Entscheidungsstichwort (Thema)
Greifbare Gesetzwidrigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Eine außerordentliche sofortige Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung bleibt auf wirkliche Ausnahmefälle krassen Unrechts beschränkt.
2. Verfassungsverstöße sind mit der vom Gesetzgeber dafür vorgesehenen Verfassungsbeschwerde geltend zu machen. Ein nach der Zivilprozeßordnung unstatthaftes Rechtsmittel wird nicht dadurch statthaft, daß es auf einen Verfassungsverstoß, also z. B. die Behauptung der Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützt wird (im Anschluß an BGH Beschluß vom 14. Dezember 1989 - IX ZB 40/89 -).
Normenkette
ArbGG § 49 Abs. 3, § 44 Abs. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Köln (Zwischenurteil vom 13.01.1998; Aktenzeichen 7 Sa 1356/96) |
ArbG Bonn (Urteil vom 11.09.1996; Aktenzeichen 4 Ca 993/96) |
Tenor
Die außerordentliche Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. Januar 1998 - 7 Sa 1356/96 - wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Streitwert: 5.800,00 DM
Gründe
Der Kläger hat sich mit der Klage gegen eine außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 27. März 1996 und dessen ordentliche Kündigung vom 4. April 1996 gewandt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat zunächst einen Beweisbeschluß erlassen. In der darauffolgenden mündlichen Verhandlung erklärte der Vorsitzende, es sei eine neue Sachlage eingetreten, die Kammer habe die Sache noch einmal beraten und sei zu dem Ergebnis gekommen, der Vortrag der Beklagten reiche weder für eine fristlose noch für eine fristgerechte Kündigung aus. Es sei daher beabsichtigt, den Beweisbeschluß aufzuheben und in der Sache zu entscheiden. Daraufhin lehnte der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab. In einem am Tag nach dem Termin beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz wurde das Ablehnungsgesuch begründet und wurden auch die an der Sitzung beteiligten ehrenamtlichen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zu der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden vom 2. Dezember 1997 nahm der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten am 19. Dezember 1997 Stellung. Am 13. Januar 1998 wies das Landesarbeitsgericht durch die stellvertretende Kammervorsitzende und zwei an der vorhergehenden Sitzung nicht beteiligte ehrenamtliche Richter das Ablehnungsgesuch des Beklagten zurück. Mit seiner außerordentlichen Beschwerde vom 13. Februar 1998, beim Bundesarbeitsgericht eingegangen am 3. März 1998 begehrt der Beklagte, diesen Beschluß aufzuheben und seinem Ablehnungsgesuch stattzugeben.
Die außerordentliche Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 49 Abs. 3 ArbGG findet gegen den Beschluß, mit dem über die Ablehnung von Gerichtspersonen entschieden worden ist, kein Rechtsmittel statt. Darüber hinaus findet gegen Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts, abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen, nach § 70 ArbGG ohnehin kein Rechtsmittel statt.
Eine außerordentliche sofortige Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung bleibt auf wirkliche Ausnahmefälle krassen Unrechts beschränkt (BGH Beschluß vom 14. Dezember 1989 - IX ZB 40/89 - NJW 1990, 1794, 1795). Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn die Entscheidung mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder rechtlichen Grundlage entbehrt und dem Gesetz inhaltlich fremd ist (BGHZ 109, 41, 43 f.; BGH Beschluß vom 4. März 1993 - V ZB 5/93 - NJW 1993, 1865). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (BGHZ 119, 372, 376 f.). Es reicht nicht aus, wenn sich die angefochtene Entscheidung lediglich als rechtsfehlerhaft erweist. Auch die Nichtbeachtung wesentlicher Verfahrensvorschriften allein rechtfertigt noch nicht die außerordentliche Anfechtung solcher Entscheidungen, die nach der gesetzlichen Regelung keinem Rechtsmittel unterliegen (BGHZ 109, 41, 44).
Auch mit einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG läßt sich die Statthaftigkeit eines im Gesetz nicht vorgesehenen Rechtsmittels nicht begründen (BVerfGE 60, 96, 98; vgl. auch BVerfG Beschluß vom 4. August 1995 - 1 BvR 606/94 und 2217/94 - NJW 1996, 245). Verfassungsverstöße sind mit der vom Gesetzgeber dafür vorgesehenen Verfassungsgbeschwerde geltend zu machen. Ein nach der Zivilprozeßordnung unstatthaftes Rechtsmittel wird nicht dadurch statthaft, daß es auf einen Verfassungsverstoß, also z.B. die Behauptung der Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützt wird (BGH Beschluß vom 14. Dezember 1989 - IX ZB 40/89 - NJW 1990, 1794, 1795, m.w.N.).
Der angefochtene Beschluß beruht nicht auf einem greifbaren Gesetzesverstoß.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der abgelehnte Kammervorsitzende habe Art. 103 Abs. 1 GG, 139 Abs. 1 und § 278 Abs. 3 ZPO verletzt, indem er keine ausreichende Gelegenheit gewährt habe, zu der geänderten Kammerauffassung Stellung zu nehmen, vermag dies keine greifbare Gesetzwidrigkeit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch darzulegen. Die Kammer des Landesarbeitsgerichts hat in der Besetzung, in der sie das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen hat, entsprechend dem Gesetz über die vom Beschwerdeführer dargelegten Ablehnungsgründe entschieden. Selbst wenn diese Entscheidung rechtsfehlerhaft wäre, würde dies noch nicht entgegen dem gesetzlichen Ausschluß der Beschwerdemöglichkeit in §§ 49 Abs. 3, 70 ArbGG eine außerordentliche Beschwerde rechtfertigen.
Abgesehen davon ist auch eine Verletzung der §§ 139 Abs. 1, 278 Abs. 3 ZPO durch das Landesarbeitsgericht in seiner ursprünglichen Besetzung nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer geht selbst davon aus, daß ein Gericht verfahrensrechtlich nicht gehindert ist, von der Durchführung einer bereits durch Beweisbeschluß angeordneten Beweisaufnahme abzusehen, wenn es bei erneuter Überprüfung zu dem Ergebnis gelangt, daß der unter Beweis gestellte Sachvortrag der beweisbelasteten Partei nicht hinreichend substantiiert ist. Auf den entsprechenden Hinweis des Kammervorsitzenden hin hätte der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung seinen Prozeßvortrag entsprechend ergänzen können. Daß ihm dies verwehrt worden wäre, ist nicht schlüssig vorgetragen.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, das Landesarbeitsgericht habe Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, indem es ihm die dienstliche Äußerung der abgelehnten ehrenamtlichen Richter nicht zur Stellungnahme zugeleitet habe, ergibt sich bereits aus dem oben Gesagten, daß sich hiermit die Statthaftigkeit der im Gesetz nicht vorgesehenen sofortigen Beschwerde gegen den Ablehnungsbeschluß nicht begründen läßt. Abgesehen davon lag auch die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht vor. Eine dienstliche Äußerung der abgelehnten ehrenamtlichen Richter ist ausweislich der Akte nicht eingeholt worden und konnte dem Prozeßbevollmächtigten des Beschwerdeführers deshalb auch nicht zur Stellungnahme vorgelegt werden.
Wenn das Landesarbeitsgericht möglicherweise gegen § 44 Abs. 3 ZPO verstoßen hat, indem es davon absah, eine dienstliche Äußerung der abgelehnten ehrenamtlichen Richter einzuholen, so handelt es sich hierbei lediglich um eine fehlerhafte Anwendung der betreffenden zivilprozessualen Vorschrift, nicht um eine greifbare Gesetzwidrigkeit in dem oben dargelegten Sinn. Es ist darüber hinaus auch äußerst fraglich, ob das Landesarbeitsgericht nicht mit Rücksicht auf die Begründung des Ablehnungsgesuchs gegen die ehrenamtlichen Richter von der Einholung einer dienstlichen Äußerung dieser Richter absehen durfte. Die Begründung des Ablehnungsgesuchs setzt sich sowohl in dem Schriftsatz vom 19. November 1997 als auch im Schriftsatz vom 18. Dezember 1997 über mehrere Seiten damit auseinander, weshalb bei "dem abgelehnten Richter", also dem Vorsitzenden die Besorgnis der Befangenheit begründet sei. Die Ablehnung auch der ehrenamtlichen Richter wird im letzten Satz des Schriftsatzes vom 19. November 1997 nachgeschoben und nur damit begründet, aus "all den genannten Gründen" bestehe auch bei diesen die Besorgnis der Befangenheit. Wozu sich die ehrenamtlichen Richter dienstlich hätten äußern sollen, ist damit schon nicht schlüssig dargelegt. Wenn in der anwaltlichen Versicherung des Prozeßbevollmächtigten darüber hinaus nur darauf hingewiesen wird, einer der ehrenamtlichen Richter (welcher?) habe durch nonverbales Verhalten signalisiert, daß er nicht hinter den Erklärungen des Vorsitzenden stehe, spricht dies eher für seine Unparteilichkeit und vermag keine Besorgnis der Befangenheit darzulegen.
Schließlich war der gerügte Verstoß, das Nichtvorliegen einer dienstlichen Äußerung der ehrenamtlichen Richter, dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten bei der Beschlußfassung über das Ablehnungsgesuch schon länger als einen Monat bekannt. Damit scheitert die Statthaftigkeit einer im Gesetz nicht vorgesehenen Beschwerde weiter daran, daß der Beschwerdeführer ausreichend Zeit hatte, auf das Fehlen der dienstlichen Äußerung der ehrenamtlichen Richter hinzuweisen und damit einen möglichen Verstoß gegen § 44 Abs. 3 ZPO im ordnungsgemäßen Verfahrensgang zu beseitigen.
Es kommt damit nicht mehr darauf an, ob die außerordentliche Beschwerde, die im Gesetz für den Fall ihrer Zulassung als sofortige Beschwerde ausgestaltet ist (§ 46 Abs. 2 ZPO), überhaupt rechtzeitig eingelegt worden ist. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Etzel Bröhl Fischermeier
Fundstellen
BAGE, 259 |
BB 1998, 1488 |
DB 1998, 1672 |
NJW-RR 1998, 1528 |
FA 1998, 255 |
JR 1998, 484 |
NZA 1998, 1357 |
ZTR 1998, 474 |
AP, 0 |
MDR 1998, 983 |
SGb 1998, 656 |
www.judicialis.de 1998 |