Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Revisionsbegründung
Orientierungssatz
Befaßt sich das LArbG auf etwa vier Seiten mit bestimmten Rechtsfragen, dann darf sich die Revisionsbegründung nicht mit einigen formelhaften Wendungen begnügen. Sie hat sich im einzelnen mit der Würdigung des LArbG auseinanderzusetzen. Auch die Bezugnahme auf die vorinstanzlichen Ausführungen genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung.
Normenkette
ArbGG § 74 Abs. 2; ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a
Verfahrensgang
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der im Jahre 1937 geborene Kläger wurde mit Arbeitsvertrag vom 2. Januar 1968, der vom Vorstand der Justizvollzugsanstalt E unterzeichnet ist, befristet bis 30. Juni 1968 als Angestellter im Werkdienst bei der Justizvollzugsanstalt E eingestellt. Vom 1. Juli 1968 bis 31. Oktober 1970 befand sich der Kläger als Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst zum Werkführeranwärter, bestand jedoch die Anstellungsprüfung nicht. Ab 1. November 1970 wurde der Kläger aufgrund des am 2. November 1970 abgeschlossenen Arbeitsvertrages, der wiederum vom Vorstand der Justizvollzugsanstalt E unterzeichnet ist, erneut als Angestellter im Werkdienst beschäftigt. Die Arbeitsverträge vom 2. Januar 1968 und 2. November 1970 enthalten die Angabe, daß der Arbeitsvertrag mit Genehmigung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz abgeschlossen werde. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) und die diesen Tarifvertrag ergänzenden oder ändernden Tarifverträge Anwendung.
In den letzten Jahren seiner Tätigkeit stand der Kläger des öfteren während der Dienstzeit erkennbar unter Alkoholeinfluß. Der Kläger gibt zu, von Fall zu Fall auch während der Arbeitszeit Alkohol getrunken zu haben. Am 4. April 1984 wurde der Kläger vom Leiter der Justizvollzugsanstalt E wegen seines Alkoholkonsums abgemahnt. Über diesen Vorgang wurde ein Aktenvermerk mit folgendem Wortlaut angefertigt: "Darüber belehrt, daß der Alkoholkonsum des Bediensteten während der Dienstzeit bei Bediensteten und Gefangenen zunehmend Anstoß erregt und im Erziehungsvollzug nicht tragbar ist. Bei nicht radikaler Umstellung wurde ordentliche oder außerordentliche Kündigung angedroht".
Am 18. April 1985 besuchte der Kläger während der Dienstzeit ein Schreibwarengeschäft, das auch Bier und Schnaps führt. Da der Kläger nach Alkohol roch, wurde mit seiner Zustimmung ein Alkoholtest durchgeführt. Das Alkotestgerät zeigte eine Blutalkoholkonzentration des Klägers von mehr als 1,5 Promille an.
Mit Schreiben vom 26. April 1985 kündigte der Beklagte nach Anhörung des Personalrats dem nach eigenen Angaben nicht alkoholkranken Kläger zum 31. Dezember 1985. Das Kündigungsschreiben ist vom Anstaltsleiter der Justizvollzugsanstalt E unterzeichnet.
Mit der am 14. Mai 1985 erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. April 1985, dem Kläger zugegangen am 26. April 1985, zum 31. Dezember 1985 nicht aufgelöst ist, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus unbefristet fortbesteht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und sein erstinstanzliches Vorbringen wie folgt begründet: Die Kündigung sei unwirksam, weil der Anstaltsleiter keine Vollmachtsurkunde beigelegt und er, der Kläger, aus diesem Grunde die Kündigung wegen der fehlenden Vollmacht in der Klageschrift als unwirksam zurückgewiesen habe. Des weiteren sei er nach § 53 Abs. 3 BAT unkündbar. Darüber hinaus sei die Kündigung auch sozial ungerechtfertigt.
Der Beklagte hat erwidert: An der Kündigungsbefugnis des Leiters der Justizvollzugsanstalt E bestünden nicht die geringsten Zweifel. Sie ergebe sich bereits daraus, daß die abgeschlossenen Arbeitsverträge vom Anstaltsleiter für den Beklagten unterzeichnet worden seien. Des weiteren ergebe sich aus der Organisationsstruktur, daß der Leiter einer Behörde zum Ausspruch von Kündigungen berechtigt sei. Im übrigen sei vor der Kündigung fernmündlich die Zustimmung des zuständigen Personalreferenten im Bayerischen Staatsministerium der Justiz eingeholt worden. Der Kläger sei auch zum Zeitpunkt der Kündigung nicht unkündbar im Sinne des § 53 Abs. 3 BAT gewesen, denn die Zeit der Tätigkeit als Beamter auf Widerruf könne nicht als Beschäftigungszeit im Sinne der tariflichen Vorschriften angerechnet werden.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Gegen das am 14. Juni 1988 dem Kläger zugestellte Urteil des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger mit einem am 24. Juni 1988 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 23. Juni 1988 Revision eingelegt und diese zugleich wie folgt begründet:
"1. Die Ausführungen vor dem Arbeitsgericht B werden zum Gegenstand der Ausführungen vor dem Bundesarbeitsgericht gemacht und hiermit ausdrücklich nebst Beweisantritten wiederholt.
2. Die Ausführungen vor dem Landesarbeitsgericht N werden ebenfalls zum Gegenstand des Vortrages vor dem Bundesarbeitsgericht gemacht und ausdrücklich vor demselben nebst Beweisantritten wiederholt.
3. Weitere Begründung erfolgt umgehend.
Schon jetzt wird ausgeführt, daß die Revision sich im wesentlichen darauf stützt, daß
a) die Kündigung mangels Vollmacht, deren Mangel rechtzeitig gerügt wurde, unwirksam ist.
b) Der Revisionskläger nach § 53 III BAT unkündbar war, weil seine Zeit vor der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ebenso anzurechnen ist, wie die Zeit des Beamtenverhältnisses auf Widerruf.
Insoweit wird auf den bisherigen Vortrag ebenfalls verwiesen."
Mit einer am 24. August 1988 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Telekopie hat der Kläger "um Verlängerung der heute auslaufenden Revisionsbegründungsfrist bis zum 26. September 1988 gebeten."
B. Die Revision ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der am 25. Juli 1988 abgelaufenen Revisionsbegründungsfrist in der gesetzlich vorgeschriebenen Form begründet worden ist (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO).
Zu der für das Urteilsverfahren geltenden Vorschrift des § 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO, wonach die Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe, und zwar die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm, enthalten muß, verlangt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei sachlich-rechtlichen Revisionsangriffen - auch im Interesse der Partei, vor der Durchführung einer unbedachten Revision bewahrt zu werden - eine sorgfältige, über ihren Umfang und Zweck keine Zweifel lassende Begründung, die sich mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt und im einzelnen darlegt, was der Revisionskläger daran zu beanstanden hat und warum er sie für unrichtig hält (BAG Urteil vom 20. Februar 1963 - 4 AZR 69/62 - AP Nr. 17 zu § 611 BGB Akkordlohn; BAG Beschluß vom 4. September 1975 - 3 AZR 230/75 - AP Nr. 15 zu § 554 ZPO). Das Bundesarbeitsgericht befindet sich mit diesen Anforderungen im Einklang mit der Rechtsprechung anderer oberster Bundesgerichte, die bei gleicher Gesetzeslage wie § 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO für eine formgerechte Revisionsbegründung ebenfalls eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils fordern (BVerwG Beschluß vom 30. April 1980 - 7 C 88/79 -, NJW 1980, 2268, 2269, zu § 139 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; BSG Beschluß vom 2. Januar 1979 - 11 RA 54/78 - AP Nr. 16 zu § 554 ZPO, zu § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG; BFH Beschluß vom 12. Januar 1977 - I R 134/76 -, BStBl II 1977, 217, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen, zu § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Dies wird aus dem Gesetzeswortlaut hergeleitet, wonach die Revision zu "begründen" ist. Aus dem Sinn des Wortes "Begründung" ergibt sich, daß wenigstens eine kurze sachliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil stattzufinden hat (BFH, aaO).
An einer Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fehlt es im vorliegenden Fall. Die Revisionsbegründung des Klägers beschränkt sich darauf, in wenigen Worten zu sagen, die Kündigung sei mangels Vollmacht, deren Mangel rechtzeitig gerügt worden sei, unwirksam. Außerdem sei der Kläger nach § 53 Abs. 3 BAT unkündbar, weil seine Zeit vor der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ebenso anzurechnen sei, wie die Zeit des Beamtenverhältnisses auf Widerruf. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit diesen Rechtsfragen auf etwa vier Seiten befaßt. Die Revisionsbegründung durfte sich daher nicht mit einigen formelhaften Wendungen begnügen. Sie hätte sich im einzelnen mit der Würdigung des Landesarbeitsgerichts auseinandersetzen müssen. Sie hätte insbesondere darlegen müssen, was sie an der rechtlichen Beurteilung des Landesarbeitsgerichts zu beanstanden hatte und warum sie die gegenteiligen Erwägungen des Landesarbeitsgerichts nicht für zutreffend hält. Auch die Bezugnahme auf die vorinstanzlichen Ausführungen genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung. Die Verweisung auf vorinstanzliche Schriftsätze ist nur ein Beharren auf dem, was früher schon gesagt worden ist, und nicht eine Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil, wie das durch § 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO geboten ist.
Die Revision war daher gemäß § 74 Abs. 2, § 72 Abs. 5 ArbGG i. Verb. m. § 554 a ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Dr. Seidensticker Dr. Steckhan Dr. Becker
Fundstellen