Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats bei Neueingruppierung nach Änderung der tariflichen Gehaltsgruppenordnung. Einführung eines Bewährungsaufstiegs
Normenkette
BetrVG § 99; BAT Anlage 1 a
Verfahrensgang
LAG Köln (Beschluss vom 25.02.1993; Aktenzeichen 2 TaBV 89/92) |
ArbG Köln (Beschluss vom 22.05.1992; Aktenzeichen 5 BV 82/92) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 25. Februar 1993 – 2 TaBV 89/92 – aufgehoben.
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 22. Mai 1992 – 5 BV 82/92 – abgeändert:
Dem Arbeitgeber wird aufgegeben, die Zustimmung des Betriebsrats zu der Eingruppierung des Angestellten Peter M in die Fallgruppe 21 Vergütungsgruppe IV b BAT einzuholen und im Falle der Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Arbeitgeber eine mitbestimmungspflichtige Neueingruppierung vorgenommen hat.
Bei dem Arbeitgeber handelt es sich um eine in der Rechtsform des eingetragenen Vereins betriebene Forschungseinrichtung für Luft- und Raumfahrt. Antragsteller ist der im Forschungszentrum K des Arbeitgebers gewählte Betriebsrat.
Der Arbeitgeber wendet aufgrund eines Haustarifvertrages die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge an, darunter auch den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT). Mit Wirkung vom 1. Januar 1991 wurde die Vergütungsordnung gem. Anlage 1 a zum BAT geändert. So wurde u.a. aus der Fallgruppe 21 Vergütungsgruppe IV b BAT erstmals ein Bewährungsaufstieg möglich, und zwar gem. Fallgruppe 10 c Vergütungsgruppe IV a BAT nach achtjähriger Bewährung in einer Tätigkeit der Fallgruppe 21 Vergütungsgruppe IV b BAT.
Der Arbeitgeber beschäftigt seit 1979 den Angestellten Mecke. Dieser wurde bei seiner Einstellung mit Zustimmung des Betriebsrats in Fallgruppe 21 Vergütungsgruppe IV b BAT eingruppiert; aus dieser Vergütungsgruppe wird er noch heute bezahlt.
Unter dem 22. Juli 1991 stellte der Arbeitgeber in einer „Vorläufigen Überprüfung aufgrund der Änderung des Teils I der Anlage 1 a zum BAT (Techn. Angestellte mit techn. Ausbildung nach Nr. 2)” fest, daß die erforderliche Bewährungszeit für eine Höhergruppierung nach Fallgruppe 10 c Vergütungsgruppe IV a BAT am 1. Januar 1987 erfüllt sei. Es heißt weiter:
„Demnach Eingruppierung ab 1.1.91 (frühestens 01.01.1991) in Verg.Gr. IV a Fg 10 c des Teils I der Anlage 1a zum BAT.”
Mit einem an M gerichteten Schreiben vom 5. August 1991 teilte der Arbeitgeber diesem allerdings mit, eine Höhergruppierung komme mangels Bewährung noch nicht in Betracht. Im einzelnen heißt es:
„…
Ein Fehlverhalten des Angestellten hat zur Folge, daß die bisher abgeleistete Bewährungszeit verloren geht. Die Bewährungszeit beginnt erneut von dem Zeitpunkt an zu laufen, von dem an der Angestellte sich den auftretenden Anforderungen wieder gewachsen gezeigt hat… In den Monaten August bis Anfang Oktober 1988 verschuldeten Sie zwei Arbeitsverstöße, die zu einer Abmahnung führten. Dieses damalige Fehlverhalten hat nach den obigen Ausführungen zur Folge, daß Ihre Bewährungszeit mit der 41. Kalenderwoche 1988 neu zu laufen begann und daher frühestens im Oktober 1996 erfüllt ist.”
Nachdem der Betriebsrat mit Schreiben vom 16. September 1991 gegen diese Entscheidung vorstellig geworden war, bekräftigte der Arbeitgeber seine Ablehnung mit Schreiben vom 25. September 1991. Er blieb auch nach erneutem Widerspruch des Betriebsrats bei dieser Auffassung und führte im Schreiben vom 30. Oktober 1991 u.a. aus, einer Einschaltung des Betriebsrats habe es nicht bedurft, da die Versagung eines Bewährungsaufstiegs dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht unterliege.
Mit seinem Antrag hat der Betriebsrat begehrt, dem Arbeitgeber die Durchführung eines Eingruppierungsverfahrens nach § 99 BetrVG aufzugeben. Er hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber müsse aufgrund der Neufassung der maßgeblichen Vergütungsordnung eine neue Eingruppierungsentscheidung treffen. Es sei zu prüfen, ob M in der bisherigen Fallgruppe 21 Vergütungsgruppe IV b BAT verbleibe oder in Fallgruppe 10 c Vergütungsgruppe IV a BAT neu einzugruppieren sei. Insoweit sei der Sachverhalt nicht vergleichbar mit einem bloßen Ablaufen der Bewährungszeit bei unverändertem Inhalt der Fall- bzw. Vergütungsgruppen. Es gehe nicht um die Geltendmachung eines dem Betriebsrat nach der Rechtsprechung nicht zustehenden Initiativrechts bei unveränderter Eingruppierungssachlage.
Der Arbeitgeber habe tatsächlich auch bereits eine neue Eingruppierungsentscheidung getroffen, indem er die Höhergruppierung des Arbeitnehmers M abgelehnt habe. Es komme dabei nicht auf das Ergebnis dieser Entscheidung an – Höhergruppierung oder Verbleib in der bisherigen Vergütungsgruppe –, sondern darauf, daß der Arbeitgeber überhaupt eine neue Bewertung vorgenommen habe. Bei dieser sei der Betriebsrat aber zu beteiligen.
Das Mitbestimmungsrecht werde auch nicht davon berührt, daß es dem Arbeitnehmer M unbenommen sei, im Individualverfahren seinen Anspruch auf Vergütung aus der höheren Vergütungsgruppe zu verfolgen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
dem Arbeitgeber aufzugeben, wegen der Eingruppierung des Mitarbeiters Peter M in die Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 21 das Verfahren gemäß § 99 BetrVG einzuleiten und im Falle der Zustimmungsverweigerung durch den Antragsteller das Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, eine mitbestimmungspflichtige Eingruppierung liege nicht vor. M sei unverändert eingruppiert in Fallgruppe 21 Vergütungsgruppe IV b BAT. Diese habe sich nicht geändert. M sei auch nicht versetzt worden. Damit liege kein Sachverhalt vor, der eine mitbestimmungspflichtige Neueingruppierung erforderlich mache.
Im übrigen gehöre der Bewährungsaufstieg in keinem Fall zum mitbestimmungspflichtigen Bereich. Der einzelne Arbeitnehmer müsse vielmehr seine Rechte selbst geltend machen, wenn er der Auffassung sei, er habe sich bewährt.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. In der nach Änderung der maßgeblichen tariflichen Gehaltsgruppenordnung getroffenen Entscheidung des Arbeitgebers, den Angestellten M trotz Vorliegens der objektiven zeitlichen Voraussetzungen wegen nicht erfüllter Bewährung weiterhin in der Vergütungsgruppe IV b BAT zu belassen, liegt eine nach § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtige neue Eingruppierungsentscheidung, bei der der Betriebsrat zu beteiligen ist.
I. Der vom Betriebsrat gestellte Antrag ist ein solcher nach § 101 BetrVG.
Nach § 101 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat, wenn der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme im Sinne des § 99 BetrVG ohne seine Zustimmung durchführt, beim Arbeitsgericht beantragen, diese Maßnahme aufzuheben. Da die Eingruppierung oder Umgruppierung keine tatsächliche, nach außen wirkende Maßnahme ist, sondern ein Akt der Rechtsanwendung bzw. der Kundgabe des bei dieser Rechtsanwendung gefundenen Ergebnisses, kann sie allerdings nicht „aufgehoben” werden. § 101 BetrVG ist aber seinem Sinn und Zweck entsprechend so auszulegen, daß sein Ziel auch bei Eingruppierungen erreicht wird. Das Verfahren nach § 101 BetrVG dient der Sicherung des Mitbestimmungsrechts bei personellen Einzelmaßnahmen. Diese Sicherung kann bei Eingruppierungen nur dadurch geschehen, daß der Arbeitgeber, sofern er die vorgenommene Eingruppierung weiterhin für richtig ansieht und an ihr festhält, vom Gericht angehalten wird, die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen bzw. – falls der Betriebsrat diese nicht erteilt – das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen (ständige Senatsrechtsprechung seit den Senatsbeschlüssen vom 22. März 1983 – BAGE 42, 121 = AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972 m. Anm. v. Löwisch und vom 31. Mai 1983 – BAGE 43, 35 = AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972 m. Anm. v. Misera).
II. Der Antrag des Betriebsrats ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen begründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat unter Berufung insbesondere auf den Senatsbeschluß vom 18. Juni 1991 (1 ABR 53/90 – EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 100) angenommen, für den beteiligten Arbeitgeber bestehe keine betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung, eine erneute Eingruppierungsentscheidung zu treffen. Die Merkmale der Tarifgruppe, in die der Mitarbeiter Peter M seit seiner Einstellung mit Zustimmung des Betriebsrats eingruppiert gewesen sei, seien unverändert geblieben. Es liege auch keine der Fallgestaltungen vor, in denen die Rechtsprechung dem Betriebsrat ausnahmsweise ein Initiativrecht auf Durchführung eines neuen Eingruppierungsverfahrens zugestanden habe.
2. Dem vermag der Senat nicht beizupflichten. Ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand liegt schon deshalb vor, weil der Arbeitgeber nach Änderung der Gehaltsgruppenordnung eine erneute Eingruppierungsentscheidung treffen mußte und diese tatsächlich auch getroffen hat.
a) Zutreffend ist, daß der Betriebsrat grundsätzlich kein Initiativrecht hat, bei unveränderter Sachlage die Richtigkeit einer mit seiner Zustimmung erfolgten Eingruppierung zu überprüfen, indem er vom Arbeitgeber eine erneute Eingruppierungsentscheidung nach Maßgabe des § 99 BetrVG verlangt (Senatsbeschluß vom 18. Juni 1991, aaO). Der Betriebsrat ist in diesen Fällen, in denen er eine mit seiner Zustimmung erfolgte Eingruppierung als nicht mehr richtig ansieht, darauf beschränkt, über seine allgemeine Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG beim Arbeitgeber die Einhaltung der seiner Ansicht nach nicht mehr richtig angewendeten Gehaltsoder Lohngruppenordnung anzumahnen.
Der Senat hat im Beschluß vom 18. Juni 1991 (aaO) eine Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Entscheidung über die Eingruppierung eines Arbeitnehmers in eine anzuwendende Vergütungsgruppenordnung zu treffen, nur angenommen, wenn er anläßlich der Einstellung oder Versetzung des Arbeitnehmers diesem erstmals eine Tätigkeit oder eine andere Tätigkeit zuweist oder wenn sich die anzuwendende Vergütungsgruppenordnung ändert. Der Senat hat zugleich auch bestätigt, daß dann, wenn der Arbeitgeber von sich aus eine neue Eingruppierungsentscheidung trifft – etwa weil er eine unzutreffende Eingruppierung korrigieren will –, an dieser der Betriebsrat zu beteiligen ist (Senatsbeschluß vom 18. Juni 1991, aaO, zu B II 2 e der Gründe).
b) Hiervon ausgehend ist ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand gegeben. In dem Begehren des Betriebsrats liegt nicht die Geltendmachung eines ihm nicht zustehenden Initiativrechts.
aa) Ein erneutes Beteiligungsrecht ist schon abzuleiten aus der Änderung der maßgeblichen Gehaltsgruppenordnung. Nach der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung der Anlage 1 a zum BAT gab es keine Möglichkeit des sog. Bewährungsaufstiegs aus Fallgruppe 21 Vergütungsgruppe IV b BAT, in welche der Angestellte M mit Zustimmung des Betriebsrats eingruppiert war. Durch den Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT vom 24. April 1991 – gültig ab 1. Januar 1991 – wurde ein solcher Bewährungsaufstieg eröffnet. Nach der neugeschaffenen Fallgruppe 10 c Vergütungsgruppe IV a BAT ist der Angestellte nach achtjähriger Bewährung in Fallgruppe 21 Vergütungsgruppe IV b BAT nunmehr eingruppiert in die Vergütungsgruppe IV a BAT.
Damit war schon aufgrund einer Änderung der anzuwendenden Gehaltsgruppenordnung eine neue Eingruppierungsentscheidung erforderlich, worauf die Rechtsbeschwerde zu Recht hinweist. Zwar ist Fallgruppe 21 Vergütungsgruppe IV b BAT unverändert geblieben. Dies allein kann aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht entscheidend sein. Fallgruppe 10 c Vergütungsgruppe IV a BAT und Fallgruppe 21 Vergütungsgruppe IV b BAT bauen unmittelbar aufeinander auf und sind untereinander verknüpft. Der Arbeitgeber hatte unter Berücksichtigung der Übergangsregelung gem. § 5 ÄnderungsTV vom 24. April 1991 – betr. die Anrechnung von Beschäftigungszeiten vor dem 1. Januar 1991 für den Bewährungsaufstieg – zu prüfen, ob der Angestellte M noch in Fallgruppe 21 Vergütungsgruppe IV b BAT oder schon in Fallgruppe 10 c Vergütungsgruppe IV a BAT eingruppiert war. Insoweit war eine neue Eingruppierungsentscheidung wegen Veränderung der tariflichen Gegebenheiten erforderlich.
bb) Der Arbeitgeber hat diese neue Eingruppierungsentscheidung tatsächlich auch getroffen. Er ist in einer „Vorläufigen Überprüfung aufgrund der Änderung des Teils I der Anlage 1 a zum BAT (Techn. Angestellte mit techn. Ausbildung nach Nr. 2)” zu dem Ergebnis gekommen, daß die erforderliche Bewährungszeit für den Angestellten M am 1. Januar 1987 erfüllt war und daher eine Eingruppierung in Fallgruppe 10 c Vergütungsgruppe IV a BAT ab 1. Januar 1991 – unter Berücksichtigung des Inkrafttretens der Neufassung erst zu diesem Zeitpunkt – in Betracht komme. Er hat weiter dem Angestellten M mitgeteilt, die Bewährungszeit sei wegen zweimaligen Fehlverhaltens in 1988 unterbrochen worden, daher neu angelaufen und frühestens im Oktober 1996 erfüllt. Damit hat er zugleich die Feststellung getroffen, daß es bei der Eingruppierung M in Fallgruppe 21 Vergütungsgruppe IV b BAT verbleibt.
In dieser Feststellung liegt eine erneute Eingruppierungsentscheidung, an der der Betriebsrat zu beteiligen war.
cc) Dagegen spricht nicht, daß es im Ergebnis bei der Eingruppierung des Angestellten in die bisherige Vergütungsgruppe geblieben ist. Das Ergebnis der neuen Eingruppierungsentscheidung kann nicht maßgeblich sein für die Frage der Beteiligung des Betriebsrats. Dies ergibt sich schon aus Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts.
Da die Eingruppierung kein Gestaltungs-, sondern ein Beurteilungsakt ist, ist auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Eingruppierung kein Mitgestaltungsrecht, sondern lediglich ein Mitbeurteilungsrecht. Die Betriebspartner sollen gemeinsam die Frage beantworten, welcher Gehalts- oder Lohngruppe der Arbeitnehmer aufgrund der von ihm zu verrichtenden Tätigkeit zuzuordnen ist. Die Beteiligung des Betriebsrats dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen, damit aber auch der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und Transparenz der im Betrieb vorgenommenen Eingruppierungen (vgl. nur Senatsbeschluß vom 18. Juni 1991 – 1 ABR 53/90 – EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 100; Senatsbeschluß vom 9. März 1993 – 1 ABR 48/92 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Dieser Zweck der Mitbeurteilung ist aber unabhängig vom Ergebnis der Eingruppierung. Kommt der Arbeitgeber aufgrund seiner erneuten Beurteilung zu dem Ergebnis, daß die bisherige Eingruppierung richtig ist, weil der Arbeitnehmer das Tätigkeitsmerkmal der befristeten Bewährung noch nicht erfüllt, geht es in gleicher Weise um die Überprüfung der Richtigkeit dieser Wertung wie bei abweichendem Ergebnis. Eine Beteiligung des Betriebsrats immer nur dann, wenn der Arbeitgeber zu dem Ergebnis einer Höhergruppierung kommt, wird dem nicht gerecht.
dd) Die Verknüpfung der Fall- bzw. Vergütungsgruppen durch das Tätigkeitsmerkmal „Bewährung” rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Tarifvertragsparteien haben dem Kriterium der befristeten Bewährung in einer bestimmten Fallgruppe die Bedeutung eines eigenständigen Eingruppierungsmerkmals gegeben. Es erfolgt nicht einmal eine Höhergruppierung nur durch Zeitablauf, unbeschadet der Frage, ob nicht auch dann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht. Der Arbeitgeber hat vielmehr eine echte Bewertung vorzunehmen sowohl hinsichtlich der Frage der Erfüllung des Kriteriums Bewährung als auch der Berechnung des Zeitablaufs, wobei hier neben der allgemeinen Frage etwa der Anrechnung von Beschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern noch die Überleitungsregelung zu berücksichtigen ist. Wenn es aber Sinn des Mitbestimmungsrechts ist, den Betriebsrat im Interesse einer größeren Gewähr der Richtigkeit und gleichmäßigen Anwendung der Gehaltsgruppenordnung und damit einer größeren Akzeptanz zu beteiligen, müssen auch die vorstehend genannten Eingruppierungskriterien dieser Mitbeurteilung unterliegen. Es besteht durchaus ein kollektives Interesse daran, daß sowohl die Dauer der Bewährungszeit als auch der Begriff der Bewährung nach einheitlichen Kriterien bei allen Arbeitnehmern in gleicher Weise angewandt werden (vgl. zum Eingruppierungskriterium Tätigkeitsjahre Senatsbeschluß vom 3. Oktober 1989 – 1 ABR 66/88 – AP Nr. 75 zu § 99 BetrVG 1972). Gerade hierauf zu achten, ist Aufgabe des Betriebsrats im Rahmen seines Mitbestimmungsrechts.
Allein der Umstand, daß die für die Eingruppierung in die höhere Fallgruppe vorausgesetzten weiteren Tätigkeitsmerkmale deckungsgleich sind mit den Tätigkeitsmerkmalen der Ausgangsfallgruppe, es also „nur noch” um die Frage geht, ob das zusätzliche Eingruppierungsmerkmal erfüllt ist, rechtfertigt keine Zurückdrängung des Beteiligungsrechts des Betriebsrats. Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen dieses Merkmals erfüllt sind oder nicht, bleibt eine Eingruppierungsentscheidung. Hiervon zu trennen ist, ob der Betriebsrat, der der Eingruppierung in die Ausgangsfallgruppe zugestimmt hat, insoweit an diese Entscheidung gebunden ist und daher jetzt nicht mehr einwenden kann, schon die Tätigkeitsmerkmale der Ausgangsfallgruppe seien nicht erfüllt (vgl. dazu auch den zur Veröffentlichung vorgesehenen Senatsbeschluß vom 27. Juli 1993 – 1 ABR 11/93 –, zu B II 3 der Gründe). Diese Frage ist vorliegend nicht im Streit.
ee) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kann entgegen der Auffassung des Arbeitgebers nicht mit der Überlegung verneint werden, der Arbeitnehmer selbst könne im Wege des Individualverfahrens seine richtige Eingruppierung feststellen lassen, insbesondere klären lassen, ob – wie vom Arbeitgeber angenommen – die Bewährungszeit unterbrochen ist. Das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG dient vorrangig der Wahrung kollektiver Interessen. Der Betriebsrat hat ein eigenes Interesse an der Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer gemäß der im Betrieb angewendeten Gehaltsgruppenordnung. Um diese Interessen geht es ihm im Rahmen der Beteiligung gem. § 99 BetrVG. Das Individualinteresse des einzelnen Arbeitnehmers ist nur tatsächlich berührt. Beide Ebenen sind zu trennen. Wie einerseits die Einigung über die richtige Eingruppierung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. auch das Ergebnis des Zustimmungsersetzungsverfahrens den Arbeitnehmer nicht bindet, eine seinerseits für richtig gehaltene höhere Eingruppierung zu verfolgen, deckt das Individualverfahren andererseits nicht das kollektive Interesse des Betriebsrats an der gleichmäßigen Anwendung der Gehaltsgruppenordnung für alle Arbeitnehmer ab.
Der Hinweis auf die Möglichkeit des Arbeitnehmers M, seine Höhergruppierung selbst verfolgen zu können, ist also nicht erheblich für die Entscheidung der Frage, ob der Betriebsrat gem. § 99 BetrVG zu beteiligen ist.
c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegt in dem Begehren des Betriebsrats also nicht die unzulässige Geltendmachung eines ihm nicht zustehenden Initiativrechts auf Durchführung einer erneuten Eingruppierungsentscheidung bei unveränderten Verhältnissen. Die Verhältnisse haben sich schon deshalb geändert, weil der Tarifvertrag vom 24. April 1991 eine bisher nicht bestehende Eingruppierungsmöglichkeit für die in Fallgruppe 21 Vergütungsgruppe IV b BAT eingruppierten Angestellten geschaffen hat. Damit war eine Neueingruppierung erforderlich. Diese wurde vom Arbeitgeber auch tatsächlich vorgenommen, indem er nach Würdigung der Umstände zu dem Ergebnis kam, daß der Angestellte M trotz Änderung der tariflichen Gehaltsgruppenordnung in der bisherigen Vergütungsgruppe verblieb. Die Mitbeurteilung der Richtigkeit dieser Wertung ist eigentlicher Zweck des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 99 BetrVG. Mit seinem Antrag begehrt der Betriebsrat zu Recht, an dieser Wertung beteiligt zu werden.
d) Ist das Mitbestimmungsrecht schon deshalb zu bejahen, weil angesichts der Neuordnung der Gehaltsgruppenordnung eine Neueingruppierung erforderlich war und vom Arbeitgeber auch vorgenommen worden ist, bedarf es keiner Vertiefung der Frage, wie bei von vornherein tariflich vorgesehenem Bewährungsaufstieg zu verfahren ist.
Nach Auffassung des Senats sprechen allerdings gute Gründe für die Annahme, daß die Entscheidung des Arbeitgebers über die Frage, ob der Arbeitnehmer nach Ablauf des für die Bewährungszeit maßgeblichen Mindestzeitraums die Voraussetzungen für den Bewährungsaufstieg erfüllt, in jedem Fall eine neue Eingruppierungsentscheidung beinhaltet, an der der Betriebsrat nach Maßgabe des § 99 BetrVG zu beteiligen ist (ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats für den Fall der Höhergruppierung bei Bejahung der Voraussetzungen nehmen an Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand August 1993, § 23 a Rz 50; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Juni 1993, § 22 Anm. 14; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, Stand Juni 1993, § 75 Rz 39; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/ Widmaier, BPersVG, 7. Aufl., § 75 Rz 13; ein Mitbestimmungsrecht wird allerdings teilweise verneint bei „Aberkennung der Bewährung” bzw. bei der Feststellung, ob der Angestellte sich bewährt hat – so Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, aaO; Böhm/Spiertz/ Sponer/Steinherr, aaO, § 22 Rz 101; ob die Unterlassung der Höhergruppierung nach Ablauf der Bewährungszeit der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, ist offengelassen in BVerwGE 35, 44, 48). In Frage steht nach wie vor die richtige Anwendung des tariflichen Eingruppierungsmerkmals Bewährung. Diese Wertung war gerade noch nicht Gegenstand der mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgten Entscheidung betreffend die Eingruppierung des Arbeitnehmers in die Ausgangsfallgruppe. Es geht also nicht um die Korrektur einer Entscheidung bei unveränderten tatsächlichen oder tariflichen Verhältnissen.
Die Verpflichtung zur Überprüfung der Eingruppierung durch den Arbeitgeber – also letztlich zur Vornahme einer neuen Eingruppierungsentscheidung – ergibt sich hier vielmehr aus der Gehaltsgruppenordnung selbst, indem diese eine Höhergruppierung gerade nicht von einer Änderung der Tätigkeit, sondern von einem zeitbestimmten Kriterium abhängig macht. Es spricht vieles dafür, daß bei einer derartigen tariflichen Gehaltsgruppenregelung aber zugleich eine betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung begründet wird, aus der der Betriebsrat eine erneute Eingruppierungsentscheidung verlangen kann (s. dazu auch Senatsbeschluß vom 18. Juni 1991 – 1 ABR 53/90 – EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 100, zu B II 3 der Gründe).
III. Die angefochtene Entscheidung hält nach allem der rechtlichen Überprüfung nicht stand und ist daher aufzuheben. Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht bedarf es nicht. Es geht nicht um die Frage, ob der Arbeitgeber zu Recht angenommen hat, der Angestellte M habe die Bewährungszeit noch nicht erfüllt. Streitpunkt ist vielmehr allein die Frage, ob der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung, den Arbeitnehmer M auch nach Änderung der Vergütungsgruppenordnung weiterhin in Vergütungsgruppe IV b BAT zu belassen, den Betriebsrat nach Maßgabe des § 99 BetrVG zu beteiligen hat. Dies ist aufgrund der feststehenden Tatsachen aber zu bejahen.
Unterschriften
Dr. Weller, Schliemann, Dr. Rost, Weinmann, Rose
Fundstellen