Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmereigenschaft von DRK-Schwestern
Leitsatz (redaktionell)
Die Mitglieder einer DRK-Schwesternschaft sind auch dann keine Arbeitnehmer, wenn sie nicht in einem von der Schwesternschaft selbst getragenen, sondern aufgrund eines Gestellungsvertrages in einem von einem Dritten betriebenen Krankenhaus tätig sind. Zum Betriebsrat für das "freie Pflegepersonal" der Schwesternschaft sind die Mitglieder der DRK-Schwesternschaft daher nicht wahlberechtigt (Bestätigung und Fortführung der Entscheidung vom 3. Juni 1975, 1 ABR 98/74 = BAGE 27, 163 = AP Nr 1 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz).
Orientierungssatz
Auslegung der §§ 1, 20 der Satzung für Deutsches Rotes Kreuz Schwesternschaft Essen eV zuletzt in der Fassung vom 15.11.1984 und Art 4 Nr 4 der Schwesternordnung für die Schwestern vom Deutschen Roten Kreuz in der Fassung vom 8.11.1977.
Normenkette
BetrVG §§ 5, 7, 9, 19
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.11.1984; Aktenzeichen 2 TaBV 105/84) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 07.06.1984; Aktenzeichen 3 (1) BV 37/84) |
Gründe
I. Der weitere Beteiligte ist eine Schwesternschaft vom Roten Kreuz, ein Zusammenschluß von Schwestern, die in der Krankenpflege und Kinderkrankenpflege oder in einem gleichartigen Beruf tätig sind, zu einer Schwesterngemeinschaft. "Die Gemeinschaft soll das Zusammengehörigkeitsbewußtsein der Schwestern festigen und ihnen die Ausübung ihres Berufes im caritativen Geist unter dem Zeichen des Roten Kreuzes" ermöglichen (§ 1 II der Satzung für Deutsches Rotes Kreuz Schwesternschaft E e.V.). Über die Rechtsbeziehung zwischen dem weiteren Beteiligten und seinen Mitgliedern bestimmt Art. 4 der Schwesternordnung, die gemäß § 20 der Satzung des weiteren Beteiligten für die Mitglieder "aus ihrer beruflichen Tätigkeit im Dienste der Schwesternschaft" verbindlich ist:
"4. Die Schwester übt ihren Beruf als Mitglied
und im Auftrage der Schwesternschaft aus;
zwischen der Schwester und dem Träger des
Arbeitsfeldes bestehen keine arbeits- oder
dienstvertraglichen Beziehungen. Die beruf-
lichen Interessen der Schwester werden aus-
schließlich von ihrer Schwesternschaft und
dem Verband der Schwesternschaften vom
Deutschen Roten Kreuz e.V. vertreten."
Aufgrund eines Gestellungsvertrages mit der Stadt E als Träger des Klinikums E (jetzt: "Medizinische Einrichtungen der Universität Gesamthochschule E ") wird seit 1973 dort der krankenpflegerische Dienst durch Schwestern versehen, die Mitglieder des weiteren Beteiligten sind, und durch Gastschwestern (freies Pflegepersonal), mit denen der weitere Beteiligte jeweils Arbeitsverträge schließt.
Der Antragsgegner ist der bei dem weiteren Beteiligten für das freie Pflegepersonal gebildete Betriebsrat. Zu den Betriebsratswahlen am 2. und 3. Mai 1984 sind, wie bereits bei vorangehenden Wahlen, die Gastschwestern sowie sonstige Angestellte und Arbeiter in die Wählerliste aufgenommen worden, nicht dagegen die Mitglieder des weiteren Beteiligten.
Mit einem beim Arbeitsgericht am 17. Mai 1984 eingegangenen Antrag hat die Antragstellerin, die Gewerkschaft ÖTV, in der eine große Anzahl von Mitgliedern des weiteren Beteiligten organisiert sind, diese Betriebsratswahl angefochten mit der Begründung, die Mitglieder des weiteren Beteiligten hätten ebenfalls in die Wählerliste aufgenommen werden müssen weil sie wegen ihrer überwiegenden Gleichstellung mit dem freien Pflegepersonal bei Vergütung, Einsatzort, Urlaub, Dienstanweisungen, Sozial- und Rentenversicherung usw. als Arbeitnehmer anzusehen seien.
Die Antragstellerin hat beantragt, die Betriebsratswahl vom 2. und 3. Mai 1984 für unwirksam zu erklären. Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt. Der weitere Beteiligte hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat ihn abgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Rechtsmittelbelehrung enthält den Hinweis, daß von der Antragstellerin und von dem Antragsgegner Rechtsbeschwerde eingelegt werden kann.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstrebt die Antragstellerin die Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Antragsgegner hat ebenfalls Rechtsbeschwerde eingelegt. Der weitere Beteiligte beantragt, beide Rechtsbeschwerden zurückzuweisen.
II. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Betriebsratswahl am 2. und 3. Mai 1984 bei dem weiteren Beteiligten wirksam ist. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin waren die Mitglieder des weiteren Beteiligten nicht in die Wählerliste aufzunehmen, weil sie nicht Arbeitnehmer i. S. von § 5 BetrVG sind.
1. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits im Beschluß vom 3. Juni 1975 (BAG 27, 163 = AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz) die Arbeitnehmereigenschaft von Mitgliedern einer Schwesternschaft vom Roten Kreuz verneint, die in einem von der Schwesternschaft selbst getragenen Krankenhaus tätig sind, weil die mit ihrem Beitritt zu einer Schwesternschaft übernommenen Pflicht der Rot-Kreuz Schwester, in der karitativen Krankenpflege tätig zu werden, sich allein auf die Zugehörigkeit zu der Schwesternschaft gründet.
2. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend auch für die vorliegende Fallgestaltung ausgegangen. An der rechtlichen Beurteilung im Verhältnis zum weiteren Beteiligten ändert sich nichts dadurch, daß die Mitglieder des weiteren Beteiligten nicht in einem Krankenhaus der Schwesternschaft, sondern in einem anderen vom weiteren Beteiligten nicht getragenen Krankenhaus tätig sind. An den rechtlichen Verpflichtungen, aufgrund deren die Mitglieder tätig werden, ändert sich dadurch nichts.
Ob betriebsverfassungsrechtlich ggf. im Verhältnis zu einem externen Krankenhausträger außerhalb der Organisation der Schwesternschaften vom Roten Kreuz für die Mitglieder des weiteren Beteiligten von anderen Ansatzpunkten auszugehen ist, bedarf vorliegend keiner Beurteilung durch den Senat, da hiermit verbundene Probleme zwischen den Beteiligten nicht streitig sind.
3. Für die Beurteilung, ob den Mitgliedern des weiteren Beteiligten Arbeitnehmereigenschaft zukommt, ist mit dem Landesarbeitsgericht deshalb hier allein auf das Verhältnis zwischen dem weiteren Beteiligten und seinen Mitgliedern abzustellen.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Mitglieder des weiteren Beteiligten mit diesem keine Arbeitsverträge abgeschlossen haben, sondern sich die Rechtsbeziehungen nach der Satzung und der Schwesternordnung richten.
Ob zum weiteren Beteiligten auch Arbeitsverhältnisse mit den Mitgliedern bestehen können, braucht vom Senat nicht entschieden zu werden, da von den Mitgliedern hier unstreitig außer den von ihnen eingegangenen mitgliedschaftlichen Bindungen jedenfalls keine Erklärungen abgegeben worden sind, die auf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses schließen lassen.
Für den Senat besteht nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sowie den Regelungen der Satzung und der Schwesternordnung kein Anlaß, die mitgliedschaftlichen Bindungen der im Klinikum E tätigen Mitglieder im Verhältnis zum weiteren Beteiligten einer anderen rechtlichen Beurteilung zu unterziehen, als dies im Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Juni 1975 (aaO) geschehen ist. Das trifft auch für die Rechtsauffassung zu, daß die vereinsrechtlichen Rechte und Pflichten, aufgrund deren die Mitglieder für den weiteren Beteiligten tätig sind, nicht z u g l e i c h arbeitsvertragliche Rechte und Pflichten sein können. Besteht damit wie bei den Mitgliedern des weiteren Beteiligten nur eine mitgliedschaftliche Bindung zum weiteren Beteiligten, kann daraus das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit gleichen Rechten und Pflichten zum weiteren Beteiligten nicht hergeleitet werden.
4. a) Soweit die Rechtsbeschwerde bezweifelt, ob der Abschluß des Gestellungsvertrags mit der Stadt E zu den satzungsgemäßen Aufgaben des weiteren Beteiligten gehört, kann es hier nicht darauf ankommen, weil daraus jedenfalls nicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses geschlossen werden kann, sondern sich daraus allenfalls verbandsrechtliche Folgerungen ergeben konnten.
b) Auch mit dem Hinweis, die Mitglieder des weiteren Beteiligten müßten "zumindest de facto" als Arbeitnehmerinnen ihres Vereins angesehen werden, kann das Bestehen von Arbeitsverhältnissen nicht begründet werden. Gegen die Wirksamkeit der Mitgliedschaftsverhältnisse bestehen auch nach Auffassung der Rechtsbeschwerde keine Bedenken. Dann kann aber schon deshalb eine "de facto" Behandlung als ein anderes Rechtsverhältnis nicht in Frage kommen.
c) Schließlich kann entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht aus der Tätigkeit der Mitglieder des weiteren Beteiligten im Klinikum der Stadt E auf das mit dem weiteren Beteiligten bestehende Rechtsverhältnis geschlossen werden, weil dies gerade die Erfüllungshandlungen sind, die von den Schwestern aufgrund ihrer Mitgliedschaftsverhältnisse erbracht werden müssen.
III. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist unbegründet, weil es dafür am Rechtsschutzbedürfnis mangelt. Der Antragsgegner ist durch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht beschwert.
Der Inhalt der von ihm angefochtenen Entscheidung ist für den Antragsgegner nicht sachlich nachteilig. Verfahrensgegenstand der Anfechtung der Betriebsratswahl bei der weiteren Beteiligten ist das wirksame Bestehen des Antragsgegners. Dies ist auch Inhalt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts. Das vom Antragsgegner nunmehr verfolgte Verfahrensziel der Feststellung der Unwirksamkeit der Wahl zum Betriebsrat kann der Antragsgegner selbst durch eigene Handlungen erreichen, etwa indem er zurücktritt. Soweit der Antragsgegner mit seinem Antrag festgestellt wissen will, daß auch die Mitglieder des weiteren Beteiligten wahlberechtigt sind, ist dies ein Verfahrensziel, das in einem anderen Beschlußverfahren durchgesetzt werden müßte (etwa durch ein Beschlußverfahren nach § 5 BetrVG).
Daran ändert nichts, daß das Landesarbeitsgericht in der Rechtsmittelbelehrung ausgeführt hat, daß gegen den Beschluß "von der Antragstellerin und d e m A n t r a g s g e g n e r Rechtsbeschwerde eingelegt werden" kann. Abgesehen davon, daß es nach § 9 ArbGG eines Hinweises darauf, welche Partei oder welcher Beteiligte ein Rechtsmittel einlegen kann, nicht bedarf, kann ein gleichwohl erteilter, unzutreffender Hinweis ein Rechtsmittel für eine Partei, die durch eine Entscheidung nicht beschwert ist, nicht eröffnen.
Dr. Röhsler Dr. Jobs Dr. Leinemann
Mayer Dr. Gehrunger
Fundstellen
Haufe-Index 440566 |
NJW 1986, 2906 |
BR/Meuer RVO § 165, 20-02-86, 6 ABR 5/85 (LT) |
RdA 1986, 334 |
USK, 8690 (LT1) |
AP § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz (LT1), Nr 2 |
AR-Blattei, Arbeitnehmer Entsch 28 (LT) |
AR-Blattei, ES 110 Nr 28 (LT) |
EzAÜG, BetrVG Nr 13 (LT1) |
EzAÜG, Nr 196 (LT1) |
EzA § 5 BetrVG 1972, Nr 45 (LT) |