Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an Verweisungsbeschluß
Normenkette
ZPO § 36 Nr. 6, § 281 Abs. 2 S. 2; ArbGG § 48 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 29.01.1991; Aktenzeichen 5 Ca 397/89) |
Tenor
Als sachlich zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Offenburg bestimmt.
Tatbestand
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Reisespesen und einer Garantieprovision in Anspruch. Die Beklagte verlangt widerklagend vom Kläger die Zahlung von 36.000,– DM nebst Zinsen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Freiburg vom 29. Januar 1991 haben beide Parteien vorsorglich beantragt, den Rechtsstreit an das Amtsgericht Offenburg zu verweisen, falls das Arbeitsgericht seine sachliche Zuständigkeit verneinen sollte. Aus dem Sitzungsprotokoll ergibt sich, daß die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten haben (Bl. 66 R VA). Das Arbeitsgericht hat sich sodann für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf die Hilfsanträge des Klägers und der Widerklägerin an das Amtsgericht Offenburg verwiesen. Dabei hat es die Frage der funktionellen Zuständigkeit im Verhältnis zwischen Amts- und Landgericht ausdrücklich nicht mitentschieden. Es hat seinen Verweisungsbeschluß näher begründet. Das Amtsgericht Offenburg hat unter dem 5. Februar 1991 die Übernahme des Verfahrens abgelehnt, weil der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts willkürlich und damit nicht bindend sei. Das verweisende Gericht müsse prüfen, ob das bezeichnete Gericht überhaupt zuständig sei. Dies sei vom Arbeitsgericht bewußt nicht geschehen. Diese Vorgehensweise finde im Gesetz keine Grundlage. Dies gelte um so mehr, als überhaupt keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, weshalb gerade das Amtsgericht zuständig sein solle.
Das Arbeitsgericht Freiburg hat die Sache dem Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung gemäß § 36 Nr. 6 ZPO vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Sachlich zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Offenburg.
1. Die Voraussetzungen des beantragten Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Das Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts kann von einer Partei oder auch durch ein Gericht gestellt werden. Das Bundesarbeitsgericht ist vorliegend für die beantragte Bestimmung zuständig, weil es in dem Zuständigkeitsstreit zwischen dem Arbeitsgericht und dem Amtsgericht zuerst um die Bestimmung angegangen worden ist (vgl. BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AR 232/76 – AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 1 der Gründe, m.w.N.; BGHZ 44, 14, 15).
2, Der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Freiburg bindet das Amtsgericht Offenburg, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist (§ 48 Abs. 1 ArbGG in Verb. mit § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO sowie § 11 ZPO). Die bindende Wirkung muß nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO beachtet werden (vgl. statt vieler BAG Beschluß vom 11. Januar 1982 – 5 AR 221/81 – AP Nr. 27 zu § 36 ZPO, zu II 2 der Gründe; ferner BGHZ 17, 168 sowie BGHZ 28, 349, 350). Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht erreichen (BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AR 232/76 – AP, a.a.O., zu II 2 der Gründe, m.w.N.). Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluß dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefaßt ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem von ihnen beruht (BGHZ 71, 69, 72 f. = NJW 78, 1163, 1164).
3. Offensichtlich gesetzwidrig ist der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Freiburg nicht. Aus der Beschlußformel geht hervor, daß das Arbeitsgericht nur die Frage der sachlichen Zuständigkeit zwischen der Arbeitsgerichtsbarkeit und der ordentlichen Gerichtsbarkeit beurteilt und die Frage der funktionellen Zuständigkeit zwischen Amtsgericht und Landgericht nicht abschließend geprüft hat. Dieses Verfahren des Arbeitsgerichts ist rechtlich möglich. Ein Gericht, das seine sachliche Zuständigkeit verneint und deshalb den Rechtsstreit an das für sachlich zuständig gehaltene Gericht verweist, muß nicht notwendigerweise die Frage der funktionellen oder der örtlichen Zuständigkeit prüfen. Es kann dies dem Gericht überlassen, an das der Rechtsstreit aus sachlichen Gründen verwiesen wird (vgl. Senatsbeschluß vom 27. August 1980 – 5 AR 203/80 – AP Nr. 25 zu § 36 ZPO, zu 3 der Gründe). Ein Verweisungsbeschluß gemäß § 281 ZPO oder § 48 Abs. 1 ArbGG ist nur insoweit bindend, wie er sich erkennbar eine Bindungswirkung hat zulegen wollen (vgl. BGHZ 63, 214, 216 f.).
4. Dem Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Freiburg fehlt nicht die rechtliche Grundlage. Es hat die Frage der sachlichen Zuständigkeit in seiner Begründung näher geprüft und den Kläger dabei wegen fehlender persönlicher Abhängigkeit weder als Arbeitnehmer noch aber als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 ArbGG angesehen. Es hat, wie aus dem Sitzungsprotokoll vom 29. Januar 1991 hervorgeht, den Parteien rechtliches Gehör zur Frage der Zuständigkeit gewährt. Bei der Frage der Verweisung hat es die übereinstimmend gestellten Hilfsanträge der Parteien beachtet. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, inwiefern das Arbeitsgericht willkürlich verfahren sein sollte.
5. Die sachliche Zuständigkeit soll möglichst nur einmal geprüft werden, und zwar von dem zunächst angerufenen Gericht. Der Gesetzgeber will einen Zuständigkeitsstreit, der für die Parteien im Vergleich zur Sachentscheidung ohnehin keine erhebliche Bedeutung hat, nach Möglichkeit vermeiden. Deshalb darf das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, die Übernahme nicht mit der Begründung ablehnen, die Zuständigkeitsfrage müsse abweichend von der Auffassung des verweisenden Gerichts beurteilt werden (vgl. BAG Beschluß vom 1. März 1984 – 5 AS 5/84 – AP Nr. 35 zu § 36 ZPO, zu II 3 b der Gründe).
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog
Fundstellen