Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses

 

Normenkette

ZPO § 36 Nr. 6, § 577 Abs. 2, §§ 516, 552; GVG n.F. § 17a Abs. 2, 4, § 17b Abs. 1; ArbGG § 9 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 16.12.1992; Aktenzeichen 3 Ca 14322/92)

 

Tenor

Zuständig ist derzeit das Amtsgericht Fürstenfeldbruck.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten über die Vornahme einer Handlung (Entfernung von Plastiksäcken von einem Parkplatz). Die Klage ist zum Amtsgericht Fürstenfeldbruck erhoben. Dieses erklärte sich durch Beschluß vom 3. September 1992 „für funktionell sachlich unzuständig” und verwies den Rechtsstreit auf Antrag der Kläger an das für sachlich zuständig gehaltene Arbeitsgericht München. Der Beschluß wurde nicht zugestellt. Mit Beschluß vom 18. September 1992 lehnte das Arbeitsgericht München die Übernahme des Rechtsstreits ab. Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck hält die Verweisung für wirksam. Das Arbeitsgericht München hat die Sache dem Bundesarbeitsgericht zur Bestimmung des derzeit zuständigen Gerichts vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II. Zuständig ist derzeit das Amtsgericht Fürstenfeldbruck.

1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Diese Vorschrift ist auch bei einem negativen Kompetenzkonflikt von Gerichten verschiedener Gerichtsbarkeiten anwendbar (BAGE 44, 246 = AP Nr. 34 zu § 36 ZPO). Das Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts kann von einer Partei oder durch ein Gericht gestellt werden. Das Bundesarbeitsgericht ist vorliegend für die beantragte Bestimmung zuständig, weil es in den Zuständigkeitsstreit zwischen dem Arbeitsgericht und dem Amtsgericht zuerst um die Bestimmung angegangen worden ist (vgl. BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AR 232/76 – AP Nr. 20 zu § 36 ZPO. zu II 1 der Gründe, m.w.N.; BGHZ 44, 14, 15).

Allerdings hat das Arbeitsgericht München die Übernahme des Rechtsstreits in erster Linie deshalb abgelehnt, weil es der Ansicht ist, der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts sei wegen fehlender Zustellung noch nicht rechtskräftig. Es hat sich damit also nur für zur Zeit unzuständig erklärt. Doch auch in diesem Sonderfall eines negativen Kompetenzkonfliktes ist § 36 Nr. 6 ZPO von seinem Sinn und Zweck her entsprechend anzuwenden, da die Ablehnung einer Entscheidung einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbaren Rechtsverweigerung gleichkäme (BAGE 23, 167, 169 = AP Nr. 8 zu § 36 ZPO).

2. Der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck ist nicht rechtskräftig geworden.

a) Verweisungsbeschlüsse nach § 17 a GVG n. F. sind förmlich zuzustellen (§ 329 Abs. 3 ZPO).

b) Das abgebende Gericht darf die Akte nicht vor Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses an das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, übersenden (§ 17 b Abs. 1 GVG n. F.). Bei unterbliebener Zustellung von Verweisungsbeschlüssen ordentlicher Gerichte sind die §§ 516, 552 ZPO entsprechend anzuwenden. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde beginnt dann fünf Monate nach der Verkündung oder – bei nicht verkündeten Beschlüssen – fünf Monate nach der formlosen Mitteilung des Verweisungsbeschlusses.

Das hat der Senat mit ausführlicher Begründung in seinem zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung und in der Fachpresse bestimmten Beschluß vom 1. Juli 1992 (– 5 AS 4/92 –) dargelegt. Hierauf wird verwiesen.

c) Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus folgendes: Der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 3. September 1992 ist den Parteien zu keiner Zeit formgerecht zugestellt worden. Eine Heilung dieses Mangels kommt nicht in Betracht (§ 187 Satz 2 ZPO). Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck durfte daher die Akten dem Arbeitsgericht München weder sofort nach der Beschlußfassung noch später übersenden. Es hätte vielmehr seinen Beschluß begründen und die Zustellung veranlassen müssen. Erst nach Ablauf der Beschwerdefrist hätte es die Akten übersenden dürfen. Da der Verweisungsbeschluß noch nicht recktskräftig war, die Voraussetzungen des § 17 b Abs. 1 Satz 1 GVG n. F. also noch nicht vorlagen, hat das Arbeitsgericht München die Übernahme des Rechtsstreits zu Recht abgelehnt. Es durfte die Akten daher ohne Verstoß gegen § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n. F., wonach Verweisungsbeschlüsse für das Gericht, an das verwiesen worden ist, bindend sind, an das Amtsgericht zurücksenden.

3. Das Bundesarbeitsgericht kann das zuständige Gericht nicht endgültig bestimmen. § 36 Nr. 6 ZPO ist im vorliegenden Fall nur entsprechend anwendbar. Die Vorschrift kann nicht dazu führen, daß anstelle der in § 17 a Abs. 4 GVG vorgesehenen Instanzen das nach § 36 Nr. 6 ZPO zuständige Gericht entscheidet. Das Bundesarbeitsgericht kann also in diesem Fall nur klarstellen, daß der Rechtsstreit wegen fehlender Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses noch immer vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck anhängig ist.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1083492

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