Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an Verweisungsbeschluß
Normenkette
ZPO § 36 Nr. 6; GVG § 17a Abs. 2 n.F., Abs. 4 n.F.; ArbGG § 48 Abs. 1 n.F.
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Beschluss vom 31.08.1993; Aktenzeichen 1 Ca 1831/93) |
Tenor
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Kaiserslautern bestimmt.
Gründe
I, Der Kläger war bis zum 31. März 1993 in Augsburg bei den Amerikanischen Stationierungskräften als ziviler Angestellter tätig. Er beansprucht von der beklagten Bundesrepublik Zahlung von Überbrückungsbeihilfen nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland – TV Soziale Sicherung – vom 31. August 1971.
Der Kläger erhob Klage beim Arbeitsgericht Augsburg. Nachdem dieses Bedenken bezüglich der örtlichen Zuständigkeit geäußert hatte, beantragte der Kläger „Verweisung an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Kaiserslautern”. Der Beklagtenvertreter schloß sich dem Verweisungsantrag ausdrücklich an. Durch Kammerbeschluß vom 26. Juli 1993, der nicht begründet wurde, erklärte sich das Arbeitsgericht Augsburg für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Kaiserslautern. Dieses erklärte sich nach Gewährung rechtlichen Gehörs durch Kammerbeschluß vom 31. August 1993 ebenfalls für unzuständig und verwies den Rechtsstreit (zurück) an das Arbeitsgericht Augsburg. Zur Begründung führte es aus, der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Augsburg sei grob willkürlich, da dieses nach § 29 ZPO zuständig sei und der Kläger sein Wahlrecht nach § 35 ZPO verbraucht habe. Dieselbe Auffassung zur örtlichen Zuständigkeit vertrete offensichtlich auch der Bundesminister der Finanzen; denn dieser habe mit Rundschreiben vom 29. April 1993 an alle obersten Finanzbehörden darauf hingewiesen, daß bei Streitigkeiten vorliegender Art, die am Gerichtsstand des Erfüllungsortes erhoben würden, dieselben auch dort verhandelt und entschieden werden sollten. Nachdem die Akte zunächst wieder an das Arbeitsgericht Augsburg und dann zurück an das Arbeitsgericht Kaiserslautern übersandt worden war, hat dieses die Sache dem Bundesarbeitsgericht zur Bestimmung des örtlichen zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. örtlich zuständig ist das Arbeitsgericht Kaiserslautern.
1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Die Arbeitsgerichte Augsburg und Kaiserslautern haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt, ersteres durch formell unanfechtbaren Beschluß (§ 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17a Abs. 2 GVG n.F.) vom 26. Juli 1993, letzteres durch ebenfalls formell unanfechtbaren Verweisungsbeschluß vom 31. August 1993.
2. a) Rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse sind für das Gericht. an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. Die bindende Wirkung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO zu beachten (vgl. statt vieler: BAG Beschluß vom 11. Januar 1982 – 5 AR 221/81 – AP Nr. 27 zu § 36 ZPO). Nur so kann der Zweck des § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. erreicht werden, unnötige und zu Lasten der Parteien gehende Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden.
Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend. Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann dies Bindungswirkung nicht entfalten (BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AR 232/76 – AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 2 der Gründe; zum neuen Recht Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 – EzA § 17 a GVG Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Zöller/Vollkommer, ZPO, IS. Aufl., § 36 Rz 25, 28; einschränkend zum neuen Recht Zöller/Gummer, a.a.O., GVG § 17a Rz 13). Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluß dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefaßt ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem von ihnen beruht (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 – a.a.O., zu II 3 a der Gründe; BGHZ 71, 69, 72 f. = NJW 1978, 1163, 1164).
b) Offensichtlich gesetzwidrig ist der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Augsburg nicht. Der Verweisungsbeschluß ist zwar entgegen § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG n.F. nicht begründet. Dies ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. neuestens Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 – a.a.O.) zumindest dann unschädlich, wenn sich der Verweisungsgrund aus der Akte ergibt. Das ist hier der Fall. Das Arbeitsgericht Augsburg hat erkennbar die Auffassung vertreten, daß das Arbeitsgericht Kaiserslautern nach § 18 ZPO zuständig sei.
Der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Augsburg ist auch nicht etwa deshalb offensichtlich gesetzwidrig, weil dieses Gericht nach § 29 ZPO zuständig gewesen sei und der Kläger durch Klageerhebung bei diesem Gericht sein Wahlrecht nach § 35 ZPO verbraucht habe. Es kann dahinstehen, ob für diesen Rechtsstreit das Arbeitsgericht Augsburg (auch) zuständig war. Denn selbst wenn man dies – mit dem Amt für Verteidigungslasten (Sitz Kaiserslautern) und entgegen dem Finanzamt München, das für die Beklagte in Augsburg aufgetreten ist – bejaht, ist der Verweisungsbeschluß bindend.
Nach Wortlaut und Sinn des § 48 Abs. 1 ArbGG n.F. in Verbindung mit § 17a Abs. 2 GVG n.F., § 281 Abs. 1 ZPO darf zwar nur ein unzuständiges Gericht den Rechtsstreit verweisen, nicht aber ein zuständiges Gericht. Wie sich aus § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ergibt, sind Gerichtsstandvereinbarungen nach Rechtshängigkeit nicht geeignet, die einmal begründete Zuständigkeit zu beseitigen (BGH Beschluß vom 16. November 1962 – III ARZ 123/61 – NJW 1963, 585; Zöller/Vollkommer ZPO 18. Aufl. 1993, § 38 Rz. 12). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist aber ein Verweisungsbeschluß, der auf einer vor dem Eintritt in die Kammerverhandlung abgeschlossenen Gerichtsstandvereinbarung beruht, nicht offenbar gesetzwidrig (BAG Beschluß vom 3. Juli 1974 – 5 AR 184/74 – AP Nr. 18 zu § 36 ZPO; Beschluß vom 26. März 1992 – 5 AS 7/91 – n.v.; vgl. auch OLG Düsseldorf Beschluß vom 26. Januar 1976 – 19 Sa 2/76 – OLGZ 1976, 475; Zöller/Vollkommer, a.a.O.), zumal da in Rechtsprechungen und Literatur auch die Auffassung vertreten wird, daß eine nachträgliche Zuständigkeitsvereinbarung eine Verweisung rechtfertigt (OLG Düsseldorf Beschluß vom 4. Oktober 1961 – 12 AR 29/61 – NJW 1961, 2355; OLG Oldenburg Beschluß vom 9. Mai 1961 – 1 AR 3/61 MDR 1962, 60; Traub, NJW 1963, 842; Schneider. DRiZ 1962, 410). Entsprechendes hat zu gelten, wenn beide Parteien – wie hier – übereinstimmende Verweisungsanträge stellen.
3. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern wird darauf hinzuwirken haben, daß das Passivrubrum berichtigt wird.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Reinecke
Fundstellen