Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründeter Wiedereinsetzungsantrag
Orientierungssatz
Fehlt es an jedem Anhaltspunkt für einen Verlust der Postsendung, mit der die Klägervertreter fristgerecht Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist haben beantragen wollen, sowohl im Bereich der Bundespost als auch des Bundesarbeitsgerichts, dann ist es Sache des Klägers substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen, daß der Antrag von seinen Prozeßbevollmächtigten ordnungs- und fristgemäß bearbeitet, im Bürobetrieb der Klägervertreter ordnungsgemäß abgewickelt und zur Post gegeben worden ist.
Normenkette
ZPO §§ 236, 294, 233-234; BGB § 2039; ZPO §§ 554a, 85 Abs. 2; ArbGG § 74 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.05.1987; Aktenzeichen 15 Sa 1006/86) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 16.04.1986; Aktenzeichen 5 Ca 4560/85) |
Gründe
Der Erblasser R F stand als Kundenbetreuer in einem Angestelltenverhältnis zu der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe Anwendung. Der Erblasser wurde nach Abschnitt III dieses Tarifvertrages vergütet. Unter Berufung darauf, daß ihm Vergütung nach Abschnitt II des Tarifvertrages zustehe, hat er die Beklagte auf Zahlung des Differenzbetrages in Höhe von 27.673,04 DM nebst Zinsen nach näherer Maßgabe in Anspruch genommen. Nach dem Tode des Erblassers (18. Februar 1986) haben dessen Erben, die früheren Kläger zu 1 - 4, diese Forderung als Nachlaßforderung weiterverfolgt. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der klagenden Erben zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
Gegen das am 8. Juli 1987 zugestellte berufungsgerichtliche Urteil legten die Prozeßbevollmächtigten des früheren Mitklägers, Miterben und nunmehrigen alleinigen Klägers mit einem am 10. August 1987 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Revision ein. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Nachlaßforderung für die Erbengemeinschaft gemäß § 2039 BGB weiter. Binnen der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ist ein Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist beim Bundesarbeitsgericht nicht eingegangen. Mit am 15. September 1987 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz beantragten die Klägervertreter unter Bezugnahme auf eine in dem Schriftsatz enthaltene anwaltliche eidesstattliche Versicherung hinsichtlich der Wahrung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit am 24. September 1987 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz stellten sie Revisionsanträge und begründeten sie das Rechtsmittel. Der Schriftsatz enthält auch ergänzende Ausführungen zu dem Wiedereinsetzungsantrag.
Der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers ist zulässig (§ 233, § 234, § 236 ZPO), jedoch nicht begründet. Vielmehr hat der Senat angesichts der bestehenden Prozeßlage davon auszugehen, daß die Klägervertreter, deren Verschulden insoweit gemäß § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden der Partei gleichsteht, es schuldhaft versäumt haben, rechtzeitig und in gesetzesgemäßer Weise Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist beim Bundesarbeitsgericht zu beantragen.
Auszugehen ist davon, daß binnen der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ein Antrag der Klägervertreter auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist nicht eingegangen ist. Auch zu einem späteren Zeitpunkt ist ein derartiger Antrag beim Bundesarbeitsgericht nicht eingegangen. Es ist also offensichtlich auch keine Verzögerung im Postlauf eingetreten. Dafür, daß der entsprechende Schriftsatz bei der Bundespost verlorengegangen sein könnte, bietet das entsprechende Vorbringen des Klägers keinen Anhaltspunkt. Zwar treten nach allgemeiner gerichtlicher Erfahrung nicht selten Verzögerungen im Briefdienst der Bundespost ein. Der Verlust von Briefsendungen ist demgegenüber jedoch äußerst selten. Vorliegend erscheint er um so unwahrscheinlicher, weil es sich um eine Briefsendung handeln soll, die lediglich innerhalb der Stadt Kassel hätte befördert werden müssen.
Fehlt es damit aber an jedem Anhaltspunkt für einen Verlust der Postsendung, mit der die Klägervertreter fristgerecht Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist haben beantragen wollen, sowohl im Bereiche der Bundespost als auch des Bundesarbeitsgerichts, dann wäre es Sache des Klägers gewesen, substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen, daß der Antrag von seinen Prozeßbevollmächtigten ordnungs- und fristgemäß bearbeitet, im Bürobetrieb der Klägervertreter ordnungsgemäß abgewickelt und zur Post gegeben worden ist. Zu alledem fehlt es jedoch an jeder Darlegung und jeglicher Glaubhaftmachung der entscheidenden Umstände gemäß § 294 ZPO.
Vielmehr legt der den Wiedereinsetzungsantrag stellende Prozeßbevollmächtigte des Klägers in seinem Schriftsatz vom 14. September 1987 unter Berufung auf eine eigene eidesstattliche Versicherung lediglich in ganz allgemeiner Weise in wenigen Zeilen dar, dieser Schriftsatz sei "nach Angaben der Sachbearbeiterinnen am gleichen Tag" (d.h. am 7. September 1987) "gegen 18 Uhr in Kassel zur Post gegeben worden". Auch aus dem ergänzenden Schriftsatz der Klägervertreter vom 24. September 1987 kann nicht mehr hergeleitet werden.
Damit ist für den Senat nicht erkennbar, ob der Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist rechtzeitig und ordnungsgemäß anwaltlich und im Bürobetrieb der Prozeßbevollmächtigten des Klägers bearbeitet worden ist. Insbesondere fehlt jede Angabe dazu, wann der entsprechende Schriftsatz im Büro der Klägervertreter geschrieben worden ist, wer die Sache bearbeitet hat, wer für den Postabgang verantwortlich ist, wer die entsprechende Sendung in welchen Briefkasten geworfen bzw. bei welchem Postamt eingeliefert haben und wie der behauptete Postabgang aktenkundig gemacht worden sein soll. Zwar lag dem Antrag der Klägervertreter vom 14. September 1987 ein Schriftstück bei, das als Abschrift des behaupteten Fristverlängerungsantrages bezeichnet wird. Aber auch dieses Schreiben enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, wann es büromäßig bearbeitet und zur Post gegeben worden ist. Insbesondere fehlt darauf der auch im Betrieb der Anwaltspraxen notwendige und allgemein übliche Abgangsvermerk des Bürovorstehers oder sonst für den Postausgang zuständigen Angestellten.
Damit fehlt es klägerseitig an Vorbringen und an der zur Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerfGE 38, 26, 39; BGHZ 93, 300, 306 und Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 46. Aufl., § 294 I A mit weiteren Nachweisen) dafür, daß der den Antrag auf Fristverlängerung enthaltende Schriftsatz, dessen Erstellung und Aufgabe zur Post die Klägervertreter behaupten, infolge eines Postverlustes oder eines Fehlverhaltens eines Bediensteten des Bundesarbeitsgerichts auf dessen zuständiger Geschäftsstelle niemals eingegangen ist. Es fehlt aber auch an jedem Anhaltspunkt dafür, daß der unterbliebene Eingang auf Gründe zurückgeführt werden könnte, die die Klägervertreter nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zu vertreten hätten.
Damit ist die Revision des Klägers nicht fristgemäß begründet worden und als unzulässig zu verwerfen (§ 74 ArbGG, § 554 a ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 238 Abs. 4 ZPO.
Dr. Feller Dr. Etzel Dr. Freitag
Fundstellen