Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg. Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Versetzung von Beamten der Telekom

 

Leitsatz (amtlich)

Werden Beamte eines Nachfolgeunternehmens der Deutschen Bundespost einem anderen Unternehmensteil zugewiesen und nimmt der Betriebsrat hierfür ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG in Anspruch, so ist für die Entscheidung über den Streit, ob ein solches Mitbestimmungsrecht besteht, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet.

 

Normenkette

ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 1; GVG § 17a; PostPersRG §§ 24, 28-29; BetrVG § 99; BPersVG § 76

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 15.01.1996; Aktenzeichen 5 (7) Ta 252/95)

ArbG Trier (Beschluss vom 19.10.1995; Aktenzeichen 3 BV 19/95)

 

Tenor

Die weitere sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Januar 1996 – 5 (7) Ta 252/95 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin bei der Versetzung von Beamten ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG verletzt hat.

Die Arbeitgeberin hat mit Wirkung zum 21. August 1995 eine Reihe von Beamten im Rahmen des “flexiblen Personaleinsatzes” vom Ressort Technischer Betrieb abgezogen und im Ressort Geschäftskundenvertrieb eingesetzt. Die von ihr vorher unter Bezugnahme auf § 28 PostNeuOG (richtig: PostPersRG) i.V.m. § 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG beantragte Zustimmung war vom Betriebsrat unter Berufung auf § 77 Abs. 2 BPersVG verweigert worden. Nach Vollzug der Maßnahmen stellte sich der Betriebsrat auf den Standpunkt, es lägen Versetzungen vor, bei denen er nach § 99 BetrVG mitzubestimmen habe. Das betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrecht, das sich im Grundsatz nach § 24 Abs. 1 PostPersRG auch auf Beamte erstrecke, sei nicht etwa nach den §§ 28 und 29 PostPersRG durch ein Mitbestimmungsrecht nach § 76 BPersVG ausgeschlossen, denn nach dieser Vorschrift seien die Maßnahmen gar nicht mitbestimmungspflichtig. Der Betriebsrat kündigte schriftsätzlich den Antrag an festzustellen, daß die Arbeitgeberin durch die Versetzungen sein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG verletzt habe. In der mündlichen Anhörung vor dem Arbeitsgericht wurde dann ein auf die Unwirksamkeit der Maßnahmen gerichteter Feststellungsantrag protokolliert.

Die Arbeitgeberin hat zunächst geltend gemacht, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei unzulässig. Nach §§ 28 und 29 PostPersRG trete in Personalmaßnahmen, die Beamte betreffen, das Mitbestimmungsrecht nach § 76 Abs. 1 BPersVG an die Stelle einer möglichen Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Insoweit sei aber nach § 29 Abs. 9 PostPersRG ausschließlich der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.

Das Arbeitsgericht hat den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für zulässig erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und die weitere sofortige Beschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt die Arbeitgeberin ihren Antrag weiter, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig zu erklären und das Verfahren an das Verwaltungsgericht Trier zu verweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die rechtzeitig und ordnungsgemäß eingelegte weitere sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Dies ergibt sich aus § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Es handelt sich vorliegend um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Der Betriebsrat macht allein ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG geltend, das ihm die Arbeitgeberin bestreitet.

I. Zu Unrecht beruft sich die Arbeitgeberin darauf, Gegenstand des Verfahrens sei nicht nur die Mitbestimmung nach § 99 BetrVG, sondern auch ein mögliches Mitbestimmungsrecht nach § 29 PostPersRG i.V.m. § 76 Abs. 1 BPersVG, denn der Betriebsrat beantrage ganz allgemein die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der streitigen Personalmaßnahmen. Allerdings läßt der vom Arbeitsgericht protokollierte Wortlaut des Antrags dieses Verständnis zu. Eine mitbestimmungswidrig vorgenommene Versetzung ist nämlich nicht nur dann unwirksam, wenn das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG betroffen ist (dazu Senatsurteil vom 26. Januar 1993 – 1 AZR 303/92 – AP Nr. 102 zu § 99 BetrVG 1972, zu II der Gründe), sondern auch dann, wenn die Maßnahme unter § 76 Abs. 1 BPersVG fällt und das nach dieser Vorschrift bestehende Mitbestimmungsrecht verletzt wird (MünchArbR/Germelmann, § 361 Rz 48). Das gesamte Vorbringen des Betriebsrats macht hier aber deutlich, daß er keinen Verstoß gegen § 76 Abs. 1 BPersVG rügen will. Er beansprucht ausschließlich ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG. Daß ein Mitbestimmungsrecht nach § 76 BPersVG bestehen könnte, stellt er ausdrücklich in Abrede.

Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ändert hieran auch der Umstand nichts, daß ursprünglich sowohl sie selbst als auch der Betriebsrat – im Unterschied zu der jetzt vertretenen Rechtsauffassung – von einem Mitbestimmungsrecht nach § 76 BPersVG ausgegangen sind und der Betriebsrat unter Berufung auf § 77 BPersVG seine Zustimmung zu den streitigen Personalmaßnahmen verweigert hat. Diese Zustimmungsverweigerung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden.

II. Erfolglos wendet die Arbeitgeberin ein, der Betriebsrat habe seinen Antrag nicht auf das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG beschränken können. Andernfalls wäre es nämlich möglich, durch willkürliche Berufung auf eine einzelne Rechtsgrundlage den Rechtsweg zu manipulieren. Für dieses Argument beruft sich die Arbeitgeberin zu Unrecht auf den Senatsbeschluß vom 11. März 1986 (BAGE 51, 217, 225 = AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zu B II 2 der Gründe), nach dem der Betriebsrat, der die Feststellung der Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs beantragt, die gerichtliche Prüfung nicht auf bestimmte Unwirksamkeitsgründe beschränken kann. Diese Entscheidung ist hier nicht einschlägig. Die Arbeitgeberin verkennt, daß mit dem Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG ein anderer Verfahrensgegenstand angesprochen ist als mit dem Mitbestimmungsrecht nach § 76 Abs. 1 BPersVG. Es geht um zwei nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen unterschiedliche Beteiligungsrechte und nicht lediglich um verschiedene Rechtsgrundlagen eines und desselben Anspruchs. Der Betriebsrat hat mit seinem Antrag, der auf ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG gerichtet ist, das Verfahren auf einen Gegenstand begrenzt, welcher in die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit fällt.

III. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts und des Arbeitsgerichts Berlin in dem von der Arbeitgeberin zitierten Beschluß vom 22. September 1995 (– 22 BV 18984/95 –) kommt es für die Frage, ob der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist, nicht darauf an, ob das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht wirklich besteht. Um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz i.S. des § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG geht es allein schon deshalb, weil der Betriebsrat ein Beteiligungsrecht aus dem Betriebsverfassungsgesetz geltend macht. Ob er Recht hat, wird noch zu klären sein.

Aus dem Beschluß des Zweiten Senats vom 28. Oktober 1993 (– 2 AZB 12/93 – AP Nr. 19 zu § 2 ArbGG 1979, zu III 2c cc der Gründe), auf den sich die Arbeitgeberin in diesem Zusammenhang beruft, ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Entscheidung kann für einen Kündigungsrechtsstreit der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht bejaht werden, solange nicht geklärt ist, ob die Kündigung überhaupt ein Arbeitsverhältnis betroffen hat. Die bloße Behauptung des Klägers reiche insoweit nicht aus. Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtswegs nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG ist nämlich, daß die Prozeßparteien tatsächlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind. Im Unterschied dazu ist der tatsächliche Bestand des in Anspruch genommenen Mitbestimmungsrechts nach dem hier maßgeblichen § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG keine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

 

Unterschriften

Dieterich, Rost, Wißmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 884806

BB 1996, 1724

NZA 1996, 1061

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