Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitszeitquote durch Betriebsnorm
Leitsatz (redaktionell)
s. Parallelbeschluß vom selben Tage – 1 ABR 3/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1; TVG §§ 3-4
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. November 1996 – 8 TaBV 10/96 – aufgehoben.
2. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 24. Juli 1996 – 5 BV 25/96 – abgeändert.
3. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Fertigungsarbeiters Bernd R wird ersetzt.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers, die der Betriebsrat für tarifwidrig hält.
Die Arbeitgeberin betreibt in M. eine Maschinenfabrik mit über 100 Arbeitnehmern. Sie war Mitglied des Verbandes der Metallindustrie Baden-Württemberg e.V., aus dem sie mit Wirkung zum 31. Dezember 1995 ausgetreten ist. Der zwischen diesem Arbeitgeberverband und der IG Metall abgeschlossene Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg-Nordbaden vom 5. Mai 1990, in Kraft seit 1. April 1990 (im folgenden MTV), enthält in § 7 u.a. folgende Bestimmungen zur regelmäßigen Arbeitszeit:
„7.1 Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt |
37 Stunden, |
ab 01.04.1993 |
36 Stunden, |
ab 01.10.1995 |
35 Stunden. |
(Anlage 3 Protokollnotiz zu § 7.1)
…
7.1.1 |
Soll für einzelne Beschäftigte die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden verlängert werden, bedarf dies der Zustimmung des Beschäftigten. |
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Lehnen Beschäftigte die Verlängerung ihrer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ab, so darf ihnen daraus kein Nachteil entstehen. |
7.1.2 |
Bei der Vereinbarung einer solchen Arbeitszeit bis zu 40 Stunden kann der Beschäftigte wählen zwischen |
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- einer dieser Arbeitszeit entsprechenden Bezahlung |
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- dem Ausgleich der Differenz zur tarifvertraglichen Arbeitszeit nach § 7.1 durch einen oder mehrere große Freizeitblöcke im Laufe von 2 Jahren bei Bezahlung der tariflichen Arbeitszeit. § 7.6 bleibt hiervon unberührt. |
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§§ 7.7 und 11.4.5 finden entsprechende Anwendung. |
7.1.3 |
Die vereinbarte Arbeitszeit kann frühestens nach Ablauf von 2 Jahren auf Wunsch des Beschäftigten mit einer Ankündigungsfrist von 6 Monaten geändert werden, es sei denn, sie wird einvernehmlich früher geändert. Entsprechendes gilt für die Wahl gemäß § 7.1.2. Das Arbeitsentgelt wird entsprechend angepaßt. |
7.1.4 |
Der Arbeitgeber teilt dem Betriebsrat jeweils zum Ende eines Kalenderhalbjahres die Beschäftigten mit verlängerter individueller regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit mit, deren Anzahl 18 % aller Beschäftigten des Betriebes nicht übersteigen darf. |
…”
Mit Schreiben vom 5. Juni 1996 informierte die Arbeitgeberin ihren Betriebsrat über die zum 10. Juni 1996 beabsichtigte Einstellung des Bernd R. als Personalsachbearbeiter mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche. R ist nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft. Ziff. 7 des mit ihm unter dem 22. Mai 1996 abgeschlossenen Arbeitsvertrages lautet wie folgt:
„Arbeitszeit
Die regelmäßige Wochenarbeitszeit beträgt 40 Stunden.
Es wird unter ausdrücklicher Zustimmung des/der Mitarbeiters/in vereinbart, daß die Firma kraft ihres Direktionsrechtes berechtigt ist, die vereinbarte Wochenarbeitszeit mit einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende zu erhöhen oder zu vermindern. Der Lohn erhöht oder vermindet sich entsprechend der Arbeitszeit. Der/die Mitarbeiter/in erklärt sich bereit, bei Bedarf Überstunden zu leisten.”
Der Betriebsrat verweigerte die erbetene Zustimmung mit Schreiben vom 11. Juni 1996, der Arbeitgeberin zugegangen am selben Tage. Zur Begründung führte er aus:
„Gemäß § 7.1.4 MTV dürfen 18 % aller Beschäftigten des Betriebes 40 Stunden/Woche arbeiten. Da diese Quote bereits ausgeschöpft ist und eine Ausweitung nicht zulässig ist, kann die Arbeitszeit von Herrn R nicht 40 Stunden/Woche betragen.”
Die Arbeitgeberin begehrt die Ersetzung der Zustimmung zur Einstellung. Sie hat die Einstellung aus dringenden Gründen vorläufig vollzogen, worüber die Beteiligten nicht mehr streiten.
Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, der Betriebsrat könne die Zustimmung nicht unter Berufung auf die tariflich geregelte Quote verweigern. Diese sei zwar tatsächlich bereits ausgeschöpft, sie sei jedoch gegenüber R. nicht an den Tarifvertrag gebunden, da R. nicht Mitglied der Gewerkschaft sei. Die Regelung stelle keine Betriebsnorm dar, sondern verfolge arbeitsmarktpolitische Ziele, die mit der Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung der Arbeitszeit nichts zu tun hätten. Es gehe auch nicht um eine kollektive Schutznorm zugunsten der Arbeitnehmer, da es genügend Interessenten gebe, die – wie R. – lieber 12,5 % mehr verdienen und dafür auch entsprechend mehr arbeiten wollten.
Zumindest müsse es nach ihrem Verbandsaustritt möglich sein, mit einem selbst nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer längere Arbeitszeiten zu vereinbaren. Eine Einschränkung dieses Rechts sei verfassungswidrig. Sie verstoße gegen die negative Koalitionsfreiheit. Darüber hinaus stelle sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit dar, und zwar sowohl zu Lasten des Arbeitgebers als auch zu Lasten des Arbeitnehmers.
Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich beantragt,
die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Bernd R als Personalsachbearbeiter zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, § 7.1.4 MTV stelle eine Betriebsnorm dar. Er betreffe einen Sachverhalt, der nicht individuell mit einem einzelnen Arbeitnehmer arbeitsvertraglich geregelt werden könne. An diese Norm sei die Arbeitgeberin unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers aufgrund ihrer Verbandszugehörigkeit gebunden. Der Austritt aus dem Verband habe die Bindung nicht aufgehoben, da der Manteltarifvertrag fortbestehe. Die Regelung verstoße auch nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Da der Betriebsrat im Rahmen des § 99 BetrVG die personelle Maßnahme nur in der beabsichtigten Form zu beurteilen habe und die Einstellung zu anderen (tarifgemäßen) Bedingungen nicht verlangen könne, müsse die Einstellung hier ganz unterbleiben.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Ersetzungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers R ist zu ersetzen. Die Einstellung verstößt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht gegen eine tarifliche Bestimmung (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG).
1. Das Landesarbeitsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß § 7.1.4 MTV von der Arbeitgeberin zu beachten ist, und zwar unabhängig von der Tarifbindung ihrer Arbeitnehmer. Die Regelung, nach der die dem Betriebsrat halbjährlich mitzuteilende Zahl der Beschäftigten mit abweichender individueller Arbeitszeit 18 % aller Beschäftigten des Betriebes nicht übersteigen darf, ist nämlich eine betriebliche Norm i.S.d. § 3 Abs. 2 TVG.
a) Gemäß § 3 Abs. 2 TVG gelten Rechtsnormen eines Tarifvertrages über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betreffen diese Betriebsnormen Regelungsgegenstände, die nur einheitlich gelten können. Ihre Regelung im Individualvertrag wäre zwar nicht im naturwissenschaftlichen Sinne unmöglich, sie würde aber wegen „evident sachlogischer Unzweckmäßigkeit ausscheiden”, weil eine einheitliche Regelung auf betrieblicher Ebene unerläßlich ist (Senatsbeschluß vom 26. April 1990 – 1 ABR 84/87 – BAGE 64, 368 = AP Nr. 57 zu Art. 9 GG im Anschluß an BAG Urteil vom 21. Januar 1987 – 4 AZR 486/86 – AP Nr. 46 zu Art. 9 GG; BAG Urteil vom 27. April 1988 – 7 AZR 593/87 – BAGE 58, 183 = AP Nr. 4 zu § 1 BeschFG 1985; BAG Urteil vom 7. November 1995 – 3 AZR 676/94 – AP Nr. 1 zu § 3 TVG Betriebsnormen). Bei der näheren Bestimmung dieses Normtyps ist auszugehen von dem in § 3 Abs. 2 TVG verwandten Begriff der „betrieblichen Fragen”. Dies sind nicht etwa alle Fragen, die im weitesten Sinne durch die Existenz des Betriebes und durch die besonderen Bedingungen der betrieblichen Zusammenarbeit entstehen können. Gemeint sind vielmehr nur solche Fragen, die unmittelbar die Organisation und Gestaltung des Betriebes, also der Betriebsmittel und der Belegschaft, betreffen (vgl. Kempen/Zachert, TVG, 3. Aufl., § 3 Rz 13; Dieterich, Die betrieblichen Normen nach dem Tarifvertragsgesetz vom 9.4.1949, S. 34 f.; s. auch Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 236 f.). Diese Umschreibung markiert zwar keine scharfe Grenze, sie verdeutlicht aber Funktion und Eigenart der Betriebsnormen im Sinne von § 3 Abs. 2 TVG (zur Bandbreite denkbarer Regelungen vgl. Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, S. 135 ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. I, S. 588 ff.). Betriebsnormen regeln das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Belegschaft als Kollektiv, hingegen nicht die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und einzelnen Arbeitnehmern, die allenfalls mittelbar betroffen sind.
Dieser Regelungsgegenstand erklärt, warum für die Geltung von Betriebsnormen (wie auch für Betriebsverfassungsnormen) nur auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers und nicht auf die Gewerkschaftszugehörigkeit einzelner oder gar aller Arbeitnehmer abzustellen ist. Die Belegschaft als Kollektiv kann nicht Gewerkschaftsmitglied sein. Deshalb sind Betriebsnormen in der Tat Regelungen, die nur einheitlich gelten können und bei denen individualvertragliche Regelungen „wegen evident sachlogischer Unzweckmäßigkeit” ausscheiden. Verfassungsrechtliche Bedenken sind insoweit nicht ersichtlich.
b) Fragen der Betriebsgestaltung in diesem Sinne sind u.a. Fragen der Zusammensetzung des Mitarbeiterkreises. Zu denken ist etwa an die Aufstellung qualitativer Anforderungen bei der Besetzung bestimmter Arbeitsposten. Es kommen aber auch quantitative Fragen in Betracht wie das zahlenmäßige Verhältnis bestimmter Arbeitnehmergruppen zur Gesamtzahl der Mitarbeiter eines Betriebes. So hat der Senat etwa in seiner Entscheidung vom 26. April 1990 (– 1 ABR 84/87 – BAGE 64, 368 = AP Nr. 57 zu Art. 9 GG) die Besetzungsregeln in den Tarifverträgen der Druckindustrie als Betriebsnormen angesehen. Als Betriebsnormen in Betracht gezogen werden etwa neben Skalen für die Beschäftigung einer bestimmten Höchstzahl von Lehrlingen oder sonstigen Arbeitnehmergruppen auch Regelungen, die sich insofern auf die Zusammensetzung der Belegschaft beziehen, als sie das quotenmäßige Verhältnis von befristet und unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern festlegen (vgl. BAG Urteil vom 27. April 1988 – 7 AZR 593/87 – BAGE 58, 183 = AP Nr. 4 zu § 1 BeschFG 1985; siehe auch Senatsbeschluß vom 9. Juli 1996 – 1 ABR 55/95 – AP Nr. 9 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung).
c) Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat das Landesarbeitsgericht die streitbefangene Quotenregelung nach § 7.1.4 MTV als betriebliche Norm i.S.d. § 3 Abs. 2 TVG angesehen. Dem ist zuzustimmen.
Die Tarifvertragsparteien haben in § 7.1 MTV die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit auf 35 Stunden (ab 1995) festgelegt. Hiervon kann gem. § 7.1.1 MTV in einzelvertraglichen Abmachungen abgewichen werden in der Weise, daß die Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden in der Woche verlängert wird. Nach § 7.1.4 MTV hat der Arbeitgeber halbjährlich dem Betriebsrat die Beschäftigten mit verlängerter individueller wöchentlicher Arbeitszeit mitzuteilen, „deren Anzahl 18 % aller Beschäftigten des Betriebes nicht übersteigen darf”.
Mit der Bestimmung dieser Quote in Verbindung mit einer Auskunftspflicht gegenüber dem Betriebsrat haben die Tarifvertragsparteien nicht unmittelbar die individuelle Arbeitszeit einzelner Arbeitnehmer geregelt. Die Quote bezieht sich vielmehr auf einen kollektiven Tatbestand, nämlich auf die Verteilung des betrieblichen Arbeitszeitvolumens. Allerdings wird nur die Zahl der abweichenden Verträge berücksichtigt, also das Arbeitszeitvolumen nicht insgesamt begrenzt, sondern ein auf Belegschaftsgruppen bezogener Maßstab gewählt. Die Regelung betrifft damit die Zusammensetzung der Belegschaft, und zwar entsprechend dem zahlenmäßigen Verhältnis der nach ihrer regelmäßigen Arbeitszeit zu unterscheidenden Arbeitnehmergruppen. Dies ist eine Frage der betrieblichen Gestaltung. Ihre Regelung ist auf das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen Belegschaft und Arbeitgeber beschränkt, begründet also keine Rechte und Pflichten in den Arbeitsverhältnissen. Das zeigt sich auch darin, daß sie mit einer Betriebsverfassungsnorm verknüpft ist, nämlich einer Auskunftspflicht gegenüber dem Betriebsrat.
Die Festlegung einer Höchstquote für abweichende Arbeitszeitvereinbarungen ist als betriebliche Norm i.S.d. § 3 Abs. 2 TVG anzusehen (so auch Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 708; Kempen/Zachert, aaO, § 1 Rz 167; wohl auch Fitting/Kaiser/Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz, 18. Aufl., § 87 Rz 47; Neumann, NZA 1990, 961, 963 – der zutreffend auf die Ähnlichkeit mit Lehrlingsskalen verweist; als schuldrechtliche Vereinbarung betrachtet die Quote hingegen Richardi, DB 1990, 1613, 1614; gegen eine Betriebsnorm wohl auch H. Hanau, RdA 1996, 158, 168).
d) Als Betriebsnorm findet § 7.1.4 MTV gem. § 3 Abs. 2 TVG i.V.m. § 4 Abs. 1 TVG bereits bei einseitiger Tarifbindung des Arbeitgebers Anwendung. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, daß die Arbeitgeberin zum 31. Dezember 1995 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist. Die aufgrund der Verbandszugehörigkeit einmal eingetretene Tarifbindung bleibt bei einem Austritt aus dem Verband bestehen, bis der Tarifvertrag endet (§ 3 Abs. 3 TVG). Der hier umstrittene Manteltarifvertrag datiert vom 5. Mai 1990, galt also schon zu einem Zeitpunkt, als die Arbeitgeberin noch Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes war. Er war auch zum Zeitpunkt der mündlichen Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht noch in Geltung, so daß dieses von der Bindung der Arbeitgeberin an den Tarifvertrag ausgehen mußte.
2. Der Betriebsrat kann aber dennoch die Verweigerung seiner Zustimmung nicht auf die streitbefangene tarifliche Regelung stützen. Die beabsichtigte Einstellung des Arbeitnehmers R verstößt nicht i.S.d. § 99 Abs. 2 BetrVG gegen § 7.1.4 MTV.
a) Nach ständiger Senatsrechtsprechung kann der Betriebsrat einer personellen Maßnahme seine Zustimmung gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nur dann verweigern, wenn die Maßnahme selbst gegen ein Gesetz, einen Tarifvertrag oder eine sonstige Norm verstößt. Geht es um eine Einstellung, muß diese untersagt sein. Dabei ist zu berücksichtigen, daß § 99 BetrVG dem Betriebsrat nur die Möglichkeit gibt, der Einstellung in der vom Arbeitgeber beabsichtigten Form zuzustimmen oder die Zustimmung insgesamt zu verweigern. Er kann hingegen keine Einstellung zu geänderten – normgemäßen – Bedingungen durchsetzen. Eine Zustimmungsverweigerung ist danach nicht bei jeder Einstellung gerechtfertigt, die in irgendeiner Weise normative Vorgaben verletzt; Voraussetzung ist vielmehr, daß der Zweck der verletzten Norm nur dadurch erreicht werden kann, daß die Einstellung insgesamt unterbleibt (Senatsbeschluß vom 28. Juni 1994 – 1 ABR 59/93 – AP Nr. 4 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung, unter B II 1 der Gründe; Senatsbeschluß vom 9. Juli 1996 – 1 ABR 55/95 – AP Nr. 9 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung, unter B I 1 der Gründe).
b) Eine solche Normverletzung liegt hier nicht vor. Tarifliche Regelungen i.S.d. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG sind zwar auch Betriebsnormen (Kittner in Däubler/Kittner/Klebe, Betriebsverfassungsgesetz, 5. Aufl., § 99 Rz 177; Dietz/Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 6. Aufl., § 99 Rz 159). Aber § 7.1.4 MTV begründet entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kein die Einstellung als personelle Einzelmaßnahme betreffendes Verbot. Die Tarifbestimmung überläßt es vielmehr dem Arbeitgeber, wie er die vorgegebene Quote erreichen will; sie bindet ihn also nicht bei einzelnen Maßnahmen. Dies ergibt die an Wortlaut, systematischem Aufbau und erkennbarem Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung.
aa) § 7.1.1 MTV regelt zunächst generell, daß die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mit Zustimmung des Beschäftigten auf bis zu 40 Stunden verlängert werden kann. Eine quantitative Beschränkung der betroffenen Arbeitnehmer ist hier nicht festgelegt. Diese wird erst in § 7.1.4 MTV erwähnt. Aber auch dort ist sie nicht als eigenständige Verpflichtung gefaßt. § 7.1.4 MTV regelt vielmehr vorrangig die Pflicht des Arbeitgebers, dem Betriebsrat zum Ende eines Kalenderhalbjahres die Beschäftigten mit verlängerter individueller Arbeitszeit mitzuteilen. Erst im Nebensatz hierzu ist festgehalten, daß „deren Anzahl 18 % aller Beschäftigten des Betriebes nicht übersteigen darf”.
Nach Wortlaut und systematischem Zusammenhang ist die Quote also als Teil der halbjährlichen Mitteilungspflicht ausgestaltet. Bereits diese Verknüpfung spricht gegen die Annahme, daß der Arbeitgeber hinsichtlich einzelner personeller Maßnahmen gebunden sein soll. Er schuldet zwar einen Gesamterfolg, die tarifliche Regelung schreibt ihm aber nicht vor, wie er die Verpflichtung zu erfüllen hat. Dies ist durch unterschiedliche Maßnahmen erreichbar. Es bedarf dazu nicht zwingend personeller Einzelmaßnahmen i.S.d. § 99 BetrVG. So kann ein Arbeitgeber bei Erreichen der Quote diese trotz Abschlusses weiterer abweichender Vereinbarungen wahren, indem er die regelmäßige Arbeitszeit anderer Arbeitnehmer einvernehmlich kürzt. Unterläßt er dies, verletzt er damit unter Umständen seine tarifliche Pflicht, den Quotenrahmen nicht zu überschreiten, aber dieser Verstoß läßt sich nicht einer einzelnen personellen Maßnahme zuordnen.
bb) Die Annahme, daß nur ein Gesamterfolg geschuldet wird und nicht einzelne Maßnahmen untersagt sind, wird durch die tarifliche Stichtagsregelung bestärkt. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat jeweils zum Ende eines Kalenderhalbjahres die Zahl abweichender Vereinbarungen mitzuteilen. Da die Tarifvertragsparteien die Quote nur in Verbindung mit der halbjährlichen Mitteilungspflicht in den Tarifvertrag eingebracht haben, ist anzunehmen, daß der Arbeitgeber die Quote jeweils nur zu diesem Termin erreichen muß. Überschreitet er sie zwischenzeitlich, so ist das unschädlich, wenn er sie rechtzeitig bis zum nächsten Stichtag wieder zurückführen kann. Wie er dies erreicht, bleibt ihm überlassen.
In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, daß die Quote sich nicht am Umfang des abweichenden Zeitvolumens ausrichtet, sondern an der Kopfzahl der Belegschaftsmitglieder. Das entspricht dem betrieblichen Interesse an abweichenden Vereinbarungen bei Arbeitnehmern mit besonderen Aufgaben und Qualifikationen. Gerade bei diesen ist aber die Personalplanung besonders schwierig. Die Stichtagsregelung soll hier erkennbar einen zeitlichen Spielraum eröffnen und damit praktischen Bedürfnissen flexibler Personalwirtschaft Rechnung tragen.
c) Ist demnach davon auszugehen, daß die tarifliche Regelung vom Arbeitgeber nur einen termingerechten Gesamterfolg verlangt, ihn aber nicht hinsichtlich einzelner personeller Maßnahmen bindet, kann der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer bestimmten Einstellung nicht mit der Begründung verweigern, die Quote sei ausgeschöpft. Gegenstand der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG ist nur die personelle Einzelmaßnahme. Diese verstößt aber nicht gegen die tarifliche Regelung. Es besteht also kein tarifliches Verbot, das nur dadurch gewahrt werden könnte, daß eine bestimmte Einstellung ganz unterbleibt.
Wie der Betriebsrat den vom Arbeitgeber geschuldeten Gesamterfolg in anderer Weise durchsetzen kann, hat der Senat hier nicht zu entscheiden. Der Tarifvertrag sieht keine spezielle Sanktion vor. Zu erwägen wäre daher ein Unterlassungsanspruch, wenn der Arbeitgeber die Quote dauerhaft überschreitet. Ein solcher ist jedoch nicht Gegenstand des anhängigen Mitbestimmungsverfahrens.
3. Die angefochtene Entscheidung ist daher mit der gegebenen Begründung nicht zu halten. Sie stellt sich auch nicht aus einem anderen Grund als zutreffend dar. Der Betriebsrat hat keine sonstigen Zustimmungsverweigerungsgründe i.S.d. § 99 Abs. 2 BetrVG geltend gemacht. Seine Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers R ist daher entsprechend dem Antrag der Arbeitgeberin zu ersetzen.
Dahingestellt bleiben konnte die Frage, ob die Bindung der Arbeitgeberin an § 7.1.4 MTV 1990 entfallen ist, nachdem der an sich erstmals zum 31. Dezember 1998 kündbare Tarifvertrag offensichtlich vorzeitig durch den Manteltarifvertrag vom 18. Dezember 1996, in Kraft seit 1. Januar 1997, abgelöst worden ist, worauf die Beteiligten in der mündlichen Anhörung vor dem Senat hingewiesen wurden. Insoweit würde sich die Frage der Nachwirkung von Betriebsnormen und der Möglichkeit ihrer Ablösung stellen (vgl. dazu etwa Kempen/Zachert, aaO, § 4 Rz 299; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rz 227, 237). Diese Frage würde hier zusätzlich durch den Verbandsaustritt der Arbeitgeberin kompliziert, bedarf jedoch keiner Entscheidung.
Unterschriften
Dieterich, Wißmann, Rost, Gnade, Bayer
Fundstellen