Erteilt hingegen der Arbeitgeber dem Beschäftigten auf dessen Anfrage in Unkenntnis der Rechtslage eine falsche Auskunft, so ist die Berufung auf die Ausschlussfrist nicht treuwidrig. Es gehört nicht zu den Pflichten des Arbeitgebers, den Beschäftigten auf den drohenden Ausschluss hinzuweisen. Es ist Sache des Arbeitnehmers, sich Gewissheit darüber zu verschaffen, in welcher Form und Fristen er seine Ansprüche geltend zu machen hat. Ausgehend von diesem Grundgedanken ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Beschäftigten auf tarifliche Änderungen hinzuweisen.
Beispiel
Ein leitender Krankenpfleger fragt im Juni 1991 einen Verwaltungsangestellten der Personalabteilung, ob ihm eine Intensivzulage zustehe. Dies wird verneint. Der Krankenpfleger stellt daraufhin keinen Antrag auf Zahlung einer Intensivpflegezulage. Im Juni 1994 teilt die Personalabteilung dem Krankenpfleger und anderen betroffenen Arbeitnehmern mit, dass ihnen seit dem 1.4.1991 eine Intensivpflegezulage zustehe, die ihm jedoch wegen der Ausschlussfrist rückwirkend lediglich für 6 Monate gewährt werde. Diese Berufung auf die Ausschlussfrist ist nicht treuwidrig. Denn eine Unkenntnis über die rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen eines tariflichen Anspruchs bzw. dessen Verfall aufgrund einer Ausschlussfrist sind rechtlich unbeachtlich.
Nach Auffassung des BAG liegt es allein im Risikobereich des Arbeitnehmers, wenn er einer unrichtigen Auskunft des Arbeitgebers glaubt und es unterlässt, den Anspruch rechtzeitig und fristgerecht geltend zu machen.
Zitat
Von einem Beschäftigten muss verlangt werden, dass er sich hinsichtlich der Rechtslage über die Berechtigung eines vermeintlichen Anspruchs selbst informiert, denn eine Unkenntnis über die rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen eines tariflichen Anspruchs bzw. dessen Verfall aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist sind rechtlich unbeachtlich. … Der Beklagten kann auch nicht vorgeworfen werden, sie habe den Kläger durch vertragswidriges Unterlassen einer Aufklärung über den Verfall der von ihr abgelehnten Ansprüche auf eine Intensivpflegezulage, davon abgehalten, diese geltend zu machen. Dies setzt eine Rechtspflicht zum Handeln voraus. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis umfasst jedoch nicht die Verpflichtung, den Beschäftigten auf drohenden Verfall seiner Ansprüche durch eine tarifliche Ausschlussfrist hinzuweisen. Auch im Bereich des öffentlichen Dienstes ist es Sache des Arbeitnehmers, sich Gewissheit darüber zu verschaffen, in welchen Formen und Fristen er seine Ansprüche geltend zu machen hat …
Dies gilt nicht nur für die Voraussetzungen und Wirkung der Ausschlussfrist, sondern u. U. auch für die Voraussetzungen des Anspruchs selbst.
Nach Ablauf der Ausschlussfrist kann ein zeitlich nachfolgendes Verhalten des Schuldners nicht mehr dazu führen, dass er sich nach Treu und Glauben auf den Ausschluss berufen darf.
Beispiel
Der Arbeitgeber gesteht nach Ablauf der Ausschlussfrist ein, dass ihm bei der Beratung des Beschäftigten hinsichtlich der Geltendmachung des Anspruchs ein Fehler unterlaufen ist. Dieses Eingeständnis hat keine Konsequenzen. Der Arbeitgeber darf sich weiterhin auf die Ausschlussfrist berufen.
Bearbeitungsfehler oder unvollständige Informationen zum Tarifvertrag hindern nicht den Lauf der Ausschlussfrist. Ebenso die Anzeige von Verhandlungsbereitschaft des Arbeitgebers, über streitige Ansprüche mit dem Beschäftigten zu reden. Des Weiteren genügt auch nicht, dass der Arbeitgeber sich grob fahrlässig oder gar bewusst über den Tarifvertrag hinwegsetzt. Auch ein Verschulden bei deliktischen Ansprüchen auf Schadensersatz macht die Berufung auf die Ausschlussfrist nicht unwirksam.
Weist der Arbeitgeber allerdings entgegen § 2 Abs. 1 NachwG die Erfüllung der Hinweispflicht nicht nach, ist grundsätzlich zu vermuten, dass der Arbeitnehmer die Frist im Falle eines Hinweises beachtet hätte. Es entsteht dann ein Schadensersatzanspruch in Höhe des erloschenen (Vergütungs)Anspruchs, wenn dieser nur wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und er bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wäre. Die Vermutung reicht allerdings nicht so weit, dass angenommen werden kann, der Beschäftigte hätte ihm nicht bekannte Ansprüche rechtzeitig vor Ablauf der Ausschluss-/Verfallfrist geltend gemacht. Ansprüche, die dem Beschäftigten nicht bekannt sind, hätte dieser auch in Kenntnis der Ausschluss-/Verfallfrist nicht rechtzeitig geltend machen können.