Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenz. geldwerte Urlaubsansprüche. Rangzuordnung
Leitsatz (amtlich)
Nimmt der starke vorläufige Insolvenzverwalter oder der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Arbeitsleistung in Anspruch, sind die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Urlaubsvergütung und auf Abgeltung des Urlaubs uneingeschränkt als Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO) bzw. als Neumasseverbindlichkeiten (§ 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO) zu berichtigen, wenn der Urlaub innerhalb dieses Zeitraums gewährt wird bzw. das Arbeitsverhältnis endet. An der im Urteil vom 21. November 2006 (- 9 AZR 97/06 -) vertretenen, entgegenstehenden Auffassung hält der Senat nicht fest.
Orientierungssatz
1. Wird die Arbeitsleistung vom starken vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit in Anspruch genommen und Urlaub während dieses Zeitraums gewährt bzw. das Arbeitsverhältnis unmittelbar im Anschluss an diesen Zeitraum beendet, sind die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Urlaubsvergütung und auf Abgeltung des Urlaubs uneingeschränkt als Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO) bzw. als Neumasseverbindlichkeiten (§ 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO) zu berichtigen. Die (nur) quotale Einordnung des Anspruchs auf Urlaubsvergütung und auf Urlaubsabgeltung als (Neu)Masseverbindlichkeit hat keine insolvenzrechtliche Grundlage. Der Neunte Senat schließt sich damit der Auffassung an, die der Sechste Senat in seiner Divergenzanfrage (§ 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG) vom 10. September 2020 (– 6 AZR 94/19 (A) –) vertreten hat (Rn. 3, 7 ff.).
2. Einer (nur) quotalen Rangzuordnung der „geldwerten Urlaubsansprüche” steht auch das gesetzliche Urlaubsrecht entgegen. Die Ansprüche auf Urlaubsvergütung und Urlaubsabgeltung sind keine Gegenleistung für eine bestimmte Arbeitsleistung. Sie müssen, wie der Urlaubsanspruch als solcher, nicht im Verlauf des Arbeitsverhältnisses „ratierlich verdient” werden. Sie können deshalb, unabhängig davon, ob sie aus dem laufenden Urlaubsjahr oder aus den Vorjahren stammen, solange die Urlaubstage nicht zeitlich festgelegt sind bzw. das Arbeitsverhältnis nicht beendet ist, nicht einem bestimmten Zeitabschnitt vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeordnet werden (Rn. 10,16 ff.).
3. Der gesetzliche Mindesturlaub nach § 1 BUrlG, wie Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG, begründet einen einheitlichen Anspruch auf Freistellung und auf Bezahlung. Die mit der Freistellung verknüpfte Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubsvergütung ist auch dann integraler Bestandteil des Anspruchs auf bezahlten Urlaub, wenn der starke vorläufige Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO) oder der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Arbeitsleistung in Anspruch nimmt (§ 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO) (Rn. 13).
4. Die Erfüllung des Urlaubsanspruchs (§ 362 Abs. 1 BGB) setzt generell voraus, dass dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs entweder das Urlaubsentgelt ausgezahlt wird oder sein Anspruch hierauf aufgrund einer vorbehaltlosen Zahlungszusage sicher sein muss. Anderenfalls wird er während des Urlaubs nicht in die Lage versetzt, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer vom starken vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vom Insolvenzverwalter zur Arbeitsleistung herangezogen wird und ihm während dieses Zeitraums Urlaub gewährt wird (Rn. 14).
5. Die Vergütungskomponente des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub darf im bestehenden Arbeitsverhältnis aufgrund des sich aus § 7 Abs. 4 BUrlG und aus Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG ergebenden Abgeltungsverbots nicht isoliert erfüllt werden; sie ist fest mit dem Freistellungsanspruch verbunden. Die Ansprüche auf Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung können deshalb erst dann einem bestimmten Zeitabschnitt vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeordnet werden, wenn der Arbeitnehmer die Auszahlung des Geldbetrags verlangen kann (Rn. 20 f.).
Normenkette
Richtlinie 2003/88/EG Art. 7; ArbGG § 45 Abs. 3 S. 1; BUrlG §§ 1, 3-4, 5 Abs. 1, § 7 Abs. 4, § 11 Abs. 2; InsO § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 22 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Abs. 2 S. 2, §§ 103, 108 Abs. 1, § 209 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 10.10.2018; Aktenzeichen 23 Sa 505/18) |
ArbG Potsdam (Urteil vom 06.03.2018; Aktenzeichen 3 Ca 1881/17) |
Tenor
Der Neunte Senat hält an seiner im Urteil vom 21. November 2006 (- 9 AZR 97/06 -) vertretenen Auffassung, wonach im Anwendungsbereich des § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO nur der auf die Dauer der nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit tatsächlich entgegengenommenen Arbeitsleistung entfallende „anteilige“ Geldwert des Urlaubs eine Neumasseverbindlichkeit darstellt, nicht fest.
Gründe
Rz. 1
I. Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG angefragt, ob der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts an seiner Rechtsauffassung zum insolvenzrechtlichen Rang von Urlaubsabgeltungsansprüchen im Anwendungsbereich des § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO festhält (Teilurteil vom 10. September 2020 - 6 AZR 94/19 (A) -). Er möchte die Auffassung vertreten, dass bei Insolvenz des Arbeitgebers im Falle der Masseunzulänglichkeit oder der vorläufigen starken Insolvenzverwaltung der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung vollständig als (Neu)Masseverbindlichkeit zu berichtigen ist, falls der (starke vorläufige) Insolvenzverwalter die Arbeitsleistung zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO oder nach § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO in Anspruch genommen hat. Der Sechste Senat sieht sich hieran jedoch wegen der zu § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO ergangenen Rechtsprechung des Neunten Senats gehindert (BAG 10. September 2020 - 6 AZR 94/19 (A) - Rn. 50).
Rz. 2
II. Der Neunte Senat hat bisher angenommen, der Insolvenzverwalter habe, wenn er den Arbeitnehmer nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit zur Arbeitsleistung heranziehe, noch offene Urlaubsansprüche nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 BUrlG durch Freistellung von der Arbeitspflicht ohne jede Einschränkung zu erfüllen. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO sei jedoch dahingehend auszulegen, dass - abweichend von der Konzeption des gesetzlichen Urlaubsrechts - die Ansprüche auf Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung als mit dem Urlaub verbundene Geldansprüche (nur) in dem Umfang als Neumasseverbindlichkeit zu berichtigen seien, der rechnerisch auf den Zeitraum des aktiven Beschäftigungsverhältnisses nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit im Verhältnis zum Urlaubsjahr entfällt. Maßgeblich für die quotale Zuordnung der „geldwerten Urlaubsansprüche“ sei das Verhältnis der möglichen Arbeitstage im Jahr zu den vom Arbeitnehmer nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit geleisteten Arbeitstagen (BAG 21. November 2006 - 9 AZR 97/06 - Rn. 17, 22 ff., 27, BAGE 120, 232).
Rz. 3
III. An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht fest. Nimmt der starke vorläufige Insolvenzverwalter oder der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Arbeitsleistung in Anspruch, sind die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Urlaubsvergütung und auf Abgeltung des Urlaubs uneingeschränkt als Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO) bzw. als Neumasseverbindlichkeiten (§ 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO) zu berichtigen, wenn der Urlaub innerhalb dieses Zeitraums gewährt wird bzw. unmittelbar im Anschluss hieran das Arbeitsverhältnis endet.
Rz. 4
1. Gemäß § 108 Abs. 1 InsO bestehen Arbeitsverhältnisse zu Lasten der Masse im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. § 108 Abs. 1 InsO schließt ein Erfüllungswahlrecht nach § 103 InsO aus (BAG 22. Februar 2018 - 6 AZR 868/16 - Rn. 13, BAGE 162, 58; Braun/Kroth 8. Aufl. InsO § 108 Rn. 13; Breitenbücher in Graf-Schlicker InsO 5. Aufl. § 108 Abs. 1 InsO Rn. 1 f.). Der Insolvenzverwalter tritt infolgedessen auch hinsichtlich der Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers in die Rechte und Pflichten des Schuldners ein (vgl. ErfK/Gallner 21. Aufl. BUrlG § 1 Rn. 36). Sie sind - unabhängig davon, ob sie aus dem laufenden Urlaubsjahr oder den Vorjahren stammen - vom Insolvenzverwalter gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO als Masseverbindlichkeiten zu erfüllen (ErfK/Müller-Glöge 21. Aufl. InsO Einführung Rn. 45).
Rz. 5
2. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 Abs. 1 InsO) führt zu einer Neuordnung der insolvenzrechtlichen Rangfolge der Masseverbindlichkeiten (BAG 22. Februar 2018 - 6 AZR 868/16 - Rn. 13, BAGE 162, 58; 23. März 2017 - 6 AZR 264/16 - Rn. 23, 37, BAGE 158, 376). § 209 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 InsO präzisieren und konkretisieren für Arbeitsverhältnisse die Abgrenzung zwischen Alt- und Neumasseverbindlichkeiten(vgl. hierzu im Einzelnen BAG 22. Februar 2018 - 6 AZR 868/16 - Rn. 13, BAGE 162, 58). Gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO gelten als Neumasseverbindlichkeiten iSd. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Verbindlichkeiten aus einem Arbeitsverhältnis, soweit der Insolvenzverwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen, dh. den Arbeitnehmer zur Arbeit herangezogen hat.
Rz. 6
3. Gemäß § 55 Abs. 2 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 InsO stehen Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis im Rang einer Masseverbindlichkeit, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist (sog. „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO), für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Über die Fiktion des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO werden die Ansprüche des zur Arbeitsleistung herangezogenen Arbeitnehmers so behandelt, als ob der starke vorläufige Verwalter das Arbeitsverhältnis selbst durch Neuabschluss begründet hätte, und deshalb als Masseverbindlichkeit eingeordnet.
Rz. 7
4. Im Ausgangsverfahren der Anfrage ist allein § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO von Bedeutung. Jedoch sind mit den Argumenten des Sechsten Senats Reichweite und Inhalt der in § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO und § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO vorgesehenen Rangzuordnung als Neumasseverbindlichkeiten bzw. Masseverbindlichkeiten gleichlaufend auszulegen (vgl. BAG 10. September 2020 - 6 AZR 94/19 (A) - Rn. 53 f.). Die (nur) quotale Einordnung des Anspruchs auf Urlaubsvergütung und auf Urlaubsabgeltung als (Neu)Masseverbindlichkeit hat danach keine insolvenzrechtliche Grundlage, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit oder während der vorläufigen Insolvenzverwaltung die Arbeitsleistung nach § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO oder nach § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO in Anspruch genommen und Urlaub während dieses Zeitraums gewährt wird bzw. unmittelbar im Anschluss an diesen Zeitraum das Arbeitsverhältnis endet. Der Neunte Senat schließt sich der vom Sechsten Senat vertretenen Auffassung an.
Rz. 8
a) Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis gelten als (Neu)Masseverbindlichkeiten, soweit der vorläufige „starke“ Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO) bzw. der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO) die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Der Begriff „soweit“ bedingt in beiden Bestimmungen bezogen auf Arbeitsverhältnisse keine Einschränkung in dem Sinne, dass nur Ansprüche der Arbeitnehmer erfasst werden sollen, welche unmittelbar auf einer tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung beruhen, sondern grenzt die Heranziehung der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung zu deren Freistellung ab (vgl. BAG 10. September 2020 - 6 AZR 94/19 (A) - Rn. 42 f.). Die Entscheidung, die Arbeitsleistung in Anspruch zu nehmen, hat zur Folge, dass im Gegenzug unabhängig von ihrem Entstehungsgrund alle Verpflichtungen aus dem nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO fortbestehenden Arbeitsverhältnis vom Insolvenzverwalter zu erfüllen sind; in der Konstellation des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO als Masseverbindlichkeiten, in der des § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO als Neumasseverbindlichkeiten. Die Insolvenzordnung nimmt hiervon nicht zugunsten der Masse einzelne Arbeitgeberpflichten aus. Im Arbeitsverhältnis sind deshalb bei der Vergütung der Arbeitsleistung auch entgeltfortzahlungspflichtige „unproduktive“ Ausfallzeiten (zB aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder Urlaub) zu berücksichtigen (vgl. zu § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO BAG 10. September 2020 - 6 AZR 94/19 (A) - Rn. 51; 23. März 2017 - 6 AZR 264/16 - Rn. 39, BAGE 158, 376; 8. Mai 2014 - 6 AZR 246/12 - Rn. 25; zu § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO BAG 10. September 2020 - 6 AZR 94/19 (A) - Rn. 42). Sie sind Teil des arbeitsvertraglichen Synallagmas (BAG 6. September 2018 - 6 AZR 367/17 - Rn. 21, BAGE 163, 271). Dies gilt auch für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG als einer dem Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis auf gesetzlicher Grundlage zustehenden Geldleistung (vgl. BAG 10. September 2020 - 6 AZR 94/19 (A) - Rn. 43).
Rz. 9
b) Weder § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO noch § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO sehen die (nur) anteilige Zuordnung der „geldwerten Urlaubsansprüche“ als Masse- bzw. Neumasseverbindlichkeiten vor (vgl. BAG 10. September 2020 - 6 AZR 94/19 (A) - Rn. 53 f.). Wird die Arbeitsleitung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit oder während der vorläufigen starken Insolvenzverwaltung in Anspruch genommen, sind die offenen Urlaubsansprüche - unabhängig davon, ob sie aus dem laufenden Urlaubsjahr oder den Vorjahren resultieren - entweder durch die Gewährung des Urlaubs in natura, dh. Freistellung von der Arbeitspflicht und Zahlung von Urlaubsentgelt als (Neu)Masseverbindlichkeit zu erfüllen, oder im gleichen Rang abzugelten, falls das Arbeitsverhältnis unmittelbar im Anschluss an die Inanspruchnahme der Arbeitsleistung beendet wird (vgl. BAG 10. September 2020 - 6 AZR 94/19 (A) - Rn. 45).
Rz. 10
5. Auch das gesetzliche Urlaubsrecht steht einer (nur) quotalen Rangzuordnung der „geldwerten Urlaubsansprüche“ (vgl. BAG 21. November 2006 - 9 AZR 97/06 - Rn. 24, BAGE 120, 232) als (Neu)Masseverbindlichkeit iSv. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO bzw. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO entgegen. § 1 BUrlG lässt in richtlinienkonformer Auslegung im bestehenden Arbeitsverhältnis eine Aufspaltung des Anspruchs auf bezahlten Erholungsurlaub in einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht und die mit dem Urlaub verbundenen Geldansprüche nicht zu. Der Senat hat seine entgegenstehende frühere Rechtsprechung, auf der die Entscheidung des Senats vom 21. November 2006 (- 9 AZR 97/06 - Rn. 17, 22 ff., aaO) basierte, im Hinblick auf die Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG durch den Gerichtshof der Europäischen Union modifiziert (st. Rspr. seit BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 23 f., BAGE 150, 355; vgl. zuletzt BAG 20. August 2019 - 9 AZR 468/18 - Rn. 11; 30. Januar 2019 - 5 AZR 43/18 - Rn. 44, BAGE 165, 205).
Rz. 11
a) Der Entscheidung des Senats vom 21. November 2006 (- 9 AZR 97/06 - BAGE 120, 232) lag das Verständnis zugrunde, dass zwischen der Befreiung von der Arbeitspflicht und der Fortzahlung der vertraglichen Vergütung zu trennen sei. Danach handelte es sich bei dem Urlaubsanspruch um einen durch das BUrlG begründeten Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, von den durch den Arbeitsvertrag entstehenden Arbeitspflichten befreit zu werden, ohne dass die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts aus § 611 BGB (nunmehr § 611a Abs. 2 BGB) berührt wird (st. Rspr. vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 33, BAGE 130, 119; 11. Juli 2006 - 9 AZR 535/05 - Rn. 20; 25. Oktober 1994 - 9 AZR 339/93 - zu 2 der Gründe, BAGE 78, 153). Der Urlaubsanspruch war danach kein einheitlicher Anspruch, der sich aus den Merkmalen „Freistellung“ und „Entgelt“ zusammensetzte. Sein Inhalt wurde als reiner Freistellungsanspruch verstanden, der allein die Befreiung von der Arbeitspflicht für die Dauer der Urlaubszeit zum Gegenstand hatte. Demgegenüber wurde der Anspruch auf Urlaubsentgelt als der für die Dauer der Freistellung aufrechterhaltene Entgeltanspruch des Arbeitnehmers nach § 611 BGB angesehen (vgl. BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 15; 18. September 2001 - 9 AZR 571/00 - Rn. 17). Die Vorschrift des § 1 BUrlG auf „bezahlten Erholungsurlaub“ begründete somit keinen besonderen Urlaubsentgeltanspruch unter Wegfall des Arbeitsentgeltanspruchs, sondern stellte sicher, dass der dem Arbeitnehmer zustehende Entgeltanspruch trotz Nichtleistung der Arbeit während der Urlaubszeit von der Urlaubsgewährung unberührt blieb (BAG 8. März 1984 - 6 AZR 442/83 - zu 2 b der Gründe, BAGE 45, 199). Unter Zugrundelegung dieses „Trennungsprinzips“ wäre eine unterschiedliche insolvenzrechtliche Behandlung von Freistellungs- und Entgeltanspruch möglicherweise nicht ausgeschlossen.
Rz. 12
b) Der Senat hat die strikte Trennung von der Befreiung von der Arbeitspflicht und der Fortzahlung der vertraglichen Vergütung aufgegeben (vgl. BAG 22. Januar 2019 - 9 AZR 45/16 - Rn. 21, BAGE 165, 90; 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 21, BAGE 150, 355).
Rz. 13
aa) Das Bundesurlaubsgesetz begründet mit dem Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht nur einen Freistellungsanspruch, sondern auch einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Bezahlung (st. Rspr. seit BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 23 f., BAGE 150, 355; vgl. zuletzt BAG 20. August 2019 - 9 AZR 468/18 - Rn. 11; 30. Januar 2019 - 5 AZR 43/18 - Rn. 44, BAGE 165, 205). § 1 BUrlG entspricht insoweit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG, der den Anspruch auf Freistellung und den Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs behandelt (BAG 22. Januar 2019 - 9 AZR 149/17 - Rn. 23; 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 21, BAGE 150, 355). Die mit der Freistellung verknüpfte Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubsvergütung ist integraler Bestandteil des Anspruchs auf bezahlten Urlaub (BAG 20. August 2019 - 9 AZR 468/18 - Rn. 11). Dies gilt auch, wenn der starke vorläufige Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO) oder der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Arbeitsleistung in Anspruch nimmt (§ 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO).
Rz. 14
bb) Die Erfüllung des Urlaubsanspruchs (§ 362 Abs. 1 BGB) erfordert nicht nur die Freistellung des Arbeitnehmers durch eine entsprechende Freistellungserklärung des Arbeitgebers, sondern setzt zudem generell voraus, dass dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs entweder das Urlaubsentgelt ausgezahlt wird oder ein Anspruch auf Vergütung aufgrund einer vorbehaltlosen Zahlungszusage sicher sein muss (BAG 20. August 2019 - 9 AZR 468/18 - Rn. 13). Anderenfalls wird er während des Urlaubs nicht in die Lage versetzt, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (EuGH 13. Dezember 2018 - C-385/17 - [Hein] Rn. 32 ff.; 29. November 2017 - C-214/16 - [King] Rn. 35 mwN; 22. Mai 2014 - C-539/12 - [Lock] Rn. 17 mwN; 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 58; vgl. hierzu auch BAG 17. Juni 2020 - 10 AZR 210/19 (A) - Rn. 49 ff.; 20. August 2019 - 9 AZR 468/18 - Rn. 12; 22. Oktober 2019 - 9 AZR 98/19 - Rn. 29; 20. September 2016 - 9 AZR 429/15 - Rn. 19 mwN). Dem stände es entgegen, wenn der Anspruch auf Urlaubsentgelt für Urlaub, der innerhalb des Zeitraums gewährt wird, in dem der Arbeitnehmer vom starken vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vom Insolvenzverwalter zur Arbeitsleistung herangezogen wird, anders als das Entgelt für die in diesem Zeiträumen erbrachte Arbeitsleistung, nur anteilig als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO) bzw. Neumasseverbindlichkeit (§ 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO) zu berichtigen wäre. Der Arbeitnehmer wäre in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, erhielte er für den Urlaubszeitraum das Entgelt nicht in gleicher Weise, wie für den Zeitraum geleisteter Arbeit (vgl. BAG 20. August 2019 - 9 AZR 468/18 - Rn. 13; 22. Januar 2019 - 9 AZR 10/17 - Rn. 15; 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 23, BAGE 150, 355). Er könnte deshalb veranlasst sein, seinen bezahlten Jahresurlaub nicht zu nehmen (vgl. EuGH 13. Dezember 2018 - C-385/17 - [Hein] Rn. 44).
Rz. 15
cc) Die vorgenannten Grundsätze gelten auch für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG, wenn das Arbeitsverhältnis in unmittelbarem Anschluss an die Heranziehung zur Arbeitsleistung durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO) bzw. nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit den Insolvenzverwalter (§ 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO) endet. Der Arbeitnehmer, dessen Urlaub abzugelten ist, weil der Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht vollständig genommen wurde, ist im Hinblick auf die zu zahlende Urlaubsabgeltung so zu stellen, als hätte er den Urlaubsanspruch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt (vgl. EuGH 11. November 2015 - C-219/14 - [Greenfield] Rn. 51). Maßgeblich sind insoweit grundsätzlich die Verhältnisse bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 22. Oktober 2019 - 9 AZR 98/19 - Rn. 29).
Rz. 16
c) Die Ansprüche auf Urlaubsvergütung und Urlaubsabgeltung sind auch deshalb nicht im Sinne einer zeitabschnittsbezogenen Rangzuordnung teilbar, weil sie keine Gegenleistung für eine bestimmte Arbeitsleistung sind (vgl. BAG 25. Januar 2018 - 6 AZR 8/17 - Rn. 24, BAGE 161, 368). Sie müssen, wie der Urlaubsanspruch als solcher, nicht im Verlauf des Arbeitsverhältnisses „ratierlich verdient“ werden.
Rz. 17
aa) Der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub entsteht nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 4 BUrlG, nicht für eine in einem bestimmten Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung, sondern - als einheitlicher Anspruch - für das Kalenderjahr als Urlaubsjahr. Dies belegt § 7 Abs. 2 BUrlG, wonach der Urlaub, unabhängig davon, ob es sich um den nach Ablauf der Wartezeit jeweils am 1. Januar eines Kalenderjahres gemäß § 4 BUrlG entstehenden Vollurlaubsanspruch, den nach § 5 Abs. 1 Buchst. a oder b BUrlG entstehenden Teilurlaubsanspruch oder den gekürzten Vollurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG handelt, möglichst zusammenhängend zu gewähren ist und eine Stückelung auf einzelne Tage grundsätzlich unzulässig ist (so bereits BAG 21. November 2006 - 9 AZR 97/06 - Rn. 13., BAGE 120, 232).
Rz. 18
bb) Nach den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG setzt der gesetzliche Urlaubsanspruch - dem Grunde nach - allein das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraus. Er steht nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht hat (vgl. BAG 24. September 2019 - 9 AZR 481/18 - Rn. 14, BAGE 168, 70; 19. März 2019 - 9 AZR 406/17 - Rn. 21 f., BAGE 166,176). Abweichendes folgt nicht daraus, dass der Umfang des gesetzlichen Urlaubsanspruchs nach § 3 Abs. 1 BUrlG anhand der im Kalenderjahr arbeitsvertraglich zu leistenden Arbeit zeitabschnittsbezogen zu berechnen ist, sofern sich aus den Vorgaben des Unionsrechts (vgl. zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG EuGH 13. Dezember 2018 - C-385/17 - [Hein] Rn. 26; EuGH 4. Oktober 2018 - C-12/17 - [Dicu] Rn. 27 f.; 8. November 2012 - C-229/11 und C-230/11 - [Heimann] Rn. 32 ff.; zu § 4 Nr. 1 und Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG EuGH 11. November 2015 - C-219/14 - [Greenfield] Rn. 35 f.; 22. April 2010 - C-486/08 - [Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols] Rn. 32 f.; 13. Juni 2013 - C-415/12 - [Brandes] Rn. 30 f.) und spezielleren gesetzlicher Regelungen sowie nach Maßgabe von § 13 BUrlG zulässigen kollektivrechtlichen oder vertraglichen Vereinbarungen nichts Abweichendes ergibt. Diese Berechnungsweise trägt allein dem Erholungszweck des gesetzlichen Mindesturlaubs und der Intention des Gesetzgebers Rechnung, für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu sichern (BAG 24. September 2019 - 9 AZR 481/18 - Rn. 16 f., 32 ff., BAGE 168, 70; 19. März 2019 - 9 AZR 406/17 - Rn. 23 ff., BAGE 166,176).
Rz. 19
d) Einer (nur) quotalen Rangzuordnung der „geldwerten Urlaubsansprüche“ (vgl. BAG 21. November 2006 - 9 AZR 97/06 - Rn. 24, BAGE 120, 232) als (Neu)Masseverbindlichkeit iSv. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO bzw. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO steht auch entgegen, dass die Ansprüche auf Urlaubsvergütung und Urlaubsabgeltung, solange die Urlaubstage nicht zeitlich festgelegt sind bzw. das Arbeitsverhältnis nicht beendet ist, nicht „für“ einen bestimmten Zeitraum geschuldet sind. Sie können infolgedessen keinem bestimmten Zeitabschnitt vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeordnet werden (BAG 25. Januar 2018 - 6 AZR 8/17 - Rn. 24, BAGE 161, 368; 15. Februar 2005 - 9 AZR 78/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 113, 371; 18. November 2003 - 9 AZR 95/03 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 108, 357; 25. März 2003 - 9 AZR 174/02 - zu A II 2 der Gründe, BAGE 105, 345).
Rz. 20
aa) Der Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub kann nach § 1 und § 7 Abs. 4 BUrlG, solange das Arbeitsverhältnis besteht, nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Diese Bestimmungen gewährleisten im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG (vgl. hierzu EuGH 6. November 2018 - C-569/16 und C-570/16 - [Bauer und Willmeroth] Rn. 42 bis 48), dass jeder Arbeitnehmer zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit in regelmäßigem Rhythmus eine gewisse Zeit der Erholung erhält und Urlaubsansprüche nicht über einen langen Zeitraum angesammelt oder allein durch Zahlung von Geld ersetzt werden. Die Vergütungskomponente des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub ist daher im bestehenden Arbeitsverhältnis fest mit dem Freistellungsanspruch verbunden. Sie darf aufgrund des sich aus § 7 Abs. 4 BUrlG, wie aus Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG, ergebenden Abgeltungsverbots nicht isoliert erfüllt werden (vgl. EuGH 22. April 2010 - C-486/08 - [Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols] Rn. 31; BAG 22. Januar 2019 - 9 AZR 149/17 - Rn. 25).
Rz. 21
bb) Die Ansprüche auf Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung können danach erst, wenn der Arbeitnehmer die Auszahlung des Geldbetrags verlangen kann, einem bestimmten Zeitabschnitt vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeordnet werden. Die Zahlung des Urlaubsentgelts kann der Arbeitnehmer frühestens bei Antritt des Urlaubs für den Urlaubszeitraum verlangen. Der Anspruch ist nach § 11 Abs. 2 BUrlG, der arbeitsvertraglich nicht abdingbar ist (BAG 20. August 2019 - 9 AZR 468/18 - Rn. 22; 30. Januar 2019 - 5 AZR 43/18 - Rn. 44), vorbehaltlich einer abweichenden tariflichen Regelung, grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt fällig. Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG als rein finanzielle Anspruch setzt - im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG (vgl. hierzu EuGH 6. November 2018 - C-569/16 und C-570/16 - [Bauer und Willmeroth] Rn. 42 bis 48) - voraus, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer nicht den gesamten bezahlten Jahresurlaub genommen hat, auf den er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch hatte. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfällt die Arbeitspflicht und damit die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer durch Freistellung von der Arbeitspflicht Urlaub zu gewähren (vgl. BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 19, BAGE 150, 355). Die Bindung des Anspruchs auf Bezahlung an den Freistellungsanspruch und seine zeitliche Begrenzung nach Maßgabe von § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG wird aufgelöst. Während der Freistellungsanspruch infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses untergeht, erhält § 7 Abs. 4 BUrlG die Vergütungskomponente des Urlaubsanspruchs als Abgeltungsanspruch selbstständig aufrecht. Der aus Freistellung von der Arbeitspflicht und Bezahlung zusammengesetzte Urlaubsanspruch wandelt sich in einen Anspruch auf Abgeltung des noch nicht erfüllten Urlaubs (vgl. BAG 22. Januar 2019 - 9 AZR 149/17 - Rn. 25) und wird gleichzeitig fällig (BAG 22. Januar 2019 - 9 AZR 149/17 - Rn. 37 mwN).
Rz. 22
e) Auch Ansprüche auf Urlaubsvergütung und Urlaubsabgeltung, die auf Urlaub aus den Vorjahren beruhen, sind im Anwendungsbereich von § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO oder nach § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht im Sinne einer zeitabschnittsbezogenen Rangzuordnung teilbar. Solange der Urlaubsanspruch fortbesteht, weil er nach § 7 Abs. 3 Satz 2 oder Satz 4 BUrlG übertragen wurde oder die Voraussetzungen seiner Befristung nach § 7 Abs. 3 BUrlG nicht erfüllt sind und der Urlaubsanspruch durchsetzbar ist (vgl. hierzu BAG 29. September 2020 - 9 AZR 266/20 (A) -), gelten für die Ausübung des Urlaubsanspruchs dieselben urlaubsrechtlichen Grundsätze wie für den Urlaub aus dem laufenden Kalenderjahr.
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Fundstellen
Haufe-Index 14406606 |
BAGE 2022, 53 |
BB 2021, 1470 |
BB 2021, 883 |
DStR 2021, 1122 |