Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde (Divergenz)
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei sogenannten "Rückläufern" (Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Berufungsgerichts nach Zurückverweisung einer Sache vom Revisionsgericht an das Berufungsgericht) können im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Verstöße gegen § 565 Abs 2 ZPO nur nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen der §§ 72, 72a ArbGG geltend gemacht werden.
2. Demgemäß kann solchenfalls eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen Divergenz nur darauf gestützt werden, daß sich im zurückverweisenden revisionsgerichtlichen und im neuen berufungsgerichtlichen Urteil divergierende abstrakte Rechtssätze finden, die der Darlegung bedürfen.
Orientierungssatz
Siehe auch das zurückweisende Urteil des BAG vom 12.11.1986 4 AZR 718/85 = AP Nr 129 zu §§ 22, 23 BAT 1975.
Normenkette
BAT § 22; BAT Anlage 1a; ZPO § 565; ArbGG § 72a
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.04.1988; Aktenzeichen 2 Sa 982/84) |
ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 09.05.1984; Aktenzeichen 2 (1) Ca 217/84) |
Gründe
Der gewerkschaftlich organisierte Kläger steht seit dem 16. Juni 1963 als Regierungsangestellter in den Diensten des beklagten Landes. Er ist als daktyloskopischer Sachverständiger ausgebildet worden und wird demgemäß beim Polizeipräsidium M mit der Fertigung daktyloskopischer Gutachten beschäftigt. Daneben nimmt er entsprechende Ausbildungsaufgaben wahr. Nachdem der Kläger zuvor nach der VergGr. V b BAT vergütet worden war, bezieht er seit 1. August 1983 nach den tariflichen Bestimmungen über den Bewährungsaufstieg Vergütung nach VergGr. IV b BAT.
Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, an ihn ab 1. Mai 1982 Vergütung nach VergGr. IV a, hilfsweise nach VergGr. IV b BAT zu zahlen und die rückständigen Differenzbeträge jeweils mit 4 v.H. ab Fälligkeit zu verzinsen. Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. In seinem ersten Urteil vom 11. Oktober 1985 hat das Landesarbeitsgericht unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils nach dem Hauptantrag des Klägers erkannt und die Revision zugelassen. In der Revisionsinstanz hat der Kläger seinen Hilfsantrag auf den Anspruchszeitraum bis 31. Juli 1983 und seine Zinsforderung auf Prozeßzinsen seit Rechtshängigkeit der Klage (23. Februar 1984) aus den den Bruttodifferenzbeträgen entsprechenden Nettobeträgen beschränkt. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 12. November 1986 - 4 AZR 718/85 - (AP Nr. 129 zu §§ 22, 23 BAT 1975) das landesarbeitsgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Nach der Zurückverweisung sind die Parteien bei ihren bisherigen Anträgen verblieben. Mit seinem zweiten Urteil vom 15. April 1988 hat das Landesarbeitsgericht erneut unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils nach dem Hauptantrag des Klägers erkannt. Die Revision wurde vom Landesarbeitsgericht in diesem Urteil nicht zugelassen.
Hiergegen richtet sich die vom beklagten Land eingelegte, auf Divergenz gestützte Nichtzulassungsbeschwerde. Der Kläger beantragt Verwerfung bzw. Zurückweisung des Rechtsbehelfs.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes ist unzulässig. Das beklagte Land hat die gesetzlichen Erfordernisse einer rechtserheblichen Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG nicht dargelegt.
Zutreffend weist das beklagte Land darauf hin, daß es sich vorliegend um einen sogenannten "Rückläufer" handelt, da das Bundesarbeitsgericht im vorliegenden Rechtsstreit bereits ein Urteil gefällt hatte, mit dem unter Aufhebung des ersten landesarbeitsgerichtlichen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden ist. Das löst, wie das Landesarbeitsgericht weiter zutreffend ausführt, zugleich die Bindungswirkung des § 565 Abs. 2 ZPO für das Landesarbeitsgericht aus. Das beklagte Land verkennt jedoch, daß Verstöße gegen § 565 Abs. 2 ZPO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wie sonstige Rechtsverstöße nur nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 72, 72 a ArbGG geltend gemacht werden können. Etwas anderes hätte für die Fälle des § 565 Abs. 2 ZPO einer besonderen gesetzlichen Regelung bedurft, die es nicht gibt. Damit kommt es auch vorliegend ausschließlich darauf an, ob das beklagte Land in seiner Beschwerdebegründung die allgemeinen Voraussetzungen einer rechtserheblichen Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG dargelegt hat.
Das ist jedoch nicht der Fall. Eine rechtserhebliche Divergenz setzt voraus, daß die angefochtene Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der seinerseits von einem abstrakten Rechtssatz des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen in der Gesetzesnorm genannten Gerichts abweicht, woraus zugleich folgt, daß eine lediglich fehlerhafte oder den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entsprechende Rechtsanwendung eine Divergenz nicht zu begründen vermag (vgl. den Beschluß des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 19. November 1979 - 5 AZN 15/79 - AP Nr. 2 zu § 72 a ArbGG 1979 mit weiteren Nachweisen). Dabei müssen sich die voneinander abweichenden Rechtssätze aus der anzufechtenden wie aus der angezogenen Entscheidung unmittelbar ergeben und so deutlich ablesbar sein, daß nicht zweifelhaft bleibt, welche abstrakten Rechtssätze die Entscheidungen jeweils aufgestellt haben (vgl. BAGE 41, 188, 190 = AP Nr. 11 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz mit weiteren Nachweisen).
Diesen Erfordernissen entspricht das Vorbringen des beklagten Landes nicht. Zwar weist das beklagte Land in seiner Beschwerdebegründung zutreffend darauf hin, daß der Senat in seinem zurückverweisenden Urteil darauf hingewiesen hat, soweit der Kläger Gutachten unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades anzufertigen habe, dürften diese bei tatsächlicher Trennbarkeit nach der gefestigten Senatsrechtsprechung nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (vgl. die Urteile des Senats BAGE 30, 229, 234 = AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT 1975, BAGE 51, 282, 289 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975 sowie vom 5. Juli 1978 - 4 AZR 795/76 - AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Der Senat verkennt auch nicht, daß gleichwohl das Landesarbeitsgericht die Begutachtungstätigkeit des Klägers, wie das beklagte Land richtig darlegt, zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt hat. Ob darin ein Verstoß gegen § 565 Abs. 2 ZPO zu erblicken ist, kann im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren aus den dargelegten Rechtsgründen dahinstehen. Dagegen spricht, daß das Landesarbeitsgericht entgegen dem früheren Verfahrensstand neue und andere Feststellungen getroffen hat, die ihm den Schluß nahegelegt haben, die einzelnen Gutachtenaufträge des Klägers seien tatsächlich nicht voneinander trennbar und dienten demgemäß einem einheitlichen Arbeitsergebnis. Entscheidend ist aber im übrigen, daß das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden, der Senatsrechtsprechung entsprechenden Begriff des Arbeitsvorganges ausgegangen ist (vgl. die Urteile des Senats BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975, BAGE 51, 282, 287 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und BAGE 51, 356, 360 = AP Nr. 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975 mit weiteren Nachweisen). Daher vermag das beklagte Land auch insoweit keine divergierenden abstrakten Rechtssätze im angefochtenen und dem zurückverweisenden Urteil des Senats darzulegen. Allein darauf kommt es aber im Hinblick auf eine rechtserhebliche Divergenz an.
Wenn das beklagte Land weiter rügt, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht die Spurensicherung der Gutachtertätigkeit des Klägers als Zusammenhangstätigkeit zugerechnet, dann ist wiederum bereits zweifelhaft, ob ein Verstoß gegen § 565 Abs. 2 ZPO vorliegt, zumal es Angelegenheit der Tatsachengerichte ist, im Einzelfalle festzustellen, welche Aufgaben als Zusammenhangstätigkeiten in Betracht kommen oder ausscheiden. Das hängt jeweils von der konkreten Fallgestaltung ab. Entscheidend ist aber auch hier, daß das beklagte Land hinsichtlich des Rechtsbegriffes der Zusammenhangstätigkeiten (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 14. Februar 1979 - 4 AZR 414/77 - AP Nr. 15 zu §§ 22, 23 BAT 1975 mit weiteren Nachweisen) vom zutreffenden, der Senatsrechtsprechung entsprechenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, so daß auch insoweit das beklagte Land divergierende abstrakte Rechtssätze im angefochtenen und angezogenen Urteil nicht darzulegen vermag.
Dasselbe gilt für den Rechtsbegriff der "besonders verantwortungsvollen Tätigkeit" (VergGr. IV b BAT Fallgruppe 1 a). Diesen Rechtsbegriff verwendet das Landesarbeitsgericht unter ausdrücklicher Heranziehung der entsprechenden Urteile des erkennenden Senats (vgl. BAGE 51, 59, 95 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und BAGE 51, 282, 296 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975) und unter Wiederholung des wesentlichen Inhalts der Entscheidungen. Damit kann auch für diesen Rechtsbereich das beklagte Land divergierende abstrakte Rechtssätze zwischen dem angefochtenen und dem angezogenen Urteil nicht darlegen. Wie seine weiteren Ausführungen zeigen, rügt das beklagte Land insoweit auch lediglich die entsprechende Subsumtion des Landesarbeitsgerichts. Diese könnte jedoch nur auf eine zulässige Revision hin vom Senat überprüft werden. Dasselbe gilt für die Ausführungen des beklagten Landes zum Tätigkeitsmerkmal der Bedeutung der Tätigkeit (VergGr. IV a BAT Fallgruppe 1 a).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Feller
Fundstellen
Haufe-Index 438866 |
DB 1989, 936-936 (L1-2) |
JR 1989, 220 |
RdA 1989, 130 |
AP § 72a ArbGG 1979 Divergenz (LT1-2), Nr 21 |
AR-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit XE Entsch 69 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 160.10.5 Nr 69 (LT1-2) |
EzA § 72a ArbGG 1979, Nr 54 (LT1-2) |
PersV 1991, 190 (K) |