrVG – soziale Angelegenheiten – mitzubestimmen hat, nur, wenn die betreffende Angelegenheit für den Betrieb bereits zwingend tariflich geregelt ist. Darauf, ob eine tarifliche Regelung überhaupt in der betreffenden Branche besteht oder nur üblich ist, kommt es nicht an.
Die Sperre des § 77 Abs. 3 BetrVG gilt damit nicht für Arbeitgeber, die keinem Arbeitgeberverband angehören.
Der Vorrang des Tarifvertrags nach § 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Satz 1 Eingangssatz BetrVG findet keine Anwendung, da ein tariflicher Anspruch nicht mehr besteht, sondern lediglich ein vertraglicher.
In einer neueren Entscheidung hat das BAG seine Rechtsprechung differenziert: § 77 Abs. 3 BetrVG soll auch dann gelten, wenn der bisher nicht tarifgebundene Arbeitgeber in den Geltungsbereich eines "üblichen" Tarifvertrags – fachlich wie räumlich – falle.
In Anbetracht der Zunahme der privat geführten Krankenhäuser wird man kaum von einem im Klinikbereich üblichen Tarif TVöD/TV-L ausgehen können. Auch der Tarifvertrag der Privaten Krankenanstalten ist im Bereich der privaten Klinikbetreiber nicht sehr verbreitet.
Grundsätzlich kann die Gewerkschaft einen Arbeitgeber, somit auch den Betriebserwerber, nicht zum Abschluss eines Haus- bzw. Firmentarifvertrags zwingen, wenn dieser Tarifverhandlungen ablehnt.