Entscheidungsstichwort (Thema)
Streikunterbrechung an Wochenfeiertag
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu – 1 AZR 786/91 – vom 1. März 1995 – zur Veröffentlichung vorgesehen –
Normenkette
FeiertagslohnzahlungsG § 1 Abs. 1 S. 1; GG Art. 9 Arbeitskampf
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 9. August 1994 – 2 Sa 21/94 – aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 5. Januar 1994 – 19 Ca 479/93 – wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über gesetzliche und tarifvertragliche Ansprüche auf Feiertagslohnzahlung für den Pfingstmontag 1993, an dem ein vorher begonnener und nachher fortgesetzter Streik als ausgesetzt erklärt worden war.
Der Kläger, Mitglied der IG Metall, ist bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte gehört dem Fachverband Klempner- und Sanitärtechnik Hamburg e.V. (Arbeitgeberverband) an.
Am 25. Mai 1993 rief die IG Metall für das Klempner- und Sanitärhandwerk in Hamburg zum unbefristeten Streik auf. Bestreikt wurden 22 der rund 700 Mitgliedsbetriebe des Arbeitgeberverbandes, darunter auch die Beklagte. Insgesamt nahmen von den 33 gewerblichen Arbeitnehmern der Beklagten vom Dienstag bis zum Freitag vor Pfingsten (25. bis 28. Mai 1993) zunächst sieben, dann sechs am Streik teil. Zu ihnen gehörte der Kläger.
Am 28. Mai 1993 erhielt die Beklagte von der örtlichen Streikleitung der IG Metall folgendes Schreiben:
„Feiertagsentlohnung wahrend des Streiks
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir möchten Sie darüber informieren, daß nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Mai 1993 der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Feiertagsvergütung nach § 1 des Feiertagslohnzahlungsgesetzes (in unserem Fall ergibt sich dies auch aus § 8 Abs. 2 des Manteltarifvertrages für das Sanitärhandwerk) auch während eines Streiks zu bezahlen, wenn dieser über den Feiertag ausgesetzt wird.
Wir teilen Ihnen hierdurch mit, daß für die Pfingstfeiertage (30. und 31. Mai 1993) der Streik ausgesetzt und am Dienstag, den 1. Juni 1993 ab 6.00 Uhr fortgeführt wird.
Wir bitten Sie sicherzustellen, daß mit der Mai-Abrechnung bei unseren streikenden Mitgliedern der Pfingstmontag als Feiertag vergütet wird.
Gleichzeitig möchten wir Ihnen mitteilen, daß wir unsere Mitglieder darüber in Kenntnis gesetzt haben, daß sie aufgrund der Aussetzung des Streikes verpflichtet sind, evtl. eingeteilte Notdienste für den 30. und 31. Mai 1993, die betrieblich bestehen, wahrzunehmen.”
Gleichlautende Schreiben erhielten die übrigen bestreikten Arbeitgeber. Der Arbeitgeberverband wurde an demselben Tage ebenfalls unterrichtet. Am Dienstag nach Pfingsten wurde der Streik fortgeführt.
Das Klempner- und Sanitärhandwerk organisiert in Hamburg einen Bereitschaftsdienst an Sonn- und Feiertagen, zu dem jeweils 10 bis 15 Mitgliedsbetriebe des Arbeitgeberverbändes herangezogen werden. Die Beklagte war für Pfingsten 1993 nicht eingeteilt. Sie hat an den Pfingsttagen keine Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung in Anspruch genommen.
In § 8 des zwischen der IG Metall und dem Fachverband Klempner- und Sanitärtechnik Hamburg e.V. abgeschlossenen Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer des Gas- und Wasserinstallateur- und Klempner-Handwerks Hamburg vom 3. Februar 1989 (MTV) ist folgendes bestimmt:
„§ 8
Sonderurlaub und Feiertagsbezahlung
…
2. Bezahlte Feiertage
a) Für die Arbeitszeit, die infolge der nachstehend aufgeführten Feiertage ausfällt, ist den Arbeitnehmern der Arbeitsverdienst gemäß § 13 Ziffer 1–5 zu zahlen:
… Pfingstmontag …”
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe sowohl nach dem Manteltarifvertrag als auch nach dem Feiertagslohnzahlungsgesetz Arbeitsentgelt für den Pfingstmontag in der – rechnerisch unstreitigen – Höhe von 265,92 DM brutto zu. Seine Arbeit sei infolge des gesetzlichen Feiertags ausgefallen. Der Streik sei für die beiden Pfingsttage ausgesetzt gewesen. Dies habe nicht das Gebot der fairen Kampfführung verletzt. Eine Kampftaktik, welche die Streikkasse schone und den Kostendruck auf den Arbeitgeber verstärke, sei zulässig, solange sie die Existenz des Unternehmens nicht gefährde. Die Belastung mit der Entgeltfortzahlung für den Pfingstmontag sei so gering, daß eine solche Gefahr ausgeschlossen werden könne. Im übrigen sei die Aussetzung des Streiks der Beklagten so rechtzeitig mitgeteilt worden, daß sie den Kläger tatsächlich zur Arbeitsleistung hätte heranziehen können, wenn sie zur Feiertagsarbeit eingeteilt oder wenn der Montag kein Feiertag gewesen wäre. Auch hätte sie der Aussetzung des Streiks durch Aussperrungsmaßnahmen begegnen können.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 265,92 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juni 1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Meinung steht dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch schon entgegen, daß die Arbeit am Pfingstmontag nicht allein wegen des Feiertags ausgefallen sei. Wäre der Montag kein Feiertag gewesen, so wäre an diesem Tag gestreikt worden. Die IG Metall habe den Streik nämlich nur unterbrochen, um Ansprüche auf Feiertagslohnzahlung entstehen zu lassen. Zumindest aber sei die Aussetzung des Streiks aus diesem Grund rechtsmißbräuchlich gewesen. Sie habe keinem tarifvertraglich regelbaren Ziel gedient. Im übrigen hätte sie, die Beklagte, wegen der späten Unterrichtung über die Unterbrechung des Streiks und wegen der geringen Zahl der am Streik beteiligten Arbeitnehmer weder tatsächlich noch rechtlich die Möglichkeit gehabt, ihre gewerblichen Arbeitnehmer nur für den Pfingstmontag auszusperren.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Der Kläger hat weder einen gesetzlichen noch einen tarifvertraglichen Anspruch auf Arbeitsentgelt für den Pfingstmontag 1993.
I. Der Kläger kann nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen (FeiertagslohnzahlungsG) keine Entgeltzahlung verlangen. Zu Unrecht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, die Arbeit sei am Pfingstmontag 1993 infolge des gesetzlichen Feiertags ausgefallen.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen, daß hier als gesetzliche Anspruchsgrundlage nur das FeiertagslohnzahlungsG in Betracht kommt. Dieses ist zwar inzwischen durch das am 1. Juni 1994 in Kraft getretene Entgeltfortzahlungsgesetz ersetzt worden, hat aber im streitbefangenen Zeitraum noch gegolten.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Arbeit nur dann im Sinne dieser Vorschrift „infolge” eines gesetzlichen Feiertags ausgefallen, wenn der Feiertag die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall gewesen ist. Dagegen entsteht der Anspruch nicht, wenn die Arbeit auch aus anderen Gründen ausgefallen ist, z.B. wegen eines Arbeitskampfs. Fällt ein gesetzlicher Feiertag, in die Zeit eines Streiks, so ist der Arbeitsausfall an diesem Feiertag durch den Arbeitskampf verursacht, ein Anspruch auf Feiertagslohnzahlung besteht nicht. Andererseits muß Feiertagslohn gezahlt werden, wenn der Arbeitskampf unmittelbar vor dem Feiertag endet oder sich unmittelbar an ihn anschließt. In beiden Fällen ist als einzige Ursache für den Arbeitsausfall der gesetzliche Feiertag anzusehen (z.B. BAGE 58, 320, 322 f. = AP Nr. 56 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu II der Gründe; Urteil vom 11. Mai 1993 – 1 AZR 649/92 – AP Nr. 63 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 4 der Gründe). Der Senat hat daher für den Fall, daß an den Arbeitstagen unmittelbar vor Pfingsten gestreikt, sodann am Pfingstdienstag gearbeitet und vom Mittwoch an wieder gestreikt wird, einen Anspruch auf Feiertagslohnzahlung für den Pfingstmontag bejaht (AP Nr. 63, a.a.O.).
3. Nach diesen Grundsätzen war im vorliegenden Fall für den Arbeitsausfall am Pfingstmontag 1993 nicht der Feiertag allein ursächlich. Der Streik war an diesem Tage nicht unterbrochen.
a) Der rechtmäßige Streik beginnt damit, daß eine Gewerkschaft die Arbeitnehmer dazu aufruft, in den Streik zu treten. Dieser Aufruf allein kann aber noch nicht bewirken, daß die Hauptpflichten aus den einzelnen Arbeitsverhältnissen suspendiert werden. Vielmehr bedarf es hierzu noch – konkludenter oder ausdrücklicher – Erklärungen der einzelnen Arbeitnehmer, daß sie am Streik teilnehmen (BAGE 58, 320, 323 = AP Nr. 56 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG. zu II 1 der Gründe).
In gleicher Weise endet die Suspendierung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag erst durch eine gestaltende Erklärung.
Entweder muß der einzelne Arbeitnehmer erklären, er scheide aus dem Streikgeschehen aus, oder die Streikleitung muß für alle Streikteilnehmer verbindlich den Streik für beendet erklären (BAGE 58, 320, 324 = AP, a.a.O., zu II 2 der Gründe). Im letzteren Fall macht es keinen Unterschied, ob es sich um die endgültige oder nur um eine vorübergehende Beendigung des Arbeitskampfes handelt. Beachtlich ist eine solche Erklärung freilich nur dann, wenn sie sich auf die suspendierte Arbeitspflicht tatsächlich auswirken soll. Voraussetzung ist also, daß entweder der einzelne Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung wieder anbietet oder die kämpfführende Gewerkschaft ihre Mitglieder zur Arbeitsaufnahme auffordert. Erschöpft sich hingegen der Sinn der Erklärung darin, das objektiv unveränderte Streikgeschehen lediglich anders zu benennen, um vertragsrechtliche Folgen herbeizuführen, so ist das arbeitskampfrechtlich bedeutungslos. Die Suspendierung der Hauptpflichten bleibt bestehen.
b) So verhält es sich hier. Gegenüber der Beklagten ist der Streik durch das Schreiben der IG Metall vom 28. Mai 1993 nicht unterbrochen worden. Die Aussetzungserklärung war nur darauf gerichtet, die Pfingstfeiertage als streikfrei zu deklarieren, um Feiertagslohnzahlung zu veranlassen. Sie zielte dagegen nicht auf eine tatsächliche Unterbrechung des Streiks durch Wiederaufnahme der Arbeit bei der Beklagten. Im Betrieb der Beklagten kam an diesen Tagen die Heranziehung der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung nicht in Betracht.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß unter den bestreikten Betrieben möglicherweise auch solche waren, die für die Pfingstfeiertage zum Bereitschaftsdienst eingeteilt waren. Gegenüber solchen Betrieben mag die Aussetzungserklärung der IG Metall, worauf im letzten Absatz ihres Schreibens auch ausdrücklich hingewiesen ist, tatsächliche Wirkungen entfaltet haben. Zu diesen Betrieben gehörte derjenige der Beklagten indessen nicht.
4. Da es an einer für die Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG beachtlichen Unterbrechung des Streiks fehlt, kommt es auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob eine solche Streiktaktik zulässig ist, hier nicht an. Ebensowenig besteht für den Senat Veranlassung, die Zulässigkeit von Aussperrungen in diesem Zusammenhang zu erörtern. Eine dahingehende Bemerkung im Urteil vom 11. Mai 1993 (– 1 AZR 649/92 – AP Nr. 63 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu II 3 der Gründe) bedarf der fallbezogenen Vertiefung, wie die Stellungnahmen im Schrifttum zeigen (Löwisch, AR-Blattei ES 170.2 Nr. 37; Richardi, SAE 1994, 304, 305 f.).
II. Auch aus § 8 Ziff. 2 Buchst. a MTV, der kraft beiderseitiger Verbands Zugehörigkeit auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anzuwenden ist, ergibt sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht. Der Manteltarifvertrag enthält, soweit hier von Interesse, keine vom Feiertagslohnzahlungsgesetz abweichende Regelung des Entgeltanspruchs.
Auch nach dieser Tarifbestimmung ist Voraussetzung für den Entgeltanspruch, daß die Arbeitszeit infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt. Insoweit stimmt sie, wenn man von der abweichenden Bezeichnung der gesetzlichen Feiertage absieht, wörtlich mit der entsprechenden Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG überein. Folgt eine Tarifbestimmung der Terminologie des Gesetzes, so ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, daß die Tarifparteien die verwendeten Begriffe in der gleichen Bedeutung verstehen, die sie in der gesetzlichen Regelung haben (ständige Rechtsprechung des BAG, z.B. Urteil vom 5. Februar 1971 – 4 AZR 66/70 – AP Nr. 120 zu § 1 TVG Auslegung). Hier ergeben sich weder aus dem Regelungszusammenhang des Manteltarifvertrages noch aus anderen Umständen Gesichtspunkte dafür, daß die Frage, ob die Arbeit infolge des gesetzlichen Feiertags ausgefallen ist, nach § 8 Ziff. 2 Buchst. a MTV anders zu beantworten sein könnte als nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG. Dies haben zutreffend auch die Vorinstanzen angenommen.
Unterschriften
Dieterich, Rost, Wißmann, Breier, Elias
Fundstellen