Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 14.01.1998; Aktenzeichen 20 Sa 72/97)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 14. Januar 1998 – 20 Sa 72/97 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 60.000,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

A. Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Ausgleichsbetrages wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt 60.000,– DM.

Der Kläger war vom 6. Mai 1996 bis 30. November 1996 bei der Beklagten als Projektleiter mit einem Bruttomonatsgehalt von 5.000,– DM beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Kündigung der Arbeitgeberin vom 23. Oktober 1996. Der Kläger behauptet, die Beklagte habe ihm zugesagt, für den Fall einer arbeitgeberseitigen Kündigung oder eines Arbeitsplatzwechsels vor dem 1. Mai 1999, eine Abfindung oder einen Ausgleichsbetrag in Höhe von sechs Monatsgehältern zu zahlen. Außerdem habe die Beklagte ihm die Kosten seines Umzugs an den Arbeitsort in Höhe von wenigstens 10.000,– DM sowie den infolge des umzugsbedingten Arbeitsplatzwechsels seiner Ehefrau entstandenen Einkünfteausfall von 11.200,– DM je Jahr zu ersetzen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

B.I. Die auf Divergenz und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde ist unbegründet.

1. Nach § 72a Abs. 1 ArbGG kann die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde angefochten werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und eine der in § 72a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ArbGG angeführten Rechtsstreitigkeiten betrifft (Grundsatzbeschwerde) oder das Urteil von einer Entscheidung eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Divergenzbeschwerde). In der Begründung der Beschwerde müssen diese Voraussetzungen dargelegt und die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden (§ 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

2. Die Grundsatzbeschwerde ist unzulässig.

Der Kläger hat die besonderen Voraussetzungen einer Grundsatzbeschwerde nach § 72a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ArbGG nicht dargelegt.

Nach seinen Ausführungen werden in dem anzufechtenden Urteil keine tarifrechtlichen Fragen behandelt. Die vom Kläger angeführten Gedanken, es gehe darum, der Justizverdrossenheit zu begegnen, Vertrauen in die Gerichte zu mehren, die Autorität der Gerichte zu steigern, den Konflikt zwischen Einzelfallgerechtigkeit und Normgerechtigkeit zu beseitigen, betreffen keine Rechtsfragen, auf die die Grundsatzbeschwerde gestützt werden könnte.

3. Die Divergenzbeschwerde ist unbegründet.

a) Die Beschwerde meint, das Landesarbeitsgericht habe in der anzufechtenden Entscheidung den Rechtssatz aufgestellt, bei der Subsumtion des Sachverhalts seien nicht alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen. Das trifft nicht zu. Das Landesarbeitsgericht hat, wie die Beschwerde nicht verkennt, diesen Rechtssatz nicht ausdrücklich aufgestellt. Zwar kann ausnahmsweise ein Rechtssatz in scheinbar nur fallbezogenen Ausführungen enthalten sein (BAG Beschluß vom 4. August 1981 – 3 AZN 107/81 – AP Nr. 9 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz). Der verdeckte Rechtssatz muß sich jedoch aus der Begründung unmittelbar und so deutlich ergeben, daß zweifelsfrei ist, welchen Rechtssatz die Entscheidung aufgestellt hat (BAG Beschluß vom 10. Juli 1984 – 2 AZN 337/84 – AP Nr. 15 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz). So liegt der Fall hier nicht. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr einzelfallbezogen die Umstände gewürdigt. Die Aufstellung eines Rechtssatzes liegt hierin nicht. Die Beschwerde rügt damit eine rechtsfehlerhafte Auslegung durch das Landesarbeitsgericht (vgl. BAG Beschluß vom 16. Dezember 1982 – 2 AZN 337/82 – BAGE 41, 188 = AP Nr. 11 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz).

b) Das anzufechtende Urteil weicht nicht ab von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 1991 (– 2 BvR 324/91 – NJW 1992, 1031). Die von der Beschwerde zitierten Ausführungen aus S. 4 letzter Absatz des Berufungsurteils (“Der Kläger wirft der Beklagten auch zu Unrecht vor … gegenüber seiner Ehefrau nicht an.”) enthalten keinen Rechtssatz. Es handelt sich um einzelfallbezogene Ausführungen. Der Kläger rügt insoweit nur eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Landesarbeitsgerichts.

c) Dem Urteil mag der von der Beschwerde behauptete Rechtssatz zu entnehmen sein, von Beweiserhebungen sei abzusehen, wenn Gespräche nicht präzise genug geschildert seien. Damit weicht das Landesarbeitsgericht aber nicht von der angezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. März 1992 (– 7 ABR 65/90 – BAGE 70, 85 = AP Nr. 4 zu § 2 BetrVG 1972 = NJW 1993, 612, unter B III 6 der Gründe) ab. Die Beschwerde übersieht, daß die angezogene Entscheidung die Vorschrift des § 83 Abs. 1 ArbGG betrifft. Diese gilt nur für das Beschlußverfahren vor den Arbeitsgerichten. In dieser Verfahrensart ist der Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen zu erforschen (§ 83 Abs. 1 ArbGG). Der vorliegende Rechtsstreit ist dagegen nach den Vorschriften des Urteilsverfahrens zu behandeln (§§ 2, 46 ff. ArbGG). Hier gilt der Beibringungsgrundsatz.

d) Auch mit ihrem weiteren Vorbringen rügt die Beschwerde eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht. Das gilt u.a. für die Ausführungen des Klägers auf S. 8 ff. der Beschwerdeschrift. Dort befaßt er sich mit vermeintlichen Auslegungsfehlern, u.a. mit einem Verstoß gegen Erfahrungs- und Denkgesetze. Des weiteren rügt die Beschwerde eine Verkennung der Anforderungen an die Schlüssigkeit und die Substantiierung von Klagevorbringen. Hierauf könnte das anzufechtende Urteil erst im Rahmen einer statthaften und zulässigen Revision überprüft werden. Die Zulassung der Revision wird hierdurch nicht gerechtfertigt.

e) Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) kann die Zulassung der Revision nicht begründen. Für das arbeitsgerichtliche Verfahren zählt § 72a ArbGG die Möglichkeiten abschließend auf, eine vom Landesarbeitsgericht nicht zugelassene Revision nachträglich zu eröffnen. Verstöße gegen Verfahrensvorschriften sind als Zulassungsgründe nicht genannt. Auf sie kann daher die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (BAG Beschluß vom 5. August 1986 – 3 AZN 9/86 – AP Nr. 24 zu § 72a ArbGG 1979; BAG Beschluß vom 12. Dezember 1979 – 3 AZN 84/79 – AP Nr. 4 zu § 72a ArbGG 1979).

II. Die Beschwerde hat auch als außerordentlicher Rechtsbehelf keinen Erfolg.

1. In besonderen Fällen sind auch unanfechtbare Entscheidungen angreifbar. So hat das Bundesverfassungsgericht die Gegenvorstellung einer Partei als möglichen Rechtsbehelf angesehen (BVerfG Beschluß vom 9. Juli 1980 – 2 BvR 701/80 – NJW 1980, 2698). Unter dem Gesichtspunkt des wirksamen Grundrechtsschutzes sei es verfassungsrechtlich geboten, in den Fällen der Verletzung rechtlichen Gehörs ein Rechtsmittel zuzulassen, wenn die Auslegung der einschlägigen Verfahrensvorschriften dies ermöglicht (BVerfG Beschluß vom 2. März 1982 – 2 BvR 869/81 – BVerfGE 60, 96, m.w.N.).

2. Das Gebot wirksamen Grundrechtsschutzes begründet vorliegend nicht die Zulassung der Revision.

a) Die Beschwerde rügt, der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, eine Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes, sei vom Landesarbeitsgericht nicht hinreichend beachtet worden. Der Kläger räumt ein, in einer keinesfalls kurzen mündlichen Verhandlung angehört worden zu sein. Damit hatte er nach seinen eigenen Darlegungen Gelegenheit, sich zu äußern. Daß das Landesarbeitsgericht seinen Ansichten nicht folgte und seinen Tatsachenvortrag nicht als ausreichend ansah, begründet keine Grundrechtsverletzung. Die Richter sind gem. Art. 97 Abs. 1 GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Das beinhaltet auch die Unabhängigkeit bei der Überzeugungsbildung und der Beurteilung, wann Vortrag substantiiert ist und den erhobenen Anspruch begründen kann. Der Kläger rügt danach im Kern eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht.

b) Aus den Darlegungen der Beschwerde, das Landesarbeitsgericht habe es an einer objektiven und fairen Verhandlungsführung fehlen lassen, ergibt sich kein Grundrechtsverstoß. Daraus, daß in dem anzufechtenden Urteil Ausführungen nicht in der vom Kläger gewünschten Breite gemacht worden sind, folgt nicht, seine Ansichten und sein Tatsachenvortrag seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Bezugnahmen auf das erstinstanzliche Urteil sind gem. § 543 Abs. 1 ZPO zulässig.

c) Ob das Landesarbeitsgericht zu Unrecht von der Vernehmung der Ehefrau des Klägers als Zeugin abgesehen hat, könnte nur aufgrund einer Verfahrensrüge im Rahmen einer statthaften und zulässigen Revision geprüft werden. Ein solcher vermeintlicher Verfahrensfehler stellt aber keinen Grundrechtsverstoß dar, der die Zulassung der Revision aufgrund eines außerordentlichen Rechtsbehelfs rechtfertigte.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 GKG.

 

Unterschriften

Leinemann, Düwell, Reinecke, H. Unger, Trümner

 

Fundstellen

Haufe-Index 2629027

NZA 1999, 503

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