Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallschaden an Pkw. Mitglied des Wahlvorstands
Leitsatz (amtlich)
Der Ersatz von Unfallschäden, den ein Mitglied des Wahlvorstands bei der Benutzung des eigenen Pkw erleidet, kommt dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber die Benutzung ausdrücklich gewünscht hat oder diese erforderlich war, damit das Mitglied des Wahlvorstands seine gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen konnte.
Normenkette
BetrVG § 20 Abs. 3, §§ 40, 18 Abs. 1; Wahlordnung zum BetrVG § 12 Abs. 2; BGB § 670
Verfahrensgang
LAG Hamm (Beschluss vom 26.10.1979; Aktenzeichen 3 Ta BV 64/79) |
ArbG Bochum (Beschluss vom 12.06.1979; Aktenzeichen 4 BV 2/79) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. Oktober 1979 – 3 Ta BV 64/79 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
I. Der Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin, einem Bergbau-Spezialunternehmen, beschäftigt. Anläßlich der Betriebsratswahl 1978 gehörte er dem Wahlvorstand an. Im Auftrag des Wahlvorstandes fuhr er am 14. Februar 1978 mit seinem Pkw von seiner Wohnung kommend zur Verwaltung der Antragsgegnerin in Bochum-Eppendorf, um dort im Büro des Wahlvorstandes Wahlunterlagen und eine Wahlurne für eine Abstimmung über die Art der Wahl auf der Zeche Prosper Haniel in Bottrop abzuholen, die um 5.00 Uhr beginnen sollte. Die Kosten dieser Fahrt hat die Antragsgegnerin mit 0,25 DM je Kilometer getragen.
Bei dieser Fahrt erlitt der Antragsteller gegen 3.50 Uhr in Bochum bei winterlichen Straßenverhältnissen einen Unfall, bei dem sein Pkw schwer beschädigt wurde.
Der Antragsteller meint, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, den ihm ohne sein Verschulden entstandenen Unfallschaden zu tragen, da dieser zu den Kosten der Wahl im Sinne des § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gehöre. Er hat beantragt, die Antragsgegnerin zu verurteilen, an ihn 6.188,50 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antragsteller Ersatz der Hälfte des erlittenen Schadens zugesprochen. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landesarbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Antragsgegnerin bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, mögliche Anspruchsgrundlage für das Begehren des Antragstellers sei § 20 Abs. 3 BetrVG. Zu den danach vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten der Wahl gehörten alle Aufwendungen, die der Wahlvorstand selbst oder einzelne seiner Mitglieder in Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgabe machten. Welche Aufwendungen Kosten der Wahl seien, bestimme sich nach § 670 BGB. Daher seien Schäden gemäß § 670 BGB nur insoweit zu ersetzen, als sie infolge der besonderen Gefährlichkeit der Geschäftsbesorgung eingetreten seien. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Unfallschäden gehörten zum allgemeinen Risiko des Wahlvorstandsmitglieds bei der Teilnahme am Straßenverkehr, für das der Arbeitgeber nicht einzutreten habe.
2. Dieser Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers ist allein nach § 20 Abs. 3 BetrVG zu beurteilen. Darunter fallen auch die Kosten der Geschäftsführung des Wahlvorstandes, einschließlich der persönlichen Kosten der Mitglieder des Wahlvorstandes, die ihnen in dieser Eigenschaft entstehen (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 20 Rz 28; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 13. Aufl., § 20 Rz 23 a; Kammann/Hess/Schlochauer, BetrVG, § 20 Rz 35). Dabei sind ebenso wie nach § 40 BetrVG nicht jedwede Kosten zu ersetzen, sondern nur die Kosten, die der Wahlvorstand bzw. seine Mitglieder bei vernünftiger Betrachtung für erforderlich ansehen konnten (vgl. BAG Beschluß vom 27. September 1974 – 1 ABR 67/73 –, AP Nr. 8 zu § 40 BetrVG 1972). Eine entsprechende Anwendung des § 670 BGB, wie sie für eine Haftung des Arbeitgebers für vom Arbeitnehmer in Ausübung seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit erlittene Sachschäden in Betracht gezogen wird, scheidet hier aus, weil der Wahlvorstand ebenso wie der Betriebsrat nicht aufgrund arbeitsvertraglicher, sondern kraft gesetzlicher Verpflichtung zur Erfüllung seines Amtes tätig wird (§ 18 Abs. 1 BetrVG). Für die Dauer ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit haben die Mitglieder des Wahlvorstandes lediglich Anspruch auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts ebenso wie die Betriebsratsmitglieder und auf Freistellung von notwendigen Aufwendungen (§ 20 Abs. 3 BetrVG). Andererseits dürfen Mitglieder des Wahlvorstandes wegen der Ausübung ihres Amtes nicht schlechter gestellt werden als andere Arbeitnehmer, auch nicht in finanzieller Hinsicht (§ 20 Abs. 1 und 2 BetrVG). Diesem Gesichtspunkt hat die Antragsgegnerin zunächst dadurch Rechnung getragen, daß sie dem Antragsteller ebenso wie anderen Arbeitnehmern die Kosten für die Fahrt mit dem eigenen Pkw mit 0,25 DM pro km erstattet hat.
Mit der Kilometerpauschale ist aber die Frage der Schadenstragung für einen bei einer derartigen Fahrt eingetretenen Unfall nicht beantwortet. Einerseits ist allgemein anerkannt, daß mit der Erstattung eines derartigen Pauschbetrages kaum die Kosten der Pkw-Benutzung abgedeckt sind, geschweige denn ein etwaiges Unfallrisiko (BAG 31, 147, 150; 33, 108, 111; Hagemeier, DB 1977, 2047, 2050; Hohn, BB 1978, 865, 866). Andererseits bedeutet die Übernahme der Kosten für die Benutzung eines eigenen Pkw durch den Arbeitgeber allein noch nicht, daß dieser sich damit zugleich auch verpflichten wollte, einen Unfallschaden, sei es auch gemindert bei eigenem Verschulden des Arbeitnehmers (hier des Wahlvorstandsmitglieds), zu ersetzen.
Fährt ein Mitglied des Wahlvorstandes ohne besondere Veranlassung mit dem eigenen Pkw statt mit anderen Verkehrsmitteln oder mit einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Fahrzeug, so muß er Unfallschäden selbst tragen. Es gilt nichts anderes als für andere Arbeitnehmer. Insoweit ist der Auffassung des angefochtenen Beschlusses im Ausgangspunkt beizutreten. Die Tätigkeit eines Wahlvorstandsmitglieds ist auch keine typische schadensgeneigte Tätigkeit, für die der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Risiko eines Schadenseintritts u.U. übernehmen müßte.
3. Etwas anderes kann aber gelten, falls die Antragsgegnerin (Arbeitgeber) entweder die Benutzung des eigenen Pkw des Antragstellers nicht nur durch Zahlung der km-Pauschale geduldet, sondern darüber hinaus sogar ausdrücklich gewünscht hat, z. B. weil zur Nachtzeit keine zumutbaren Verkehrsverbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestanden, die Benutzung des eigenen Pkw des Wahlvorstandsmitglieds billiger war als die Anmietung eines Taxis und auch ein Firmenfahrzeug nicht zur Verfügung gestellt werden konnte oder sollte, oder doch der Antragsteller die Benutzung des eigenen Pkw aus den genannten Gründen auch ohne ausdrücklichen Wunsch für erforderlich halten konnte (§ 20 Abs. 3 BetrVG). Zum ersten Punkt ist bisher von den Beteiligten nichts vorgetragen worden, zum zweiten hat der angefochtene Beschluß zugunsten des Antragstellers lediglich unterstellt, daß der Auftrag, die Wahlunterlagen zeitgerecht in zumutbarer Weise zur Zeche zu bringen, nur unter Benutzung des eigenen Pkw durchgeführt werden konnte. Insoweit wird das Landesarbeitsgericht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachzuholen haben.
a) Hätte die Antragsgegnerin vom Antragsteller die Benutzung des eigenen Pkw gewünscht, um die Zurverfügungstellung eines anderen Transportmittels zu ersparen, so müßte sie demgemäß auch einen Unfallschaden tragen, soweit nicht eine Beschränkung der Schadensübernahme wegen Verschuldens des Antragstellers in Betracht zu ziehen ist.
b) Liegt die Fallgestaltung zu a) nicht vor, so kommt es darauf an, ob der Antragsteller die Fahrt mit dem eigenen Pkw wenigstens für erforderlich ansehen konnte, um seine gesetzlichen Aufgaben als Mitglied des Wahlvorstands erfüllen zu können. Es ist zu prüfen, ob der Antragsteller seinen Pkw nur zur persönlichen Erleichterung der Durchführung seiner Aufgaben benutzte, oder ob er es angesichts der zeitlichen und betrieblichen Situation für erforderlich ansehen konnte, seine Tätigkeit unter Benutzung des eigenen Pkw auszuüben, weil er sie zumutbarerweise mit anderen Verkehrsmitteln nicht erfüllen konnte (vgl. BAG 33, 108, 111 und Zilius, ArbuR 1979, 286, Anm. zu BAG 31, 147). Nachdem eine Beauftragung des Antragstellers durch den Wahlvorstand zur Überbringung der Wahlunterlagen dem Grunde nach bestand, oblag es dem pflichtgemäßen Ermessen des Antragstellers, wie er im einzelnen diesen Auftrag ausführte. Dabei wird es stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommen, z. B. hier, ob zur Nachtzeit öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung standen, die der Antragsteller mit zumutbarem Zeitaufwand benutzen konnte, oder ob er nach der bisherigen Handhabung im Betrieb mit der Bereitstellung eines Firmenfahrzeugs oder der Kostenübernahme für die Benutzung eines Taxis rechnen konnte. Schließlich kann auch eine Rolle spielen, ob der Antragsteller nur die Wahlunterlagen zu überbringen hatte, was u.U. zu einem früheren Zeitpunkt möglich war, oder ob er auch auf der Zeche selbst bei der Durchführung der Abstimmung als Wahlvorstandsmitglied zugegen sein mußte, so daß seine Anwesenheit am nächsten Morgen unbedingt notwendig war (§ 12 Abs. 2 Wahlordnung 1972). Sollte das Landesarbeitsgericht insoweit zu dem Ergebnis kommen, daß der Antragsteller die Benutzung des eigenen Pkw für erforderlich halten konnte und demnach auch der Unfallschaden infolge der Tätigkeit als Wahlvorstandsmitglied entstand (vgl. Dietz/Richardi, aaO, § 20 Rz 28, § 40 Rz 43; Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 40 Rz 11 b; BAG 31, 147), so wird weiter die Frage des eigenen Verschuldens an dem Unfall mit der Folge einer Minderung oder eines Wegfalls der Schadensübernahme durch die Antragsgegnerin zu prüfen sein. Schon das Arbeitsgericht hatte dem Antragsteller lediglich den Ersatz der Hälfte des Unfallschadens zugebilligt, der allein noch streitig ist.
Unterschriften
Dr. Auffarth, Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Jobs befindet sich in Urlaub und ist verhindert, zu unterschreiben. Dr. Auffarth, Dr. Leinemann, Dr. Kukies, Fürbeth
Fundstellen