Entscheidungsstichwort (Thema)
Landes-Sportverband als tendenzfreies Unternehmen
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Landes-Sportverband dient dadurch, daß er den Sportbetrieb seiner Mitgliedsvereine finanziell und organisatorisch unterstützt, nicht unmittelbar erzieherischen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG.
2. Die Aufgabe, öffentliche Fördermittel zu beschaffen und an die Mitglieder zu verteilen, ist keine politische Zweckbestimmung im Sinne dieser Vorschrift.
3. Die in § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG enthaltene Aufzählung von geschützten Zwecken ist abschließend. Hinsichtlich des Sports besteht hier keine Regelungslücke, die auf dem Wege einer Analogie zu den normierten Tendenzmerkmalen geschlossen werden müßte.
Normenkette
BetrVG § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts München vom 25. November 1997 – 8 TaBV 16/97 – wird zurückgewiesen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Arbeitgeber ein Tendenzunternehmen ist und daher nur beschränkt den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes unterliegt, ob er insbesondere zur Unterrichtung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten verpflichtet ist.
Der Arbeitgeber ist eingetragener Verein. In seiner Satzung ist u.a. folgendes bestimmt:
„§ 1 Name, Sitz, Gliederung, Verbandsfarben und Geschäftsjahr
(1) Der Bayerische Landes-Sportverband e.V., im folgenden Verband oder BLSV genannt, ist die freiwillige Vereinigung der bayerischen Turn- und Sport- sowie wesensverwandter Vereine. „Sport” im Sinne dieser Satzung und des Sprachgebrauchs im Verband ist der Sammelbegriff für alle Arten von Leibesübungen.
(2) Der Verband ist frei von parteipolitischen, rassischen und religiösen Bindungen. Er vertritt den Grundsatz religiöser und weltanschaulicher Toleranz und bekennt sich zur freiheitlichen und rechtsstaatlichen Grundordnung.
…
(4) Der Verband gliedert sich
- regional in Bezirke und Kreise,
- nach Fachsportarten in Fachverbände.
Die regionalen Gliederungen haben in ihrer Namensbezeichnung die Worte „im Bayerischen Landes-Sportverband e.V.” zu führen. Die fachlichen Gliederungen führen neben ihrem im Vereinsregister eingetragenen Namen die Bezeichnung „Fachverband des Bayerischen Landes-Sportverbandes e.V.”.
…
§ 2 Aufgaben und Zweck
(1) Der Verband sieht seine Aufgabe darin, die körperliche und sittliche Entwicklung der Einzelmitglieder aller ihm angehörenden Vereine, insbesondere der Jugend, durch Pflege und Förderung des Sports in allen seinen Arten und durch Bemühungen um staatsbürgerliche Erziehung zu ermöglichen und zu fördern.
Eine weitere Aufgabe des Verbandes ist, die Vereine und Gliederungen gegenüber Dritten zu vertreten.
(2) Der Verband bekennt sich zu den Grundsätzen des Amateursports.
(3) Der Verband, seine Gliederungen und Mitglieder sowie die Anschlußorganisationen verfolgen ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung, und zwar insbesondere durch Förderung und Pflege des Sports und der Leibesübungen.
…
§ 3 Durchführung der Aufgaben
(1) Die Verwirklichung der Verbandsaufgaben erfolgt unter Berücksichtigung des § 36 insbesondere durch
- die Förderung eines regelmäßigen und geordneten Sport- und Spielbetriebs der Fachverbände sowie die Durchführung von gemeinsamen Sportveranstaltungen,
- die Förderung der fachlichen und überfachlichen Lehrtätigkeit sowie Maßnahmen allgemeinbildender Art,
- die Herausgabe von Sportliteratur und -zeitschriften,
- Schaffung von Sport-, Übungs-, Lehr- und Erholungsstätten,
- Unterstützung der Vereine und Fachverbände beim Sportstättenbau,
- Verschaffung von Versicherungsschutz, wie z.B. Unfall- und Haftpflichtversicherung (§ 15),
- Abnahme, Prüfung und Verleihung von Sportabzeichen.
…”
Der Arbeitgeber setzt sich aus 51 Fachverbänden mit insgesamt rund 4,2 Mio. Mitgliedern in über 11.000 Vereinen zusammen. Nach den Angaben der Beteiligten in der mündlichen Anhörung vor dem Senat beschäftigt er über 200 Arbeitnehmer, von denen etwa drei Viertel im Bereich „Verbands- und Vereinsservice” tätig sind, die übrigen in den anderen Bereichen der Hauptverwaltung (Präsidium, Geschäftsführung, Öffentlichkeitsarbeit, Justitiariat, Finanzen und Verwaltung). Das Haushaltsvolumen des Arbeitgebers betrug zuletzt rund 100 Mio. DM. Der weit überwiegende Teil der Einnahmen stammt aus Fördermitteln des Freistaats Bayern, die der Verband als beliehener Unternehmer an die Mitgliedsvereine verteilt.
Es besteht ein Wirtschaftsausschuß, der den Arbeitgeber aufforderte, ihm den Prüfungsbericht zur Bilanz 1993 vorzulegen. Der Arbeitgeber lehnte das ab. Am 1. April 1996 entschied die Einigungsstelle mit drei zu zwei Stimmen, daß der Arbeitgeber zur Vorlage verpflichtet sei.
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, eine Berichtspflicht bestehe nicht, denn er sei ein Tendenzunternehmen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG. Zum einen diene er erzieherischen Bestimmungen; die Organisation und Förderung von Sport trage nämlich unmittelbar zur Entfaltung der Persönlichkeit der Sporttreibenden bei und fördere deren Entwicklung zu Gliedern der menschlichen Gesellschaft. Zum anderen verfolge er auch politische Ziele. Indem er Sportförderung betreibe, gestalte er die gesellschaftliche Ordnung mit. Hierin liege eine Einflußnahme auf die politische Willensbildung im Bereich des Sports. Sollten die Vereinsziele nicht unter die genannten Zweckbestimmungen fallen, so ergebe sich der beanspruchte Tendenzschutz jedenfalls aus einer entsprechenden Anwendung des § 118 Abs. 1 BetrVG. Diese Auslegung sei verfassungsrechtlich geboten, denn Art. 9 Abs. 1 GG schirme Vereine und Verbände gegenüber erzwungener Anpassung des Sportbetriebs an die Vorstellungen der Arbeitnehmer ab. Ergänzend hat sich der Arbeitgeber auf ein Gutachten von Prof. Dr. Richardi gestützt, das ihm eine politische Zweckbestimmung im Sinne des § 118 Abs. 1 BetrVG, zumindest aber die Verfolgung vergleichbarer ideeller Ziele bescheinigt, auf die diese Vorschrift entsprechend anzuwenden sei.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
- festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 1. April 1996, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Wirtschaftsausschuß den Wirtschaftsprüfungsbericht zur Bilanz 1993 vorzulegen, rechtsunwirksam ist;
- festzustellen, daß der Arbeitgeber ein Tendenzunternehmen im Sinne des § 118 Abs. 1 BetrVG ist.
Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Nach seiner Meinung ist der Spruch der Einigungsstelle wirksam. Der Arbeitgeber sei kein Tendenzunternehmen. Erzieherischen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG diene er nicht. Der von ihm geförderte Sport sei Freizeitgestaltung. Die unterweisende Tätigkeit der Sportvereine beschränke sich auf die Vermittlung der erforderlichen Techniken. Soweit dies auch der persönlichen Entwicklung der Sporttreibenden zugute komme, liege hierin lediglich ein Nebeneffekt. Überdies diene der Arbeitgeber den genannten Zwecken nicht unmittelbar, sondern unterstütze nur die Tätigkeit der Vereine. Auch seine politische Zweckbestimmung führe nicht zum Tendenzschutz. Soweit er als Interessenvertreter der Sportvereine auf die politische Willensbildung Einfluß nehme, verfolge er zwar politische Zwecke; diese machten indessen nur einen kleinen Teil seiner Tätigkeit aus. Servicefunktionen im Rahmen der Sportförderung und die Vertretung der Belange des Sports gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen seien nicht politisch im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG. Die Aufzählung der nach dieser Vorschrift geschützten Zwecke sei abschließend, der Tendenzschutz könne nicht durch Analogie auf andere Unternehmensziele erstreckt werden.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber seine Anträge weiter. Der Gesamtbetriebsrat bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
B. Die Rechtsbeschwerde ist erfolglos. Die Vorinstanzen haben die Anträge des Arbeitgebers zu Recht abgewiesen.
I. Diese sind allerdings zulässig.
Der Antrag zu 1), mit dem der Arbeitgeber den Spruch der Einigungsstelle angreift, ist in zutreffender Weise auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs gerichtet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt insoweit nur ein Feststellungsantrag in Betracht, weil die begehrte gerichtliche Entscheidung keine rechtsgestaltende Bedeutung haben kann (z.B. BAGE 74, 206, 210 = AP Nr. 62 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B I 2 der Gründe).
Auch der auf Feststellung gerichtete Antrag zu 2) ist zulässig. Wie der Senat erst kürzlich entschieden und eingehend begründet hat, handelt es sich bei der Tendenzeigenschaft eines Unternehmens um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis (Beschluß vom 21. Juli 1998 – 1 ABR 2/98 – AP Nr. 63 zu § 118 BetrVG 1972, zu B I der Gründe). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse liegt hier ebenfalls vor. Zwischen den Beteiligten besteht über den konkreten Anlaß hinaus grundsätzlicher Streit über die Tendenzeigenschaft des Arbeitgebers.
II. Die Anträge sind indessen unbegründet. Der Arbeitgeber ist kein Tendenzunternehmen und daher gegenüber dem Wirtschaftsausschuß zur Auskunft verpflichtet.
1. Der Landes-Sportverband dient nicht erzieherischen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine solche Tendenz nur dann anzunehmen, wenn durch planmäßige und methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemeinbildender oder berufsbildender Fächer die Persönlichkeit von Menschen geformt werden soll. Dagegen genügt es nicht, wenn die Tätigkeit eines Unternehmens lediglich auf die Vermittlung gewisser Kenntnisse und Fähigkeiten gerichtet ist wie z.B. bei einer Sprachschule, die nach einer bestimmten Methode Fremdsprachenunterricht erteilt. Unerheblich ist dabei, ob die erzieherische Tätigkeit gegenüber Kindern und Jugendlichen oder gegenüber Erwachsenen ausgeübt wird (zuletzt Senatsbeschluß vom 31. Januar 1995 – 1 ABR 35/94 – AP Nr. 56 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 3 b aa (2) der Gründe).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar kann Sport durchaus als erzieherisches Mittel eingesetzt werden, wie das an allgemeinbildenden Schulen oder auch in therapeutischen Einrichtungen geschieht. Es bestehen aber erhebliche Zweifel daran, daß hierin der überwiegende Zweck des vom Arbeitgeber geförderten Sportbetriebs in den Vereinen liegt. Deren Lehrtätigkeit beschränkt sich darauf, die Vereinsmitglieder in denjenigen Techniken zu unterweisen, welche die von ihnen ausgeübte Sportart jeweils erfordert. Allerdings werden dabei auch soziale Verhaltensweisen eingeübt, wie die Beachtung bestimmter Regeln oder das Zusammenwirken mit anderen im Mannschaftssport. Insoweit kann sportliche Betätigung durchaus auch einen Beitrag zur Formung der Persönlichkeit leisten. Dabei handelt es sich indessen regelmäßig nur um Nebeneffekte, die dem eigentlich mit der Vereinstätigkeit verfolgten Ziel, nämlich der Ausübung von Sport als emotional befriedigender Freizeitgestaltung und Gesundheitsförderung, untergeordnet sind. In ähnlicher Weise wie der Sport tragen eine Vielzahl von Betätigungen, z.B. innerhalb der Familie oder im Rahmen der Berufsausübung, zur Formung der Persönlichkeit des Menschen bei, ohne daß daraus auf eine erzieherische Bestimmung dieser Tätigkeiten geschlossen werden könnte.
Zu Unrecht wendet die Rechtsbeschwerde insoweit ein, ausgehend von einem weiten Sportbegriff seien die Auswirkungen des Sports hinsichtlich des Aufbaus eines gesundheitsrelevanten sozialen Gefüges zu berücksichtigen; es gehe um die gesundheitsbezogenen Funktionen einer emotionalen Integration in Sportgruppen sowie die Bedeutung des Sports als Träger gesundheitsrelevanter Informationen und als Vermittler gesundheitsbezogener Lebensstile. Diese Wirkungen sind zwar von gesellschaftlichem Wert, insbesondere unter gesundheitspolitischen Gesichtspunkten. Das ist jedoch, was der Arbeitgeber verkennt, hier unerheblich. Für das Tatbestandsmerkmal der erzieherischen Zweckbestimmung eines Unternehmens kommt es nicht auf die gesellschaftliche Bedeutung des Unternehmensziels an.
Die Frage, ob und inwieweit der Sportbetrieb in den Vereinen die Voraussetzungen des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG erfüllt, kann hier indessen dahinstehen. Jedenfalls verfolgt der Arbeitgeber diese Zwecke nicht unmittelbar. Im Vordergrund seiner Tätigkeit steht die Sicherung der wirtschaftlichen und organisatorischen Grundlagen des Sportbetriebs in den Vereinen. Sollten diese erzieherische Zwecke verfolgen, könnte der Arbeitgeber ihnen nur mittelbar dienen (vgl. zur fehlenden künstlerischen Bestimmung der GEMA BAGE 42, 75, 81 ff. = AP Nr. 26 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II der Gründe). So vermeidet auch das Gutachten, dessen Wertungen sich der Arbeitgeber zu eigen gemacht hat, eine Festlegung dahin, daß der Landes-Sportverband erzieherischen Zwecken diene.
2. Der Arbeitgeber ist auch kein politisches Tendenzunternehmen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG.
a) Bei der Abgrenzung des Tatbestandmerkmals „politisch” ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
aa) Zur Annahme einer politischen Tendenz ist es nicht erforderlich, daß die Bestimmung eines Unternehmens parteipolitischer Natur ist. Der Begriff „politisch” in § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG ist nicht mit „parteipolitisch” gleichzusetzen (Senatsbeschluß vom 21. Juli 1998 – 1 ABR 2/98 – AP Nr. 63 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe). Vielmehr dient ein Unternehmen bereits dann politischen Bestimmungen im Sinne dieser Vorschrift, wenn seine Zielsetzung darin besteht, zum Zweck der Gestaltung öffentlicher Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit auf die Willensbildung des demokratisch verfaßten Staates Einfluß zu nehmen. Das folgt aus dem Sinn der Regelung. Die durch § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG verfügte Einschränkung von Beteiligungsrechten des Betriebsrats will gewährleisten, daß Bürger ihr Recht, im Interesse des Ganzen die öffentlichen Angelegenheiten zu gestalten, möglichst ungehindert ausüben können. Der politische Meinungskampf soll wegen seiner grundlegenden Bedeutung für das Funktionieren des demokratisch verfaßten Staates nicht behindert werden. Das Recht auf Teilnahme an der politischen Willensbildung kann indessen in vielfältiger Weise auch außerhalb von Parteien ausgeübt werden, z.B. in wirtschafts- und sozialpolitischen Vereinigungen ebenso wie in Frauenverbänden, Menschenrechtsorganisationen, Umweltschutzverbänden und vielen anderen.
bb) Weitergehend vertritt Richardi in dem vom Arbeitgeber vorgelegten Gutachten die Auffassung, der Politikbegriff des § 118 BetrVG ergreife alle Aktivitäten, die geeignet seien, Einfluß auf die Gestaltung der gesellschaftlichen Ordnung zu nehmen, ohne daß dies über die Beeinflussung staatlicher Willensbildung geschehen müsse. Dem folgt der Senat nicht. Bei diesem Verständnis verlöre der Begriff „politisch” seine Konturen. Eine Einflußnahme der von Richardi umschriebenen Art geht nämlich von den unterschiedlichsten Einrichtungen aus, die eine gemeinsame Tätigkeit oder die Interessenwahrnehmung einer Mehrzahl von Menschen organisieren, insbesondere von Idealvereinen, ohne daß es insoweit darauf ankäme, welches Betätigungsfeld sie jeweils haben. Darüber hinaus wirken sich auch die Aktivitäten vieler Wirtschaftsunternehmen auf die Gestaltung der gesellschaftlichen Ordnung aus, z.B. von Wohnungsbau-, Verkehrs- und Versorgungsunternehmen.
cc) Zur Annahme der erforderlichen politischen Zweckbestimmung reicht es auch nicht aus, daß ein Unternehmen Interessenvertretung mit dem Ziel organisiert, deren Durchsetzung im gesellschaftlichen Leben in der Auseinandersetzung mit anderen Privaten zu gewährleisten (Blanke/Wedde in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 23; GK-BetrVG/Fabricius, 6. Aufl., § 118 Rz 163; Löwisch, BetrVG, 4. Aufl., § 118 Rz 4; MünchArbR/Matthes, § 356 Rz 8; ebenso Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 118 Rz 51, für Verbände, die sich auf die Interessenvertretung ihrer Mitglieder beschränken, ohne dabei die gesellschaftliche Ordnung gestalten zu wollen). Als Beispiele sind hier Mieterschutz- oder Haus- und Grundbesitzervereine zu nennen.
Die bloße Vertretung von Interessen der Mitglieder liegt außerhalb des Normzwecks, was der Regelungszusammenhang bestätigt. In § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG sind nämlich neben politischen auch koalitionspolitische Bestimmungen ausdrücklich als eigenes Merkmal geschützter Tendenz aufgeführt. Dies bezieht sich auf Koalitionen, deren Bildung und Betätigung von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet wird (allgemeine Meinung, z.B. Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 118 Rz 54). Sie sind durch die Aufgabe gekennzeichnet, für ihre Mitglieder in der Auseinandersetzung mit koalitionspolitischen Gegnern den Ausgleich widerstreitender Interessen zu erreichen, um Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu regeln. Die Nennung der koalitionspolitischen Bestimmungen wäre überflüssig, wenn die Interessenwahrnehmung gegenüber anderen gesellschaftlichen Kräften ohnehin bereits als politisch im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG und damit generell als tendenzgeschützt anzusehen wäre. Die betriebsverfassungsrechtliche Privilegierung der Koalitionen findet ihre Rechtfertigung in der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Koalitionsfreiheit durch Art. 9 Abs. 3 GG. Die läßt sich auf andere Interessenverbände nicht ausdehnen.
dd) Tendenzschutz erhält ein Unternehmen auch nicht dadurch, daß sich staatliche Stellen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben seiner bedienen. Daraus ergibt sich noch keine politische Bestimmung im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG. Das hat der Senat in dem angeführten Beschluß vom 21. Juli 1998 (– 1 ABR 2/98 – AP Nr. 63 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 2 der Gründe) insbesondere unter Hinweis auf den Normzweck näher begründet.
b) Nach den dargestellten Grundsätzen dient der Arbeitgeber nicht politischen Bestimmungen (a. A. Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 118 Rz 51).
Die Vertretung der Belange seiner Mitglieder gegenüber dem Freistaat Bayern im Wettbewerb um knappe öffentliche Fördermittel ist ebensowenig geeignet, dem Unternehmen politischen Charakter zu verleihen, wie die Interessenwahrnehmung gegenüber der Öffentlichkeit sowie gegenüber anderen gesellschaftlichen Kräften wie den Kirchen oder der Wirtschaft. Gleiches gilt für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben als beliehenes Unternehmen bei der Vergabe von Mitteln der Sportförderung an die Mitgliedsvereine und -verbände. Die genannten Tätigkeiten betreffen überwiegend nicht einmal die staatliche Willensbildung. Soweit sie aber diese Voraussetzung erfüllen, wie z.B. das Bemühen um öffentliche Subventionen, erweisen sie sich teilweise dennoch als unzureichend zur Begründung des Tendenzschutzes. Ihr bestimmendes Ziel ist nämlich nicht die Gestaltung öffentlicher Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit. Es mag allerdings zutreffen, daß der Landes-Sportverband daneben auch Aktivitäten entfaltet, denen nach den dargestellten Kriterien politischer Charakter im Sinne der Vorschrift zukommt. Das gilt beispielsweise, soweit er auf die Gesetzgebung Einfluß nimmt, um die gesellschaftspolitische Rolle des Sports zur Geltung zu bringen. Hierdurch wird der Arbeitgeber aber nicht zum Tendenzunternehmen, denn die Einwirkung auf öffentliche Stellen macht nur einen geringfügigen Teil seiner Tätigkeit aus.
3. Der Arbeitgeber fällt auch nicht etwa deshalb, weil er Sportliteratur herausgibt und damit Zwecken der Berichterstattung und Meinungsäußerung dient, unter § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG. Es handelt sich hierbei um eine Betätigung, die innerhalb der Zielsetzung des Unternehmens eine untergeordnete Rolle spielt. Hiervon geht auch das vom Arbeitgeber vorgelegte Gutachten aus. Insoweit greift die Rechtsbeschwerde den Beschluß des Landesarbeitsgerichts gar nicht an. Diese Zweckbestimmung fällt auch in der Zusammenschau mit einer möglichen politischen Tätigkeit nicht ins Gewicht, da beides nur in geringem Umfang in Betracht kommt.
4. Dient der Arbeitgeber somit nicht unmittelbar und überwiegend einer der in § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genannten Bestimmungen, so kann er entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keinen Tendenzschutz beanspruchen.
a) Gehört ein Unternehmen zu keiner der in § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genannten Fallgruppen, so scheidet eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift aus. Die Aufzählung der geschützten Tendenzen ist abschließend (allgemeine Meinung, z.B. Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 118 Rz 48). Im Unterschied zu § 81 Abs. 1 BetrVG 1952 handelt es sich nicht um eine Generalklausel, die für weitere Unternehmenszwecke offen wäre. Der Anwendungsbereich des § 118 Abs. 1 BetrVG umfaßt nicht auch „ähnliche Bestimmungen”.
b) Der vom Arbeitgeber begehrte Tendenzschutz ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG.
aa) Das folgt allerdings nicht bereits daraus, daß die Vorschrift, wie im Schrifttum überwiegend vertreten wird (Blanke/Wedde in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 1; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 118 Rz 5; Hess in Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 5. Aufl., § 118 Rz 12; Löwisch, BetrVG, 4. Aufl., § 118 Rz 13; AR-Blattei/Marhold, SD 1570 Rz 35 ff.; MünchArbR/Matthes, § 356 Rz 2), aufgrund ihres Ausnahmecharakters und der in ihr enthaltenen abschließenden Aufzählung einer Analogie von vornherein nicht zugänglich wäre. Eine Analogie ist nicht völlig auszuschließen (GK-BetrVG/Fabricius, 6. Aufl., § 118 Rz 361 ff.; Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 118 Rz 48; ArbG Berlin Beschluß vom 25. November 1977 – 10 BV 12/77 – AP Nr. 9 zu § 118 BetrVG 1972, zu 2.2.3 der Gründe). Selbst bei einer Ausnahmevorschrift kann entsprechend dem Normzweck eine erweiternde Auslegung geboten sein (vgl. zu § 118 Abs. 1 BetrVG BAGE 64, 103, 112 = AP Nr. 44 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 3 a der Gründe). Darüber hinaus ist es vorstellbar, daß die analoge Anwendung einer ursprünglich als abschließend gedachten Regelung erforderlich wird. Das ist anzunehmen, wenn sich erweist, daß das der Norm zugrunde liegende Regelungskonzept nur lückenhaft umgesetzt war oder die Norm aufgrund tatsächlicher Veränderungen nachträglich lückenhaft wird (Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., Seite 175 f.).
bb) Eine solche planwidrige Regelungslücke, welche eine Ergänzung des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG begründen könnte, ist indessen hier nicht ersichtlich.
Erfolglos macht der Arbeitgeber geltend, daß er dem Breitensport diene und damit nicht in erster Linie wirtschaftliche, sondern ideelle Zwecke verfolge. Ein Regelungskonzept des Inhalts, daß § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG alle denkbaren ideellen Zwecke schützen wollte, ist nicht erkennbar. Vielmehr beschränkt sich die Norm ausdrücklich auf eine Auswahl aus der Vielzahl denkbarer geistig-ideeller Bestimmungen von Unternehmen und Betrieben.
Eine Einbeziehung des Arbeitgebers in den Tendenzschutz auf dem Wege der Analogie ist auch nicht als verfassungskonforme Auslegung geboten. Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers fehlt eine Verfassungsnorm, die für Unternehmen, welche dem Sportbetrieb dienen, besonderen Schutz fordern würde (Steiner, NJW 1991, 2729, 2730). Zu Unrecht beruft sich die Rechtsbeschwerde insoweit auf die Gewährleistung der Vereinigungsfreiheit in Art. 9 Abs. 1 GG. Zwar fällt Vereinstätigkeit in den Schutzbereich dieser Norm. Deren Gewährleistung bezieht sich aber nur auf die Bildung einer Vereinigung und die Sicherung ihres Bestandes (BVerfG Beschluß vom 9. Oktober 1991 – 1 BvR 397/87 – BVerfGE 84, 372, 378), beschränkt sich also auf eine operationale Freiheit. Sie dient nicht auch darüber hinaus dem Schutz bestimmter ideeller Ziele, welche die Vereinigung verfolgen mag. So schützt Art. 9 Abs. 1 GG auch Handelsgesellschaften (herrschende Meinung, z.B. Höfling in Sachs, GG, 2. Aufl., Art. 9 Rz 11 f. mit weiteren Nachweisen; lediglich für größere Kapitalgesellschaften und für solche Fälle, in denen juristische Personen Anteilseigner sind, hat das BVerfG vereinzelt und ohne abschließende Festlegung Zweifel geäußert: Urteil vom 1. März 1979 – 1 BvR 532/77 u. a. – BVerfGE 50, 290, 353 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG, zu C III 2 der Gründe). Handelsgesellschaften unterliegen indessen uneingeschränkt dem Betriebsverfassungsgesetz.
5. Ist der Arbeitgeber demnach kein Tendenzunternehmen im Sinne des § 118 Abs. 1 BetrVG, so ist der Spruch der Einigungsstelle wirksam. Nach § 109 BetrVG war die Einigungsstelle dafür zuständig, über die Verpflichtung zur Vorlage des Prüfungsberichts zu entscheiden. Daß sie diese bejaht hat, ist nicht zu beanstanden. Der Bericht ist eine Unterlage, welche eine wirtschaftliche Angelegenheit des Unternehmens im Sinne des § 106 Abs. 2 BetrVG betrifft (BAGE 62, 294, 311 = AP Nr. 6 zu § 106 BetrVG 1972, zu B II 3 a der Gründe). Abgesehen von dem in Anspruch genommenen Tendenzschutz hat auch der Arbeitgeber selbst nicht geltend gemacht, der Spruch weise rechtliche Mängel auf.
Unterschriften
Dieterich, Rost, Wißmann, Spiegelhalter, Lappe
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.03.1999 durch Klapp, als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 144 |
BB 1999, 1118 |
BB 1999, 1873 |
DB 1999, 750 |
NWB 1999, 1323 |
ARST 1999, 142 |
ARST 2000, 18 |
FA 1999, 201 |
FA 1999, 266 |
JR 2000, 308 |
NZA 1999, 1347 |
SAE 2000, 81 |
ZTR 1999, 482 |
AP, 0 |
SpuRt 1999, 249 |
Wüterich / Breucker 2006 2006, 316 |