Entscheidungsstichwort (Thema)
Leitende Angestellte im Ruhrbergbau
Leitsatz (redaktionell)
Auf die Wahrnehmung von Sicherungsaufgaben als Vorgesetzter im Bergbau kommt es für die Eigenschaft als leitender Angestellter iS von § 5 Abs 3 Nr 3 BetrVG nicht an (Aufgabe der Auffassung im BAG 26, 358 ff).
Normenkette
BBergG §§ 51, 58-59; BetrVG § 5 Abs. 3 Nr. 3; MitbestG § 3 Abs. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 16.12.1981; Aktenzeichen 3 TaBV 75/80) |
ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 08.08.1980; Aktenzeichen 1 BV 21/80) |
Gründe
A. Der Antragsteller ist der bei der Schachtanlage C gebildete Betriebsrat. Die Antragsgegnerin ist Betreiberin der Schachtanlage in G. Sie beschäftigt dort etwa 5.700 Arbeitnehmer. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Obersteiger L sowie der Fahrsteiger H leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG sind.
Nach dem Organisationsplan steht an der Spitze der Schachtanlage der Werksdirektor, der vom Betriebsdirektor, dem Leiter der Produktion, vertreten wird. Dem Betriebsdirektor unterstehen der Leiter des Tages- und der Leiter des Grubenbetriebes. Der Grubenbetrieb ist in fünf Abteilungen untergliedert: Westfeld, Ostfeld, Zentralabteilung, Maschinenabteilung und Elektroabteilung. Mit Ausnahme der Maschinenabteilung, die von einem Obersteiger geführt wird, werden alle übrigen Abteilungen von einem Betriebsführer geleitet.
Dem Betriebsführer Z, der die Abbauabteilung Ostfeld leitet, sind ca. 1.634 Arbeitnehmer unterstellt. Vertreter des Betriebsführers ist der Obersteiger L. Die Abbauabteilung Ostfeld ist in sieben Fahrabteilungen unterteilt, die von Fahrsteigern geleitet werden. Einer davon ist der Grubenfahrsteiger H, dem das Revier 20 mit einem Reviersteiger, acht Grubensteigern und 147 Arbeitern und das Revier 24 mit einem Reviersteiger, vier Grubensteigern und 132 Arbeitern unterstellt sind.
Der Obersteiger L ist seit 1948 im Bergbau tätig. 1951 bestand er seine Knappenprüfung. Von 1952 bis 1954 besuchte er die Bergvorschule und ab 1954 bis 1957 die Bergschule. Am 1. April 1957 wurde er zum Grubensteiger, am 1. Oktober 1958 zum Reviersteiger und am 1. Januar 1966 zum Fahrsteiger ernannt, nachdem er 1965 einen einjährigen Betriebsführerlehrgang besucht hatte. Seit dem 1. November 1976 ist er Obersteiger.
Der Grubenfahrsteiger H schloß die Schule mit der mittleren Reife ab und machte danach ebenfalls eine Bergschule mit dem Abschluß der Knappenprüfung durch. Er besuchte anschließend für ein Jahr eine Aufbauklasse, für zwei Jahre die Bergvorschule und fünf Semester lang die Bergschule. 1962 wurde er zum Grubensteiger und danach zum Reviersteiger ernannt. Nachdem er 1975 einen Betriebsführerlehrgang mitgemacht hatte, ist er seit dem 1. Oktober 1978 Grubenfahrsteiger.
Der Antragsteller hat in beiden Verfahren den Rechtsstandpunkt vertreten, daß der Obersteiger L und der Grubenfahrsteiger H keine leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sind.
Der Obersteiger L sei kein zweites "Ich" des Betriebsführers. Seien Betriebsführer und Obersteiger anwesend, entscheide der Betriebsführer. Eine volle Vertretung des Betriebsführers durch den Obersteiger L sei nicht häufig. Sie komme im Urlaub vor. Längere Krankheitszeiten habe es nicht gegeben.
Der Grubenfahrsteiger H habe keinen nennenswerten Entscheidungsspielraum. Die Aufgaben seiner Vorgesetzten übe er nur für unwesentliche Zeiträume aus. Durch Absprachen zwischen Betriebsführer und Obersteiger sei es so gut wie ausgeschlossen, daß keiner von ihnen anwesend oder nicht erreichbar sei. Die Zahl der von dem Grubenfahrsteiger H abzuschließenden nicht vorkalkulierten Gedinge sei gering.
Der Antragsteller hat beantragt festzustellen, daß die Angestellten L und H keine leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sind. Die Antragsgegnerin, der Obersteiger L und der Grubenfahrsteiger H haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen und festzustellen, daß beide leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sind.
Die Antragsgegnerin und der Obersteiger L haben vorgetragen, die Aufgaben des Betriebsführers und des ihn vertretenden Obersteigers seien gleichwertig. Als ständiger Vertreter habe der Obersteiger L die gleichen Kompetenzen wie der Betriebsführer. Auf der Schachtanlage C gebe es im Gegensatz zu anderen Schachtanlagen keine Stellenbeschreibung, sondern nur das Bestellungsschreiben nach § 74 ABG. Gleichwohl sei der Obersteiger L als ständiger Stellvertreter des Betriebsführers tätig, dessen Kompetenzen durch den Betriebsführer Z und den Obersteiger L arbeitsteilig wahrgenommen würden. Bereits aufgrund des Beschlusses des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 19. November 1974 (AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972) ergebe sich, daß der Obersteiger L leitender Angestellter sei, denn der durch diesen Beschluß als leitender Angestellter angesehene Grubenfahrsteiger sei im Fahrbereich des Betriebsführers dem Obersteiger L unterstellt. Aus dem Bestellungsschreiben ergebe sich weiterhin, daß der Kompetenzbereich des als leitender Angestellter anerkannten Grubenfahrsteigers dem des Grubenfahrsteigers H jedenfalls gleichwertig sei.
Das Arbeitsgericht hat gemäß den Anträgen des Antragstellers entschieden. Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin, des Obersteigers L sowie des Grubenfahrsteigers H hat das Landesarbeitsgericht nach Vernehmung des Betriebsdirektors Hi als Zeugen die Beschlüsse des Arbeitsgerichts abgeändert und festgestellt, daß der Obersteiger L und der Grubenfahrsteiger H leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sind.
Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Antragsgegnerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen, mit der Maßgabe, daß sie ihre in den Vorinstanzen gestellten Gegenanträge im Einverständnis mit dem Antragsteller und den übrigen Beteiligten nicht mehr stellt. Der Obersteiger L und der Grubenfahrsteiger H bitten ebenfalls um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde. Auch sie stellen den Gegenantrag nicht mehr.
B. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist zulässig.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit § 72 Abs. 2 ArbGG statthaft.
2. Der Rechtsbeschwerdeführer hat seine Rechtsbeschwerde auch form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet.
3. Der zwischen den Beteiligten bestehende Streit ist im Beschlußverfahren auszutragen, da es sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz, die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu der vom Betriebsrat vertretenen Belegschaft, handelt (§ 2 a Abs. 1 Nr. 1, § 8 ArbGG; § 5 Abs. 3 BetrVG).
4. Das Antrags- und Beteiligungsrecht des antragstellenden Betriebsrates und der Antragsgegnerin folgt unmittelbar aus ihrer Stellung als notwendig Beteiligte des Beschlußverfahrens (BAG 37, 31, 36 = AP Nr. 2 zu § 83 ArbGG 1979). Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis der Arbeitnehmer, für die vom Antragsteller die Feststellung begehrt wird, daß sie nicht leitende Angestellte i.S. von § 5 Abs. 3 BetrVG seien, ist nach der Rechtsprechung des bisher zuständigen Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts ebenfalls zu bejahen (vgl. erstmals Beschluß vom 5. März 1974, BAG 26, 36 = AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972; zuletzt Beschluß vom 13. Oktober 1981, BAG 36, 291 = AP Nr. 1 zu § 117 BetrVG 1972). Das Rechtschutzinteresse an der Antragstellung ergibt sich daraus, daß für den beteiligten Betriebsrat wie für den Arbeitgeber der personelle Kompetenzbereich des Betriebsrats geklärt werden muß.
C. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
I. Der erkennende Senat hat die von ihm auch in der vorliegenden Sache zugrundegelegten Grundsätze ausführlich im zugleich verkündeten Beschluß - 6 ABR 51/81 - zu C I der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen, dargelegt, der ebenfalls zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin ergangen ist. Darauf wird Bezug genommen.
II. Im einzelnen ergibt sich damit:
1. a) Das Landesarbeitsgericht hat dem Obersteiger L nach Zeugenvernehmung des Betriebsdirektors Hi und Anhörung der Beteiligten die Eigenschaft eines leitenden Angestellten i.S. des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG zuerkannt. Dabei ist es aufgrund der Bekundungen des Zeugen Hi davon ausgegangen, daß der Obersteiger L als ständiger Vertreter des Betriebsführers die gleichen Befugnisse wie dieser besitzt. Dem Betriebsführer Z sei die Eigenschaft eines leitenden Angestellten kraft seines maßgeblichen Einflusses auf die technische, organisatorische und personelle Führung des Unternehmens der Antragsgegnerin zuerkannt. Dies habe das erstinstanzliche Gericht zutreffend begründet, die dagegen eingelegte Beschwerde sei aufgrund von Fristversäumnissen verworfen worden. Da der Obersteiger L gleichberechtigt mit dem Betriebsführer Z für die Koordination der ihm unterstellten Fahrbereiche und damit maßgeblich für die Produktion der Schachtanlage C verantwortlich sei, sei er leitender Angestellter i.S. des Betriebsverfassungsgesetzes.
b) Dieser Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann schon im Ansatz nicht gefolgt werden. Obwohl nach dem Verwerfungsbeschluß des Landesarbeitsgerichts nunmehr rechtskräftig feststeht, daß der Betriebsführer Z leitender Angestellter i.S. des Betriebsverfassungsgesetzes ist, erweist sich die darauf fußende Überlegung des Landesarbeitsgerichts, aufgrund der gleichberechtigten Befugnisse des Betriebsführers und des Obersteigers beantwortet sich auch die Frage nach der leitenden Angestellteneigenschaft des Obersteigers von selbst, als rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht stützt seine Entscheidung auf die Zeugenaussage des Betriebsdirektors, der bekundet hat, "daß Herr L ständiger Vertreter von Herrn Z ist, d.h., daß sie gleiche Befugnisse haben und gleichberechtigt sind insoweit". Damit ist jedoch nicht geklärt, welche konkreten Befugnisse dem Obersteiger L zustehen, zumal jedenfalls nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß die Funktionen eines Betriebsführers hinsichtlich des damit verbundenen Entscheidungsspielraums den Anforderungen für die Anerkennung eines leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG genügen. Das Landesarbeitsgericht verwertet insoweit nicht vom Zeugen bekundete Tatsachen, sondern übernimmt dessen Bewertungen, ohne den Begriff ständige Vertretung anhand von Tatsachen aufzuklären. Das Landesarbeitsgericht hat weiterhin den Antrag des Antragstellers im Termin vom 16. Dezember 1981, der auf eine nähere Aufklärung der Kompetenzverteilung zwischen dem Betriebsführer und dem Obersteiger zielte, vernachlässigt. Bei entsprechenden Anträgen obliegt dem Gericht eine Ergänzung des Tatsachenstoffes von Amts wegen (§ 83 Abs. 1 ArbGG). Die Beschwerdekammer war daher verpflichtet, im Rahmen der gestellten Anträge ohne Rücksicht auf die Beweisführungslast im zivilprozessualen Sinne von sich aus weitere Erhebungen anzustellen (Beschluß des erkennenden Senats vom 21. Oktober 1980, BAG 34, 233, 237 = AP Nr. 1 zu § 54 BetrVG 1972), die erst eine Grundlage für eine freie Beweiswürdigung des Gerichts i.S. des § 286 ZPO (§ 80 Abs. 2 ArbGG) schaffen (Zöller/Stephan, ZPO, 14. Aufl. 1984, § 286 Rz 9, 12 f.).
Das Landesarbeitsgericht wird deshalb erneut zu prüfen haben, welche konkreten Befugnisse dem Obersteiger L zukommen und in welchem Verhältnis er insoweit zum Betriebsführer steht. Dabei wird das Landesarbeitsgericht auch das Bestellungsschreiben gemäß § 74 ABG vom 1. Dezember 1976 beachten müssen in dem es u.a. heißt "Sie sind fachlich und disziplinarisch dem zuständigen Betriebsführer und dessen Vorgesetzten unterstellt". Für die Anerkennung als leitender Angestellter ist es erforderlich, daß dieser seine qualifizierende Tätigkeit nach Dienststellung und Dienstvertrag ausführt. Eine vorübergehende, nur vertretungsweise Ausübung der Befugnisse genügt nicht (Fitting/-Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl. 1984, § 5 Rz 26 f. m.w.N.). Sollte es sich nach den ergänzend zu treffenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bei dem Betriebsführer und dem Obersteiger L um ein Team gleichberechtigter Mitarbeiter handeln, so ist für die Anerkennung des Obersteigers als leitender Angestellter i.S. des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG weiter Voraussetzung, daß für ihn ein eigener erheblicher Entscheidungsspielraum verbleibt (BAG, Beschluß vom 5. März 1974, aaO, zu III 1 a der Gründe; BAG 26, 345 zu III 2 b der Gründe; BAG vom 1. Juni 1976 - 1 ABR 118/74 - AP Nr. 15 zu § 5 BetrVG 1972, zu V 2 b der Gründe). Das Landesarbeitsgericht wird zu berücksichtigen haben, daß eine unternehmerische Entscheidung, die bis zur Umsetzung mehrere Vorgesetztenebenen durchläuft, nicht auf jeder folgenden Ebene nochmals unternehmerisch getroffen und so konkretisiert werden kann, daß sie erneut eine unternehmerische Entscheidung ist. Die Tätigkeit des Obersteigers darf sich demnach nicht darin erschöpfen, von der Grubenleitung vorgegebene Ziele korrekt zu erarbeiten, sondern es muß Raum für unternehmerische Initiative bei der Lösung seiner Aufgaben bleiben (BAG vom 29. Januar 1980 - 1 ABR 49/78 - AP Nr. 24 zu § 5 BetrVG 1972, zu B I 2 b der Gründe). Die bergbautypische Wahrnehmung von Sicherungsaufgaben auf fast allen Vorgesetztenebenen reicht für sich genommen nicht aus, "echte unternehmerische Aufgabenstellungen" eines leitenden Angestellten zu begründen (a.A. noch BAG 26, 358 ff. = AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972, zu III 3 a der Gründe; vgl. unten 2 b) bb). Darauf, daß für einen dem Obersteiger unterstellten Abbaufahrsteiger nach dem Beschluß des Ersten Senats vom 19. November 1974, aaO, die Eigenschaft eines leitenden Angestellten bejaht worden ist, kommt es nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat auch bezüglich des Grubenfahrsteigers H Erfolg.
a) Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Vernehmung des als Zeugen gehörten Betriebsdirektors Hi für den Grubenfahrsteiger H die Eigenschaft eines leitenden Angestellten i.S. des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG bejaht, da er mit einem erheblichen Entscheidungsspielraum ausreichend bedeutsame unternehmerische Aufgaben nach Dienststellung und -vertrag wahrnehme, die seiner Tätigkeit nach der Gesamtwürdigung das Gepräge gäben. Der Fahrsteiger H leite zwei Reviere und könne ohne Rückfragen und Genehmigung Personen und Maschinen in seinem Fahrbereich einsetzen. Sein einziger Richtpunkt sei, kostengünstig in seinem Fahrbereich Kohle abzubauen, er könne dafür auch selbständig in seinem Fahrbereich Überstunden anordnen. Er kontrolliere die Schichtzettel und fülle die Materialscheine für seinen Fahrbereich aus. Der Fahrsteiger H sei nach der Aussage des Zeugen Hi für den Produktionsbetrieb in seinem Fahrbereich allein verantwortlich, indem er beispielsweise mehr Stempel setze, die Produktion einstelle oder bei einer angenommenen Betriebsstörung die ihm unterstellten Leute an einen anderen Punkt seines Fahrbereichs umsetze. Der ihm übergeordnete Obersteiger bzw. der Betriebsführer besorge nur die Koordination aller die Betriebsführerabteilung ausmachenden Fahrbereiche. Der Fahrsteiger H nehme auch maßgeblich an der Detailplanung neuer Abbaubetriebspunkte seines Fahrbereichs teil. Er mache bei der Vorbesprechung Vorschläge und setze sich damit durch, da der Fahrsteiger für den Fahrbereich die Verantwortung tragen müsse. Im personellen Bereich habe der Fahrsteiger durch selbständigen Abschluß der Gedinge maßgeblichen Einfluß. Etwa 80 % der ihm unterstellten Leute arbeiteten im Gedinge. Außerdem habe der Fahrsteiger die tariflich vorgesehenen vierteljährlichen Leistungsbeurteilungen der ihm unterstellten Angestellten vorzunehmen und nach Abstimmung mit dem Obersteiger den Angestellten zu erläutern. Bei Abwesenheit des Betriebsführers oder Obersteigers vertrete der Fahrsteiger den Obersteiger, ohne dabei jedoch ganz die Funktion des Obersteigers zu übernehmen. Trotz der vorgegebenen Rahmenpläne und der Sachzwänge, wie sie im Bergbau unter Tage wohl häufig vorkommen, sei die Eigenverantwortlichkeit der Tätigkeit des Fahrsteigers im wesentlichen noch gewährleistet. Wie die Beteiligung des Fahrsteigers H an der Detailplanung zeige, könne bei ihm nicht von einer von anderer Stelle vorprogrammierten Nacharbeit gesprochen werden.
b) Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts tragen seine Entscheidung nicht.
aa) Die Produktionsverantwortung des Fahrsteigers in seinem Fahrbereich und die damit verbundenen personellen (Umsetzung, Schichtzettelkontrolle, Leistungsbeurteilung, Vorschlagsrecht für zusätzliche Schichten) und technisch-organisatorischen Kompetenzen (Materialeinsatz und Beschaffung, zusätzliches Stempelsetzen, Produktionseinstellung bei Betriebsstörung) sowie die Teilhabe an der Detailplanung ergeben sich schon aus einer schlichten Vorgesetztenstellung des Grubenfahrsteigers H.
bb) Die neben der Produktionsverantwortung zu erfüllenden bergrechtlichen Sicherungsaufgaben scheiden als "unternehmerische Aufgaben" für die Beurteilung eines leitenden Angestellten nach dem Betriebsverfassungsgesetz aus. Dem Umstand, daß der Grubenfahrsteiger H für seinen Bereich als Verhandlungspartner der Bergaufsichtsbehörde auftritt, kommt für die betriebsverfassungsrechtliche Bewertung der Tätigkeit kein entscheidendes Gewicht zu.
Als verantwortliche Person im bergrechtlichen Sinne (§ 58 Abs. 1, 2 Bundesberggesetz, früher § 74 ABG) kann sich die Bergbehörde mit ihren Anordnungen unmittelbar an den hierzu bestellten Angestellten wenden und die zur Durchsetzung erforderlichen Zwangsmaßnahmen gegen ihn richten (Boldt/Weller, Bundesberggesetz, § 58 Rz 10). Der Grubenfahrsteiger H ist damit zwar für die sich nach Bergrecht ergebenden öffentlich-rechtlichen Pflichten verantwortlich, bleibt aber gleichwohl nur ein Glied in der betrieblichen Verantwortungskette für die einwandfreie technische Leitung, an deren Spitze der "Bergwerksbesitzer" steht (Boldt/Weller, aaO, vor § 58 Rz 4, 5 m.w.N.). Die verwaltungsrechtliche Verantwortung setzt nur entsprechende Fachkunde (§ 59 Abs. 1 Bundesberggesetz) und die Wahrnehmung von Führungsaufgaben voraus (§ 59 Abs. 2 Satz 1 Bundesberggesetz), sagt jedoch nichts darüber, ob der verantwortlichen Person erhebliche Entscheidungsspielräume zur Verfügung stehen. Allein dieses Merkmal gibt jedoch darüber Auskunft, ob die Wahrnehmung von betriebswichtigen Führungsaufgaben eines Vorgesetzten zugleich eine unternehmerische Teiltätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG ist (vgl. Kraft, Anm. BAG EzA Nr. 10 zu § 5 BetrVG 1972).
Berührungspunkte ergeben sich nur bei der Fachkunde nach § 59 Abs. 1 Bundesberggesetz und den besonderen Erfahrungen und Kenntnissen nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG. Dennoch wird die fachkundige Aufsichtsperson i.S. des Bundesberggesetzes bei der Erfüllung betriebswichtiger Aufgaben ohne erheblichen Entscheidungsspielraum nicht hierdurch von selbst zum leitenden Angestellten i.S. des Betriebsverfassungsgesetzes. Sicherheitsaufgaben sind aufgrund der Besonderheiten des Bergbaus notwendigerweise weit gestreut und auf fast alle Vorgesetzten unter Tage verteilt (vgl. Boldt, Das Recht des Bergmanns, 3. Aufl. 1960, S. 32: Betriebsführer, Fahrsteiger, Abteilungssteiger, Steiger und Fahrhauer; vgl. dazu auch LAG Hamm, DB 1974, 2012 - Leiter des betrieblichen Sicherheitsdienstes -).
Soweit abweichend hierzu der Erste Senat in der Entscheidung vom 19. November 1974 (BAG 26, 358 ff. = AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972, zu III 3 a der Gründe) die Wahrnehmung bergrechtlicher Sicherungsaufgaben als "echte unternehmerische Aufgaben" angesehen hat, die den Arbeitnehmer ohne weiteres zum leitenden Angestellten qualifizieren, wird diese Auffassung vom erkennenden Senat nicht aufrechterhalten.
cc) Ein maßgeblicher Einfluß in Personalfragen scheitert bereits an dem Umstand, daß zwischen dem Grubenfahrsteiger und dem der Werksleitung angehörenden allein entscheidungsbefugten Personaldirektor zwei weitere Vorgesetzte, nämlich Betriebsführer und Obersteiger stehen, für deren betriebsverfassungsrechtlich relevante Personalverantwortung bisher keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen sind.
dd) Inwieweit die Vertretung des Betriebsführers oder Obersteigers dem Fahrsteiger die Qualifikation des leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG verleihen kann, hängt zunächst einmal davon ab, ob dem Betriebsführer oder dem Obersteiger ausreichend qualifizierende Befugnisse zur Anerkennung nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG zustehen. Für den Fall, daß entsprechende Feststellungen für den Obersteiger getroffen werden können, kommt es dann darauf an, ob die Vertretungstätigkeit mit gleichen Befugnissen nach Dienststellung und Dienstvertrag wahrgenommen wird und in welchem Umfang sie den Fahrsteiger im Verhältnis zu seinen übrigen Tätigkeiten beansprucht (vgl. auch oben unter II 1 b).
ee) Entscheidungsrelevante Feststellungen zu der Gedingeverantwortlichkeit des Fahrsteigers fehlen, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend bemängelt. Dabei ist nach den teilweise widersprüchlichen Bekundungen des Zeugen Hi offen, ob der Fahrsteiger und welchen Spielraum er für das Aushandeln der Gedinge hat und in welchem Umfang diese Tätigkeit seine Arbeitszeit beansprucht. Mutmaßungen und Werturteile des Zeugen Hi können nach § 286 ZPO nicht Grundlage einer Beweiswürdigung bilden (vgl. oben II 1 b). Dem Landesarbeitsgericht ist es deshalb versagt, die Beteiligung des Fahrsteigers an der Detailplanung in seinem Fahrbereich als Begründung für vorhandene Entscheidungsspielräume des Grubenfahrsteigers heranzuziehen, wenn aus der Zeugenaussage des Betriebsdirektors Hi hervorgeht, daß der Fahrsteiger nicht am allgemeinen Abbauplan sondern nur an der Detailplanung für Betriebspunkte beteiligt ist und nicht bekunden kann, inwieweit der Fahrsteiger sich bei diesen Planänderungen mit dem Betriebsführer bzw. dem Obersteiger abspricht, im Gegenteil sogar bezeugt, daß der Betriebsführer bzw. der Obersteiger den Nachtrag unterschreibt. Außerdem hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen, inwieweit diese Planungsmitarbeit die Tätigkeit des Fahrsteigers "im wesentlichen" bestimmt.
Ohne Berücksichtigung ist bislang auch geblieben, ob durch die Strukturierung des Unternehmens unternehmerische Teiltätigkeiten von betriebswichtiger Bedeutung mit erheblichen Entscheidungsspielräumen auf der Leitungsebene des Fahrsteigers noch anzutreffen sind. Dabei sind insbesondere die Wahrnehmung der Aufgabenstellungen, die Bestandteil des Bestellungsschreibens vom 8. Januar 1979 sind, für die Entscheidung von Bedeutung.
3. Das Landesarbeitsgericht hat damit noch ergänzende tatsächliche Feststellungen als Grundlagen für eine abschließende Gesamtwürdigung des Tätigkeitsfeldes des Obersteigers L und des Fahrsteigers H zu treffen. Der erkennende Senat kann nicht in der Sache entscheiden, da aufgrund der Betriebsbezogenheit "unternehmerischer Aufgabenstellungen" ergänzender Vortrag der Beteiligten denkbar ist, die Organisationsstruktur der Antragsgegnerin noch näher erörtert werden muß und abschließende Feststellungen zur Kompetenzabgrenzung von Betriebsführer und Obersteiger sowie zur Vertretungstätigkeit und Gedingeverantwortlichkeit des Fahrsteigers ausstehen. Da den Tatsachengerichten nach ständiger Rechtsprechung des BAG (BAG 26, 36, 59 = AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972, zu IV 2 der Gründe; BAG 32, 381, 385 = AP Nr. 22 zu § 5 BetrVG 1972) bei der Gesamtwürdigung der für die Charakterisierung eines leitenden Angestellten maßgebenden Merkmale ein gewisser Beurteilungsspielraum einzuräumen ist, ist die Sache insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 96 Abs. 1 ArbGG, § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
D. Da die Antragsgegnerin und die beteiligten Arbeitnehmer im Einverständnis mit dem Antragsteller die in den Vorinstanzen gestellten Gegenanträge nicht mehr gestellt haben, bedarf es einer Beurteilung der verfahrensrechtlichen Zulässigkeit dieser Anträge nicht mehr.
Der Senat geht davon aus, daß die Beteiligten die nach ihrer Auffassung gegenstandslosen Anträge damit im gegenseitigen Einvernehmen zurückgenommen haben. Damit war nach § 92 Abs. 2 Satz 3, § 81 Abs. 2 Satz 2 ArbGG das Verfahren insoweit einzustellen.
Dr. Auffarth Dr. Jobs Dr. Leinemann
Döring Mergenthaler
Fundstellen
Haufe-Index 440525 |
BAGE 51, 19-29 (LT) |
BAGE, 19 |
DB 1986, 1983-1984 (LT1) |
NJW 1986, 2273 |
NZA 1986, 487-488 (LT1) |
RdA 1986, 140 |
AP § 5 BetrVG 1972 (LT), Nr 30 |
AR-Blattei, Angestellter Entsch 54 (LT1) |
AR-Blattei, Bergarbeitsrecht Entsch 31 (LT1) |
AR-Blattei, ES 390 Nr 31 (LT1) |
AR-Blattei, ES 70 Nr 54 (LT1) |
EzA § 5 BetrVG 1972, Nr 43 (LT1) |
ZfB 1987, 102-107 (ST) |
ZfB 1987, 102-107 (T) |