Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsbegründung durch Telekopie. fehlende Unterschrift
Orientierungssatz
1. Die Einreichung der Revisionsbegründung durch Telekopie ist nur dann wirksam, wenn auf dem Schriftstück die Unterschrift dessen, der die Revisionsbegründung einreichen will, einwandfrei und zuverlässig wiedergegeben ist.
2. Anschluß an Senatsurteil vom 24. September 1986 - 7 AZR 669/84.
Normenkette
ZPO §§ 233-234, 130 Nr. 6, § 85 Abs. 2, § 236 Abs. 2, § 554 Abs. 5, § 553 Abs. 2; ArbGG § 72 Abs. 5
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 30.01.1987; Aktenzeichen 10 Sa 903/86) |
ArbG Mainz (Entscheidung vom 25.07.1986; Aktenzeichen 2 Ca 2461/85) |
Gründe
I. Der Kläger hat gegen das ihm am 10. März 1987 zugestellte Berufungsurteil am 9. April 1987 Revision eingelegt. Die Frist zur Begründung der Revision war auf Antrag des Klägers bis zum 9. Juni 1987, dem Dienstag nach Pfingsten, verlängert worden. Am 9. Juni 1987 ging beim Bundesarbeitsgericht per Telebrief die Kopie einer nicht unterzeichneten Revisionsbegründungsschrift vom 7. Juni 1987 ein. Im Telebrief-Laufzettel der Deutschen Bundespost sind als Absender die Prozeßbevollmächtigten des Klägers genannt. Am 10. Juni 1987 ging beim Bundesarbeitsgericht eine eigenhändig unterzeichnete Urschrift der Revisionsbegründungsschrift vom 7. Juni 1987 ein. Der dazugehörige Briefumschlag weist Poststempelabdrucke aus Bingen vom 8. Juni, 13.00 Uhr, und aus Kassel vom 10. Juni, 1.00 Uhr, aus. Nach entsprechendem richterlichen Hinweis vom 26. Juni 1987, dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 3. Juli 1987, beantragt der Kläger in seinem am 17. Juli 1987 eingegangenen Schriftsatz vom 16. Juli 1987 unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seines Prozeßbevollmächtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist.
II. Die Revision ist unzulässig, weil die Frist zu ihrer Begründung (§ 74 Abs. 1 ArbGG) nicht eingehalten worden ist. Es war dem Kläger auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
1. Durch den Zugang der per Telebrief übermittelten Kopie des nicht unterzeichneten Schriftsatzexemplares vom 7. Juni 1987 am 9. Juni 1987 ist die Revisionsbegründungsfrist nicht gewahrt worden.
a) Nach § 72 Abs. 5 ArbGG gelten für das Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision - mit Ausnahme des § 566 a ZPO - entsprechend. Damit wird auf § 554 Abs. 5 ZPO verwiesen, der wiederum auf § 553 Abs. 2 ZPO verweist. Nach diesen Bestimmungen sind auf die Revisionsbegründungsschrift die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze anzuwenden; insbesondere gilt die Vorschrift des § 130 Nr. 6 ZPO, nach der die vorbereitenden Schriftsätze die Unterschrift des Anwalts enthalten sollen.
Das Bundesarbeitsgericht hat bereits wiederholt entschieden, daß das Formerfordernis durch Übermittlung einer im Telebriefverfahren hergestellten Fernkopie, die dem Rechtsmittelgericht auf postalischem Weg oder direkt zugeleitet wird, erfüllt ist, wenn das kopierte Schriftstück seinerseits auch hinsichtlich der Unterschrift den Formerfordernissen entspricht (BAG Urteil vom 24. September 1986 - 7 AZR 669/84 -, zur Veröffentlichung vorgesehen; BAG Beschluß vom 14. Januar 1986 - 1 ABR 86/83 -, zur Veröffentlichung vorgesehen; BAGE 43, 46, 49 = AP Nr. 54 zu § 1 LohnFG, zu I 2 der Gründe). Dabei hat das Bundesarbeitsgericht bei den neuen technischen Übermittlungsarten darauf abgestellt, welcher Grad von Formstrenge nach den jeweils maßgebenden Verfahrensvorschriften sinnvoll gefordert werden kann (BAG 30, 86, 101 = AP Nr. 60 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu 2 der Gründe). Bezogen auf die Schriftform heißt das: Die Schriftlichkeit soll gewährleisten, daß aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muß feststehen, daß es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern daß das Schriftstück mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. GmS OGB NJW 1980, 172, 174). Ein fernmeldetechnisch von einem unterzeichneten Original aufgenommenes und als Fernkopie dem Rechtsmittelgericht auf postalischem Weg zugeleitetes Schriftstück erfüllt hinreichend den mit den Formvorschriften angestrebten Zweck. Das Verfahren der Telekopie ist geeignet, den Inhalt des Schriftstücks und die Unterschrift der Person, die das Rechtsmittel einlegt oder begründet, einwandfrei und zuverlässig wiederzugeben. Es bietet sogar gegenüber der Übermittlung durch Telegramm oder Fernschreiber noch eine erhöhte Inhalts- und Unterschriftengarantie (vgl. BAG Urteil vom 24. September 1986 - 7 AZR 669/84 -, zur Veröffentlichung vorgesehen; BAG 43, 46, 50, aaO). Gerade wegen jener erhöhten Unterschriftsgarantie hat der Bundesfinanzhof die Frage aufgeworfen, ob die Entwicklung des Telebriefs die Rechtsmitteleinlegung durch Telegramme hinfällig machen kann (BFHE 138, 403, 405).
b) Bei der Übermittlung durch Telekopie entfällt nur das Erfordernis des Eingangs eines Schriftsatzes mit eigenhändiger Unterschrift des Absenders. Alle übrigen Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Gerade weil das Verfahren der Telekopie den Inhalt des Schriftstückes und die Unterschrift der Person, die die Revisionsbegründung einreichen will, einwandfrei und zuverlässig wiederzugeben in der Lage ist, muß das Schriftstück, das beim Revisionsgericht eingeht, die Unterschrift dessen, der die Revisionsbegründung einreichen will, einwandfrei und zuverlässig wiedergeben. Nur so steht fest, daß es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern daß er mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Der Rechtsmittelführer muß also das, was technisch möglich ist, leisten, um die Anforderungen der Schriftlichkeit zu gewährleisten. Technisch möglich ist die Wiedergabe von Unterschriften. Der Rechtsmittelführer muß deshalb dafür sorgen, daß ein unterschriebener Schriftsatz kopiert wird und daß auch die kopierte Unterschrift beim Rechtsmittelgericht eingeht (vgl. BAG Beschluß vom 14. Januar 1986 - 1 ABR 86/83 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
c) Diesen Anforderungen genügt die noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist eingegangene Telekopie der Revisionsbegründungsschrift nicht. Sie enthält keinerlei handschriftliche Unterschrift. Vielmehr hat - wie der Revisionskläger in seinem Wiedereinsetzungsantrag selbst dargetan hat - die nicht unterzeichnete Kopie aus der Handakte des Prozeßbevollmächtigten als Vorlage für die Telekopie gedient.
2. Durch den Eingang der unterzeichneten Urschrift der Revisionsbegründungsschrift vom 7. Juni 1986 am 10. Juni 1986 ist die Revisionsbegründungsfrist des § 74 Abs. 1 ArbGG nicht gewahrt worden. Die Revisionsbegründungsfrist war bereits am 9. Juni 1986 abgelaufen.
3. Dem Revisionskläger war auch gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
a) Soweit der Revisionskläger meint, ihm sei Wiedereinsetzung deswegen zu gewähren, weil sein Prozeßbevollmächtigter übersehen habe, daß die in seinen Akten befindliche Kopie der Revisionsbegründung, die als Vorlage für den Telebrief gewählt worden ist, nicht unterzeichnet gewesen ist, ist sein Vorbringen nicht schlüssig. Er hat damit nicht dargetan, daß die Fristversäumung, die letztlich auf die fehlende Unterschrift der Telebriefvorlage zurückzuführen ist, nicht auf einem ihm nicht zurechenbaren Verschulden (vgl. § 236 Abs. 2, §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO) beruht. Der Revisionskläger hat insoweit lediglich ausgeführt, das Versehen sei nur durch die Eile zu erklären, die wegen der Kürze der noch zur Verfügung stehenden Zeit zwischen der Feststellung, daß das am 7. Juni abgesandte Original der Revisionsbegründung am 9. Juni 1987 gegen 16.30 Uhr beim Bundesarbeitsgericht noch nicht eingegangen war, und dem Schließen des Postamtes geboten gewesen sei. Abgesehen davon, daß er nicht dargetan hat, wann das Postamt in Bingen am 9. Juni 1987 Schalterschluß gehabt hat, daß aber andererseits der Telebrief bereits um 16.53 Uhr übermittelt worden ist, vermag die behauptete Eile das Versäumnis des Prozeßbevollmächtigten nicht zu entschuldigen. Regelmäßig gereicht es einem Prozeßbevollmächtigten zum Verschulden, daß er nicht darauf achtet, ob das Schriftstück unterzeichnet ist.
b) Dem Revisionskläger kann auch nicht Wiedereinsetzung unter dem Gesichtspunkt gewährt werden, daß er auf den rechtzeitigen Zugang der per Post abgesandten Revisionsbegründungsschrift innerhalb der Frist zur Begründung der Revision habe vertrauen dürfen.
Begründet wäre der Wiedereinsetzungsantrag nur, wenn das vom Prozeßbevollmächtigten des Revisionsklägers behauptete Vertrauen in die (regelmäßige?) Brieflaufzeit für die Nichteinhaltung der Revisionsbegründungsfrist kausal geblieben wäre. Ein Umstand, der für die Versäumung der Frist nicht (mehr) kausal ist, kann zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags nicht herangezogen werden (vgl. BGH Urteil vom 9. Dezember 1975 - VI ZR 198/74 - NJW 1976, 626, 627).
An jenem ursächlichen Zusammenhang fehlt es im vorliegenden Fall. Zwar kann zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, daß sein Prozeßbevollmächtigter zunächst darauf vertraut hat, die Revisionsbegründungsschrift vom 7. Juni 1987 werde spätestens am 9. Juni 1987 beim Bundesarbeitsgericht eingehen, wenn auch nicht zu übersehen ist, daß die Behauptung, jenen Schriftsatz noch am 7. Juni 1987 zur Post gegeben zu haben, angesichts des Poststempels (8.6.87, 13.00 Uhr) zweifelhaft ist. Dieses Vertrauen ist indessen noch so rechtzeitig vor Ablauf der Frist zur Begründung der Revision erschüttert worden, daß die Frist mit anderen Mitteln hätte gewahrt werden können. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hatte nämlich am Tage des Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist gegen 16.30 Uhr erfahren, daß der per Post abgesandte Begründungsschriftsatz noch nicht beim Bundesarbeitsgericht eingegangen war. Das hat ihn veranlaßt, am selben Tag um 16.53 Uhr die in seiner Handakte befindliche Kopie der Revisionsbegründungsschrift durch Telebrief an das Bundesarbeitsgericht zu übermitteln. Dabei hat er jedoch schuldhaft versäumt, das Exemplar der Revisionsbegründungsschrift in seiner Handakte vor der Aufgabe als Telebrief zu unterzeichnen. Damit ist dieses schuldhafte Versäumnis ursächlich für die Nichteinhaltung der Revisionsbegründungsfrist und nicht mehr das Vertrauen auf die postalische Regelbeförderungszeit.
III. Nach allem war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.
Dr. Seidensticker Dr. Becker Schliemann
Fundstellen