Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsmäßigkeit der Unterschrift

 

Orientierungssatz

Die Unterschrift muß ein Schriftbild aufweisen, daß individuell und einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale hat und sich so als eine die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnende Unterschrift des Namens darstellt, die von Dritten nicht ohne weiteres nachgeahmt werden kann. Hierbei ist nicht erforderlich, daß die Unterschrift lesbar ist oder auch nur einzelne Buchstaben zweifelsfrei erkennbar sind. Es genügt vielmehr, daß ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftzug noch herauslesen kann.

 

Normenkette

ZPO § 130 Nr. 6; ArbGG § 64 Abs. 2 Fassung: 1979-07-02, § 11 Abs. 2 Fassung: 1979-07-02

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 19.08.1986; Aktenzeichen 4 Sa 31/86)

ArbG Flensburg (Entscheidung vom 03.12.1985; Aktenzeichen 2 Ca 1032/85)

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin dem Beklagten ein Darlehen von 65.000,-- DM gewährt hat und jetzt zurückfordern kann. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung dagegen durch Beschluß als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Unterschrift unter dem Berufungsschriftsatz sei nicht ordnungsgemäß.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionsbeschwerde erstrebt der Kläger die Aufhebung dieses Beschlusses und die Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte Revisionsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht als unzulässig verworfen. Die Unterschrift unter dem Berufungsschriftsatz genügt den gesetzlichen Anforderungen i.S. von § 130 Nr. 6 ZPO.

1. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren müssen Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift von einem nach § 11 Abs. 2 ArbGG postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten handschriftlich und eigenhändig unterzeichnet sein (§ 64 Abs. 2 ArbGG in Verb. mit § 518 Abs. 4, § 519 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO; BAG Urteil vom 29. Juli 1981 - 4 AZR 632/79 - AP Nr. 46 zu § 518 ZPO; Urteil des Senats vom 5. Dezember 1984 - 5 AZR 354/84 - BAG 47, 285, 291 = AP Nr. 3 zu § 72 ArbGG 1979, zu II 1 a der Gründe). Die Unterschrift soll dem Nachweis dienen, daß der Schriftsatz von einer Person, die nach der maßgeblichen Prozeßordnung befähigt und befugt ist, Prozeßhandlungen vorzunehmen, in eigener Verantwortung vorgetragen wird. Die Unterschrift muß daher ein Schriftbild aufweisen, daß individuell und einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale hat und sich so als eine die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnende Unterschrift des Namens darstellt, die von Dritten nicht ohne weiteres nachgeahmt werden kann. Hierbei ist nicht erforderlich, daß die Unterschrift lesbar ist oder auch nur einzelne Buchstaben z w e i f e l s f r e i erkennbar sind. Es genügt vielmehr, daß ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftzug noch herauslesen kann (BAG Urteil vom 28. März 1977 - 3 AZR 652/76 - AP Nr. 38 zu § 518 ZPO, zu I 1 der Gründe; BAG Urteil vom 29. Juli 1981 - 4 AZR 632/79 - AP Nr. 46 zu § 518 ZPO; Urteil vom 5. Dezember 1984, aa0; ähnlich BGH Beschluß vom 28. Februar 1985 - III ZB 11/84 - VersR 1985, 503).

Der Bundesfinanzhof (BFH 141, 223 m.w.N. sowie neuestens BFH Beschluß vom 16. Januar 1986 - III R 50/84 - BB 1986, 2118, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des BFH vorgesehen) und der Bundesgerichtshof (Beschluß vom 21. März 1974 - VII ZB 2/74 - NJW 1974, 1090; Urteil vom 11. Februar 1982 - III ZR 39/81 -, BB 1982, 1467; Beschluß vom 7. Juli 1982 - VIII ZB 21/82 - VersR 1982, 973; Beschluß vom 27. Oktober 1983 - VII ZB 9/83 -, Beschluß vom 4. Juli 1984 - VIII ZB 8/84 - VersR 1984, 142, 873; Beschlüsse vom 23. Oktober 1984 - VI ZB 11/84, VI ZB 12/84 - VersR 1985, 59, 60; Beschluß vom 11. Oktober 1984 - X ZB 11/84 - NJW 1985, 1227; a.A. wohl BGH Beschluß vom 24. Februar 1983 - I ZB 8/82 - VersR 1983, 555) verlangen weitergehend, daß wenigstens einzelne Buchstaben andeutungsweise erkennbar sind, und zwar mit der Begründung, es fehle sonst an dem Merkmal einer Schrift überhaupt.

Dabei dürfen aber, wie in Rechtsprechung und Literatur vielfach betont wird, an das Schriftbild einer wirksamen Unterschrift keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (Urteil des Senats vom 13. Februar 1969 - 5 AZR 368/68 - AP Nr. 1 zu § 130 ZPO; BGH Urteil vom 4. Juni 1975 - I ZR 114/74 - NJW 1975, 1705, 1706; BayVerfGH Beschluß vom 18. Juli 1975 - Vf 41 VI/74 - NJW 1976, 182; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 129 Rz 23). Vereinfachungen, Undeutlichkeiten und Verstümmelungen schaden nichts. Es muß sich aber vom äußeren Erscheinungsbild her um einen Schriftzug handeln, der erkennen läßt, daß der Unterzeichner seinen vollen Namen und nicht nur eine Abkürzung hat niederschreiben wollen (BGH Beschluß vom 13. Juli 1967 - Ia ZB 1/67 - NJW 1967, 2310; BGH Beschluß vom 28. März 1974 - VII ZB 10/74 - VersR 1974, 864; BGH Urteil vom 4. Juni 1975 - I ZR 114/74 - NJW 1975, 1705, 1706; BGH Beschluß vom 23. Februar 1983 - IVa ZB 17/82 - VersR 1983, 487; BGH Beschlüsse vom 23. Oktober 1984 - VI ZB 11/84, VI ZB 12/84 - VersR 1985, 59, 60; BGH Urteil vom 6. Februar 1985 - I ZR 235/83 - VersR 1985, 570, 571). Die Unterschrift muß also sichtbar werden lassen, daß es sich um eine endgültige Erklärung und nicht nur um die Abzeichnung eines Entwurfs mit einer sog. Paraphe handelt (BAG Urteil vom 29. Juli 1981 - 4 AZR 632/79 - AP Nr. 46 zu § 518 ZPO).

2. Im vorliegenden Fall trägt die Berufungsschrift im Briefkopf die Bezeichnung "Thiele & St, Rechtsanwälte, Fachanwälte für Steuerrecht, Notare" mit der nachfolgenden Anschrift. Das Schriftgebilde, um dessen Bewertung es hier geht, befindet sich über dem maschinenschriftlichen Hinweis "Rechtsanwalt /th/k". Es besteht aus einem von links oben absteigenden Bogen, der nach rechts oben verläuft und an den sich drei wellenförmige Abstriche anschließen und in einem rechtwinkligen Haken enden (fast wie ein l ohne Schleife). Das Berufungsgericht hat darin keine ordnungsgemäße Unterschrift gesehen, weil in diesem Schriftzug nicht einmal einzelne Buchstaben des Namens des Unterzeichners wiederzuerkennen seien.

Dem kann nicht gefolgt werden. Der Schriftzug ist zwar für sich betrachtet nicht lesbar. Wenn man den Namen des Unterzeichners kennt, kann man ihn aber aus dem Schriftzug gerade noch herauslesen:

Der von links oben nach unten geführte Bogen, der durch eine wieder aufwärts führende Linie gekreuzt wird, ist der untere Teil des Anfangsbuchstabens "T". Der obere Längsstrich des Buchstabens "T" ist nicht ausgeprägt und geht in ein nachfolgendes kleines "h" über. Der letzte Abstrich ist als "l" ohne Schleife erkennbar, das in einem leicht nach oben gerichteten Längsstrich endet und nach der Erklärung des Unterzeichners ein kleines verschlissenes "e" andeutet. Allerdings ist ein "i" und "e" im mittleren Teil des Namens nicht erkennbar.

Hieraus ergibt sich, daß der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten und Berufungsklägers, obwohl die Buchstaben "ie" auch andeutungsweise fehlen, seinen vollen Namen und nicht eine bloße Abkürzung hat niederschreiben wollen. Der Schriftzug ist gerade noch als so individuell und mit entsprechenden charakteristischen Merkmalen behaftet anzusehen, daß er sich als eine die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnende, von Dritten nicht ohne weiteres nachahmbare Namensunterschrift darstellt. Da zumindest drei Buchstaben erkennbar sind, sind auch die weitergehenden Anforderungen des BGH und des BFH erfüllt.

3. Da die Unterschrift ordnungsgemäß ist, erweist sich die Berufung als zulässig. Der Senat kann in der Sache selbst nicht entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht über die Begründetheit des Rechtsmittels entscheiden kann.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog

 

Fundstellen

Dokument-Index HI439704

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