Entscheidungsstichwort (Thema)
Erledigung einer Wahlanfechtung nach Betriebsratsneuwahl
Orientierungssatz
Das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung einer Betriebsratswahl entfällt dann, wenn zwischenzeitlich die Amtsperiode des seinerzeit gewählten Betriebsrats abgelaufen ist, ein neuer Betriebsrat gewählt worden ist und sich konstituiert hat.
Normenkette
ZPO § 256; ArbGG §§ 95, 83a; BetrVG § 10 Abs. 2, § 19 Abs. 1, § 14 Abs. 5
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 04.03.1986; Aktenzeichen 5 TaBV 144/84) |
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 26.09.1984; Aktenzeichen 4 BV 18/84) |
Gründe
I. Die Antragstellerin, ein Unternehmen der Damenoberbekleidungsindustrie, unterhält einen Betrieb mit 27 Mitarbeitern; davon sind 25 Arbeiter und zwei Angestellte. Antragsgegner ist der dreiköpfige Betriebsrat, dessen Wahl im Jahr 1984 die Antragstellerin für unwirksam hält.
Der zur Durchführung der Betriebsratswahl bestellte Wahlvorstand im Betrieb der Antragstellerin teilte in einem am 21. Mai 1984 ausgehängten Wahlausschreiben vom 18. Mai 1984 u.a. mit, die Betriebsratswahl werde in getrennten Wahlgängen durchgeführt. Es seien zwei Arbeiter und ein Angestellter zu wählen. Er forderte die Gruppen auf, Wahlvorschläge einzureichen, und wies darauf hin, daß die Wahlvorschläge von jeweils drei Wahlberechtigten der Gruppe unterzeichnet sein müßten. Innerhalb der Vorschlagsfrist gingen beim Wahlvorstand am 4. und 7. Juni 1984 Vorschlagslisten der beiden Angestellten ein. Jeweils im Anschluß daran teilte der Wahlvorstand den Angestellten mit, der Wahlvorschlag sei ungültig, weil er u.a. nicht drei Unterschriften von wahlberechtigten Gruppenangehörigen habe. So bestehe der zu wählende Betriebsrat nur aus Vertretern der Arbeitergruppe. Die Wahl werde am 3. Juli 1984 als Gemeinschaftswahl durchgeführt. Die Angestellten könnten ihre Stimme gemeinsam mit der Arbeitergruppe abgeben. In der darauf folgenden Wahl wurden von 26 Arbeitnehmern drei gewerbliche Arbeitnehmerinnen gewählt. Der Wahlvorstand machte das Ergebnis am 5. Juli 1984 durch Aushang bekannt. Mit am 13. Juli 1984 beim Arbeitsgericht eingegangener Antragsschrift hat die Antragstellerin die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl unter Berufung auf die Verletzung des § 10 Abs. 3 BetrVG angefochten.
Sie hat beantragt,
die in ihrem Betrieb am 3. Juli 1984
durchgeführte Wahl des Betriebsrats
für unwirksam zu erklären.
Der Antragsgegner hat um Zurückweisung des Antrags gebeten und das Verhalten des Wahlvorstands als mit der Vorschrift des § 14 Abs. 5 BetrVG übereinstimmend verteidigt.
Arbeits- und Landesarbeitsgericht haben die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte der Antragsgegner zunächst sein erstinstanzliches Ziel der Zurückweisung des Antrags weiter. Nachdem am 16. März 1987 im Betrieb der Antragstellerin eine Neuwahl des Betriebsrats stattgefunden und dieser sich am 18. März 1987 konstituiert hat, hält der Antragsgegner die Hauptsache für erledigt, während die Antragstellerin an ihrem ursprünglichen Antrag festhält.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Antrag der Antragstellerin, mit dem die Anfechtung der Betriebsratswahl von 1984 betrieben wird (Anhaltspunkte für die Nichtigkeit der Wahl sind weder von der Antragstellerin vorgetragen noch ersichtlich), ist in der Revisionsinstanz unzulässig geworden, weil das Rechtsschutzinteresse nachträglich weggefallen ist.
1. Im Beschlußverfahren ist auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen, ob das Rechtsschutzinteresse für die begehrte Entscheidung fortbesteht (BAGE 39, 259, 264 = AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979; BAG Beschluß vom 25. Juni 1974 - 1 ABR 68/73 - AP Nr. 3 zu § 19 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 16. März 1965 - 1 ABR 15/64 - AP Nr. 10 zu § 92 ArbGG 1953; BAGE 4, 268 = AP Nr. 2 zu § 81 ArbGG 1953). Fehlt das Rechtsschutzinteresse oder ist es zwischenzeitlich weggefallen, so ist der Antrag nicht (mehr) zulässig. Denn Gerichte sollen nicht für Entscheidungen in Anspruch genommen werden, die nach ihrem Ausspruch für die Beteiligten ohne Wirkung sind.
2. Das Rechtsschutzinteresse ist zu verneinen, wenn ein konkreter Vorgang, der zum Verfahren geführt hat, abgeschlossen ist und die begehrte Entscheidung keinen der Beteiligten in seinem betriebsverfassungsrechtlichen Rechten mehr betreffen kann. Demgemäß entfällt das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung einer Betriebsratswahl dann, wenn zwischenzeitlich die Amtsperiode des seinerzeit gewählten Betriebsrats abgelaufen ist, ein neuer Betriebsrat gewählt worden ist und sich konstituiert hat. Denn die gerichtliche Klärung der Frage, ob bei der Wahl Verstöße gegen Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes vorgekommen sind oder nicht, die die Anfechtbarkeit der Wahl begründen, bliebe ohne praktische Auswirkungen für die Beteiligten. Denn die gerichtliche Feststellung der Anfechtbarkeit der Wahl wirkt erst vom rechtskräftigen Ausspruch über die Begründetheit der Anfechtung (ex-nunc-Wirkung). So diente eine sachliche Entscheidung des Senats allein der Feststellung, wessen Rechtsansicht zutreffend gewesen ist. Das wäre ein Rechtsgutachten, dessen Erstellung nicht zu den Aufgaben der Gerichte gehört (BAG aaO).
So verhält es sich im Streitfall. Unmittelbar vor dem zunächst beabsichtigten Termin zur mündlichen Anhörung in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist ein neuer Betriebsrat gewählt worden, der sich auch bereits konstituiert hat. Damit ist das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin an der Feststellung der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom 3. Juli 1984 weggefallen.
3. Wenn die im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragene Behauptung der Antragstellerin zutreffen sollte, bei der Neuwahl des Betriebsrats am 16. März 1987 sei die Gruppe der zwei Angestellten wiederum mit der Begründung nicht berücksichtigt worden, sie könne keinen wirksamen Wahlvorschlag einreichen, bleibt dadurch das Rechtsschutzinteresse der Antragstellern für das vorliegende Verfahren nicht erhalten. Denn deren Antrag bezieht sich allein auf die Anfechtbarkeit der Wahl von 1984. Die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens von 1987 kann nur in einem gesonderten Beschlußverfahren geltend gemacht werden. In diesem Verfahren könnte gegebenenfalls ein neben dem den konkreten Vorgang betreffenden Antrag im Wege der Antragshäufung ein weiterer, allgemein gehaltener Antrag gestellt werden, der geeignet ist, die hinter dem konkreten Vorgang stehende betriebsverfassungsrechtliche Streitfrage unabhängig von der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit generell zu klären. Allerdings bedarf es insoweit eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. BAGE 39, 259, 267, 268).
4. Da die Antragstellerin aus der veränderten Tatsachenlage keine prozessualen Konsequenzen gezogen hat und anstelle der gebotenen Erledigungserklärung nach den §§ 95, 83 a Abs. 1 und 2 ArbGG ihren ursprünglichen Antrag aufrechterhalten hat, war der unzulässig gewordene Antrag unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen abzuweisen, ohne daß der Senat zu den von den Beteiligten erörterten materiellen Rechtsfragen Stellung zu nehmen hat.
Dr. Röhsler Schneider Dörner
Hohnheit Dr. Walz
Fundstellen