Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen
Orientierungssatz
Krankheitsbedingte Kündigung, ungewöhnliche Häufung von Unfällen, negative Gesundheitsprognose in solchen Fällen.
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 07.12.1988; Aktenzeichen 2 Sa 85/88) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 26.04.1988; Aktenzeichen 11 Ca 1481/88) |
Tatbestand
Der am 1. Dezember 1958 geborene, ledige Kläger war seit dem 2. September 1974 in dem Automobilwerk der Beklagten in S beschäftigt, zuletzt als Betriebsschlosser im Störungs- und Wartungsdienst. Seit dem Jahre 1975 hatte er folgende, nicht auf Betriebsunfällen beruhende Fehlzeiten:
Jahr Arbeitstage
1975 4 ein Krankheitsfall
1976 34 drei Krankheitsfälle
1977 31 elf Krankheitsfälle
1978 3 ein Krankheitsfall
1979 23 drei Krankheitsfälle
1980 54 sieben Krankheitsfälle
1981 26 sechs Krankheitsfälle
Jahr Arbeitstage Ursache
1982
19.01. - 31.01. 9 Splitterbruch des
29.03. - 04.07. 64 li. Sprunggelenks
(Sportunfall)
26.07. 1
05.10. - 17.10. 9 Folgen des Sportunfalls
--
insgesamt 83
1983
20.04. - 15.05. 17
21.06. 1
12.09. - 23.09. 10
26.09. - 30.09. 5
10.10. - 18.12. 48 Entzündung des rechten
-- Knies
insgesamt 81
1984
26.01. - 27.01. 2
06.02. - 17.02. 10
20.02. - 26.02. 5
20.03. - 26.03. 5
18.04. - 19.04. 2
25.04. - 01.05. 4
16.07. - 10.08. 20 Entzündung des rechten
Kniegelenks
01.10. - 09.12. 48 dto. und Schleimbeutel-
Operation am rechten
-- Knie und am linken
insgesamt 96 Ellenbogen
1985
31.01. - 08.02. 7 Grippe
19.03. - 24.03. 4 Grippe
01.05. - 10.05. 7 Augenverletzung
(privater Unfall)
29.07. - 09.08. 10 Hypotonie
06.11. - 12.11. 5 Angina Lacunaris
--
insgesamt 33
1986
20.01. - 29.01. 8 Enterokolitis
(Darmentzündung)
17.03. - 27.03. 9 Grippe
01.04. - 15.04. 11 Sprunggelenksdistorsion
(privater Unfall)
20.06. 1 Zehenprellung
07.07. - 27.07. 15 mobiles Kolon
28.07. - 30.07. 3 Magenschmerzen
31.07. - 01.08. 2
28.10. - 07.11. 9 Grippe
--
insgesamt 58
1987
04.02. - 13.02. 8 Grippe
26.02. - 27.02. 2 Ellenbogenprellung
16.03. - 24.04. 28 Hodenquetschung
22.07. - 31.07. 8
24.08. - 28.08. 5 Handprellung
09.09. - 28.09. 14 Metakarpalprellung/
(Mittelhand) schweres
Trauma
04.11. - 11.11. 6 Bronchitis
13.11. - 20.11. 6 Thorakalsyndrom
02.12. - 15.12. 10 Handschnittverletzung
-- mit Nervenabtrennung
insgesamt 87
1988
04.02. - 12.02. 7 Gastroenteritis
Mit Schreiben vom 4. Februar 1988 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat von ihrer Absicht, dem Kläger wegen betrieblicher Störungen und wirtschaftlicher Belastungen, die durch hohe und häufige Fehlzeiten bedingt seien, fristgemäß zu kündigen. Sie führte darin u.a. die Fehlquoten des Klägers und die durchschnittlichen Fehlquoten in seiner Abteilung in den Jahren 1981 - 1987 auf und wies darauf hin, da der Kläger im Störungs- und Wartungsdienst eingesetzt sei, für den eine feste Anzahl von Mitarbeitern zur Verfügung stehe, bedeute eine überdurchschnittliche krankheitsbedingte Abwesenheit eines Mitarbeiters eine Mehrbelastung für die restlichen Arbeitskollegen. Der Betriebsrat antwortete am 9. Februar 1988, die beabsichtigte Kündigung sei erörtert worden, Widerspruch werde nicht eingelegt. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 10. Februar 1988 fristgemäß zum 31. März 1988.
Mit der vorliegenden Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt. Er hat geltend gemacht, sie sei sozialwidrig, und beantragt
1. festzustellen, daß die Kündigung der Beklagten
vom 10. Februar 1988 rechtsunwirksam ist und
das Arbeitsverhältnis der Parteien über den
31. März 1988 hinaus fortbesteht,
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger arbeits-
vertragsgemäß bis zur rechtskräftigen Entscheidung
im vorliegenden Verfahren wie bisher weiterzube-
schäftigen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, es seien weitere erhebliche Fehlzeiten des Klägers zu erwarten, die zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führten, die in den außerordentlich hohen Lohnfortzahlungskosten zu sehen sei.
Der Kläger sei zuletzt als Betriebsschlosser für Reparatur und vorbeugende Instandhaltung von Förderanlagen im Rohbau eingesetzt gewesen. Zu den Ursachen für die in den Jahren 1975 bis 1981 aufgetretenen Fehlzeiten habe er nichts vorgetragen. Auch soweit er für die Folgezeit Krankheitsursachen angegeben habe, sprächen diese nicht gegen das Auftreten entsprechender Ausfälle in der Zukunft. Seit dem Jahre 1984 habe er an 14 meist verschiedenartigen Krankheiten gelitten, darunter wiederholt an Erkältungskrankheiten; dies spreche für eine besondere Anfälligkeit in diesem Bereich. Auch die in den letzten sechs Jahren aufgetretenen Unfallverletzungen deuteten auf eine entsprechende Entwicklung in der Zukunft hin. Der Kläger sei entweder besonders verletzungsanfällig oder den Anforderungen des ausgeübten Sports und der sonstigen Freizeitbeschäftigungen nicht gewachsen.
Das Arbeitsverhältnis sei von Anfang an mit erheblichen Ausfallzeiten belastet gewesen. Sie habe insgesamt hierfür 122.073,80 DM an Lohnfortzahlung und an Lohnnebenkosten aufgewandt. Die im Hinblick auf das niedrige Lebensalter des Klägers zu erwartende Kostenbelastung in der Zukunft sei ihr nicht mehr zumutbar.
Der Kläger hat erwidert, an die Ursachen der Ausfallzeiten bis zum Jahr 1981 könne er sich nicht mehr erinnern. Die Erkrankungen beruhten nicht auf einem Grundleiden. Er habe etwa bis zum Jahre 1985 regelmäßig Basketball gespielt. Dieser Sport und die von ihm darüber hinaus in seiner Freizeit ausgeübten Sportarten wie Federball, Ski- und Waldlauf seien nicht besonders gefährlich. Den Splitterbruch habe er sich beim Basketballspielen zugezogen. Die Entzündung im Knie und die Schleimbeutelentzündung im linken Ellenbogen in den Jahren 1983 und 1984 seien ausgeheilt; er habe deswegen keine weiteren Fehlzeiten mehr gehabt. Das Basketballspielen habe er etwa seit dem Jahr 1986 aufgegeben, und auch die übrige sportliche Betätigung werde mit zunehmendem Alter abnehmen. In den letzten drei Jahren hätten sich seine Ausfallzeiten auf zwei bis drei Monate im Jahr beschränkt. Hiervon beruhten etwa die Hälfte auf Unfällen und nur etwa vier bis sechs Wochen auf sonstigen Erkrankungen. Mit längeren Ausfallzeiten sei deshalb in Zukunft nicht zu rechnen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Kündigung der Beklagten sei sozial gerechtfertigt, weil auch für die Zukunft mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers zu rechnen sei, die zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung der Beklagten mit Lohnfortzahlungskosten führten.
Das Berufungsgericht hat hierzu im wesentlichen ausgeführt, die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers seien in den Jahren 1982 bis 1987 erheblich gewesen, weil sie jeweils einen Zeitraum von 30 Arbeitstagen überschritten hätten.
Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung hätten auch objektive Tatsachen vorgelegen, die die ernstliche Besorgnis weiterer häufiger Kurzerkrankungen rechtfertigten. Dies folge aus der Häufigkeit und Dauer der Erkrankungen sowie der Tatsache, daß sie seit dem Jahre 1982 in jedem Jahr aufgetreten seien. Die auf den hohen Fehlzeiten in diesen Jahren beruhende negative Gesundheitsprognose werde durch die vom Kläger vorgetragenen Ursachen nicht erschüttert.
Zwar beruhe ein erheblicher Teil der Fehlzeiten auf Unfällen, die der Kläger bei sportlicher Betätigung und sonstigen Freizeitaktivitäten erlitten habe, und zwar im Jahre 1982 73 Tage (Splitterbruch des rechten Sprunggelenks), 1986 12 Tage (Sprunggelenkdistorsion und Zehenprellung), 1987 55 Tage (Ellenbogenprellung, Hodenquetschung, Handprellung, Metakarpal(Mittelhand-)prellung) und ferner im Jahre 1985 sieben Tage (Augenverletzung, privater Unfall) sowie weitere zehn Tage im Jahre 1987 wegen einer Schnittverletzung der Hand mit Nervenabtrennung. Hierdurch werde aber die auf den bisherigen Fehlzeiten beruhende Besorgnis erheblicher künftiger Ausfallzeiten nicht entkräftet. Normalerweise stelle ein Unfall ein einmaligen Ereignis dar, von dem nach der Lebenserfahrung nicht auf eine Wiederholung geschlossen werden könne. Der Kläger sei jedoch seit dem Jahre 1982 häufig unfallbedingt arbeitsunfähig gewesen, insbesondere im Jahre 1987. Dies rechtfertige den Schluß, daß er entweder auch bei an sich ungefährlichen Sportarten überdurchschnittlich verletzungsanfällig sei oder bei Ausübung seines Sports und der sonstigen Freizeitaktivitäten die in seinem eigenen Interesse liegende Sorgfalt in überdurchschnittlich hohem Maße außerachtlasse. Der negativen Prognose stehe auch nicht entgegen, daß der Kläger älter werde, weil die Belastbarkeit insbesondere bei sportlicher Betätigung in zunehmendem Alter abnehme.
Auch die übrigen Krankheiten seien, abgesehen von den Schleimbeutelerkrankungen im Jahre 1984, nicht so beschaffen, daß sie künftige Fehlzeiten ausschlössen. Sie deuteten auch auf eine gewisse Krankheitsanfälligkeit des Klägers hin.
Diese für die Zukunft zu besorgenden häufigen Fehlzeiten rechtfertigten die Kündigung, weil die Lohnfortzahlungskosten die der Beklagten in der Vergangenheit entstanden seien, und mit denen sie auch in Zukunft rechnen müsse, für sie eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung darstellten. Der Beklagten seien in den letzten sechs Beschäftigungsjahren Kosten für die Lohnfortzahlung von mehr als 97.000,-- DM entstanden, von denen die Kosten für 21 Fehltage, die auf Betriebsunfällen in diesem Zeitraum entfielen, nur einen geringen Teil ausmachten.
Das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiege deshalb das Interesse des Klägers an seinem Fortbestand. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, daß der Kläger keine Unterhaltspflichten habe und aufgrund seines Lebensalters für ihn im Raum Stuttgart auch keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bestünden, wieder eine neue Arbeitsstelle zu erhalten.
B. Diese Würdigung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
I. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - DB 1989, 2075, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt; ferner Senatsurteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt) ist die Sozialwidrigkeit einer wegen häufiger Kurzerkrankungen ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers in drei Stufen zu prüfen.
1. Zunächst ist eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen.
a) Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen. Dann darf der Arbeitgeber sich zunächst darauf beschränken, die Indizwirkung entfaltenden Fehlzeiten in der Vergangenheit darzulegen. Wenn der Arbeitgeber die Krankheitsursachen nicht kennt, wird ihm die Prognose bei häufigen Kurzerkrankungen dadurch erleichtert, daß der Arbeitnehmer verpflichtet ist, zur Klärung der Frage, ob Fortsetzungserkrankungen im Sinne des LohnFG vorliegen, seinen Arzt oder die Krankenkasse von der Schweigepflicht zu befreien (BAGE 51, 308, 313 = AP Nr. 67 zu § 1 LohnFG, zu III 1 der Gründe; G. Reinecke, DB 1989, 2073).
b) Daraufhin muß der Arbeitnehmer gemäß § 138 Abs. 2 ZPO dartun, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen sei. Dieser prozessualen Mitwirkungspflicht genügt er bei unzureichender ärztlicher Aufklärung oder Kenntnis von seinem Gesundheitszustand schon dann, wenn er die Behauptung des Arbeitgebers bestreitet und die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet, soweit darin die durch Auslegung seines Vortrags unter Berücksichtigung von § 139 ZPO zu ermittelnde Darstellung liegt, die Ärzte hätten die künftige gesundheitliche Entwicklung ihm gegenüber positiv beurteilt. Unsubstantiiert ist die Einlassung des Arbeitnehmers nur dann, wenn die "Berufung auf die behandelnden Ärzte" erkennen läßt, daß er sich selbst erst noch durch deren Zeugnis die noch fehlende Kenntnis über den weiteren Verlauf seiner Erkrankungen verschaffen will. Mit dieser Klarstellung hält der Senat an seiner schon in BAGE 43, 129 (= AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) vertretenen Ansicht fest, der Arbeitnehmer, der Krankheitsbefund und die vermutliche Entwicklung nicht hinreichend kenne oder schildern könne, genüge seiner prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinde. Darin liegt eine gebotene Modifizierung der bisherigen Rechtsprechung (BAGE 29, 49 = AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit), weil in der Praxis davon auszugehen ist, daß ein Arbeitnehmer, der sich auf die Auskunft seines Arztes beruft, damit hinreichend das Fehlen einer eigenen Kenntnis zum Ausdruck bringt (vgl. Ascheid, Beweislastfragen im Kündigungsschutzprozeß, S. 103 f.). Ein "Zwischenbeweisverfahren" über die vom Arbeitnehmer behauptete Unkenntnis ist allenfalls dann zu erwägen, wenn er selbst Arzt ist. In allen übrigen Fällen ersetzt die Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht ein substantiiertes Bestreiten der vom Arbeitgeber dargelegten negativen Prognose durch den Arbeitnehmer.
Zur Klärung, ob durch diese Art des Bestreitens durch den Arbeitnehmer die sich möglicherweise aus dem schlüssigen Vortrag des Arbeitgebers zur negativen Prognose ergebende Indizwirkung erschüttert werden kann, wird es regelmäßig erforderlich sein, den behandelnden Arzt als sachverständigen Zeugen (§ 414 ZPO) zu vernehmen, oder von ihm nach § 377 Abs. 3 und 4 ZPO eine schriftliche Zeugenaussage einzuholen.
Trägt der Arbeitnehmer selbst konkrete Umstände für seine Beschwerden und deren Ausheilung oder Abklingen vor, so müssen diese geeignet sein, die Indizwirkung der bisherigen Fehlzeiten zu erschüttern; er muß jedoch nicht den Gegenbeweis führen, daß nicht mit weiteren häufigen Erkrankungen zu rechnen sei (BAGE 43, 129, 139 = AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, zu B III 2 c der Gründe).
2. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Diese Beeinträchtigung ist Teil des Kündigungsgrundes. Hierbei kommen zwei Arten von Beeinträchtigungen in Betracht.
a) Wiederholte kurzfristige Ausfallzeiten des Arbeitnehmers können zu schwerwiegenden Störungen im Produktionsprozeß führen (Betriebsablaufstörungen).
b) Als Kündigungsgrund kann auch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers geeignet sein. Davon ist auch auszugehen, wenn für die Zukunft mit immer neuen, außergewöhnlich hohen Lohnfortzahlungskosten zu rechnen ist, die für jährlich jeweils einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind. Dabei ist nur auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses und nicht auf die Gesamtbelastung des Betriebes mit Lohnfortzahlungskosten abzustellen.
3.a) Liegt nach den vorstehenden Grundsätzen eine erhebliche betriebliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vor, so ist in einer dritten Stufe im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls vom Arbeitgeber noch hinzunehmen sind oder ein solches Ausmaß erreicht haben, daß sie ihm nicht mehr zuzumuten sind. Bei der Interessenabwägung ist allgemein zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, ob bzw. wie lange das Arbeitsverhältnis zunächst ungestört verlaufen ist, ferner das Alter und der Familienstand des Arbeitnehmers.
b) In der dritten Stufe ist ferner zu prüfen, ob es dem Arbeitgeber zumutbar ist, die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen durch an sich mögliche weitere Überbrückungsmaßnahmen zu verhindern.
Hält der Arbeitgeber eine Personalreserve vor, so ist dies auch bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Belastung des Arbeitgebers mit erheblichen Lohnfortzahlungskosten zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Damit werden erhebliche Kosten aufgewandt, um eine bestimmte, auf Erfahrungsregeln beruhende Fehlquote abzudecken. Diese Maßnahme stellt deshalb im Bereich der wirtschaftlichen Belastung des Betriebes einen zusätzlichen Umstand dar, der die Belastung des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten unzumutbar machen kann, ohne daß daneben noch Betriebsablaufstörungen oder weitere den Betrieb belastende Auswirkungen vorliegen müßten.
II. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zur negativen Gesundheitsprognose sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Im vorliegenden Fall sind die nicht auf Betriebsunfällen beruhenden krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers, ihre jeweilige Dauer und ihre Ursachen, soweit sie der Kläger mitgeteilt hat, unstreitig. Dies sind in erster Linie die für die Rechtfertigung der Besorgnis künftiger Erkrankungen maßgebenden Anhaltspunkte. Bei der Bewertung, ob diese Umstände ausreichen, die Annahme künftiger erheblicher Fehlzeiten zu rechtfertigen, steht dem Tatrichter ein Ermessensspielraum zu. In der Revisionsinstanz kann nur nachgeprüft werden, ob der Ermessensrahmen für die aus Fehlzeiten abgeleitete Prognose eingehalten worden ist (vgl. Senatsurteile vom 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - AP Nr. 14 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 3 der Gründe, sowie vom 6. September 1989, aaO, zu III 1 b der Gründe).
2. Das Berufungsgericht hat für die Gesundheitsprognose auf die gesundheitliche Entwicklung des Klägers vom Jahre 1982 bis zum Jahre 1987 abgestellt. Von den in diesem Zeitraum insgesamt angefallenen 438 Fehltagen hat es die auf den Schleimbeutelerkrankungen beruhenden Fehlzeiten im Jahre 1984 (48 Arbeitstage vom 1. Oktober bis 9. Dezember) ausgeklammert. Seine Würdigung, die verbleibenden 390 Fehltage rechtfertigten die Besorgnis entsprechender Ausfallzeiten in der Zukunft, hält sich in dem ihm zustehenden Ermessensrahmen.
a) Diese für die Prognose als relevant angesehenen Ausfallzeiten umfassen im Jahre 1983 (ohne Berücksichtigung der auf Schleimbeutelerkrankungen entfallenden 48 Fehltage) und im Jahre 1985 jeweils 33 Arbeitstage, im Jahre 1986 58 Arbeitstage und in den übrigen Jahren zwischen 81 und 96 Arbeitstage. Nach dem Anstieg von 83 Tagen im Jahre 1982 auf 96 Tage im Jahre 1984 folgte zwar zunächst ein Abfall auf 33 Tage, jedoch dann wieder ein Anstieg auf 57 und 87 Tagen in den Jahren 1986 und 1987. Die relevanten Krankheiten traten ferner mit einer gewissen Häufigkeit auf (1982 viermal, 1983 und 1985 fünfmal, 1984 siebenmal, 1986 achtmal, 1987 neunmal). Das Berufungsgericht hat ohne Überschreitung seines Ermessensrahmens angenommen, diese Daten ließen auf entsprechende Ausfälle in der Zukunft schließen.
b) Gleiches gilt für seine weitere Würdigung, diese Prognose werde durch den Vortrag des Klägers nicht erschüttert.
aa) Für insgesamt 71 Fehltage (zehn im Jahre 1982, 33 im Jahre 1983 und 28 im Jahre 1984) hat der Kläger keine Krankheitsursachen angegeben. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen; sie entfalten insoweit Indizwirkung. Trägt der Arbeitnehmer zu den vom Arbeitgeber mitgeteilten Fehlzeiten nichts vor, so gilt die Behauptung des Arbeitgebers, daß künftige Fehlzeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten seien, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
bb) Hinsichtlich der restlichen 329 Fehltage hat das Berufungsgericht berücksichtigt, daß 73 Tage im Jahre 1982, sieben Tage im Jahre 1985, 12 Tage im Jahre 1986 und 65 Tage im Jahre 1987, mithin insgesamt 157 Tage auf Verletzungen bei Sportausübung und sonstigen Freizeitaktivitäten beruhen. Gegen seine Feststellung, dieser Umstand erschüttere die Indizwirkung dieser Fehlzeiten ebensowenig wie die vom Kläger für die übrigen Fehlzeiten mitgeteilten und unbestritten gebliebenen Krankheiten, wendet sich die Revision ohne Erfolg.
cc) Das Berufungsgericht ist von dem zutreffenden Grundsatz ausgegangen, ein Unfall stelle normalerweise ein einmaliges Ereignis dar, von dem nach der Lebenserfahrung nicht auf eine Wiederholung geschlossen werden könne. Es konnte jedoch im Rahmen seines tatrichterlichen Ermessens nach § 286 Abs. 1 ZPO aus der Häufigkeit der auf Unfälle beruhenden Fehlzeiten, insbesondere auch im Jahre 1987 folgern, daß der Kläger entweder für den ausgeübten Sport und die sonstigen Freizeitaktivitäten besonders verletzungsanfällig oder bei Ausübung dieser Tätigkeiten besonders unvorsichtig gewesen sei. Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung am 7. Dezember 1988 vorgetragen, er habe seit etwa drei Jahren, somit etwa ab 1986, nur noch gelegentlich Basketball gespielt und dann ganz aufgehört. Gleichwohl hatte er im Jahre 1987 weitere 65 unfallbedingte Fehltage. Daraus konnte das Berufungsgericht auf eine besondere Verletzungsanfälligkeit auch nach Aufgabe des Basketballspielens aus den in Betracht gezogenen Gründen für die übrigen Freizeitaktivitäten schließen. Um die gegen ihn sprechenden Indizien zu erschüttern, hätte der Kläger die Ursachen der Unfallverletzungen seit der von ihm behaupteten Aufgabe des Basketballspielens näher darlegen müssen. Dies wäre ihm auch als medizinischem Laien möglich gewesen, da es insoweit nicht um Angaben geht, die eine ärztliche Belehrung voraussetzen, sondern um die Schilderung des Unfallhergangs, die allein auf eigenen Wahrnehmungen beruht.
Die Revision sieht zu Unrecht einen Verstoß gegen die Denkgesetze in der Erwägung des Berufungsgerichts, das fortschreitende Alter des Klägers spreche nicht gegen eine negative Prognose. In jungen Jahren werde vielmehr häufig mit großem Einsatz und daher auch entsprechendem Risiko Sport getrieben, mit zunehmendem Alter trete aber eine Beruhigung ein. Diese Rüge greift nicht durch. Der Kläger stand im Jahre 1987 im 29. Lebensjahr, in dem der "jugendliche Überschwang" erfahrungsgemäß abgeklungen ist. Gleichwohl hatte er in diesem Jahr und trotz Aufgabe des Basketballsports ungewöhnlich hohe unfallbedingte Ausfallzeiten. Das Berufungsgericht konnte daraus die Besorgnis herleiten, daß der Kläger auch in Zukunft bei sportlicher Betätigung und sonstigen Freizeitaktivitäten entweder nicht genügend auf seine Gesundheit achten oder nicht die erforderliche Vorsicht walten lassen werde.
dd) Hinsichtlich der restlichen 172 Fehltage hat das Berufungsgericht angenommen, auch die hierfür vom Kläger angeführten und unbestritten gebliebenen Krankheiten erschütterten die negative Gesundheitsprognose nicht. Sie deuteten vielmehr auf eine gewisse Krankheitsanfälligkeit des Klägers hin. Auch diese Würdigung überschreitet nicht den Ermessensrahmen des Tatrichters.
Trägt der Arbeitnehmer konkrete Umstände dafür vor, aus welchen Gründen mit einer baldigen Genesung zu rechnen sei, so müssen diese, wie ausgeführt, geeignet sein, diese Annahme zu rechtfertigen. Der Kläger hat vorgetragen, diese Krankheiten beruhten nicht auf einem Grundleiden. Allein die Art der einzelnen Erkrankungen besagt aber nichts darüber, daß künftig keine weiteren ständigen Erkrankungen zu befürchten seien. Vom Jahre 1985 an rühren die nicht auf Unfall beruhenden Fehlzeiten überwiegend von Erkrankungen der Atmungs- und Verdauungsorgane sowie von Grippe her. Die Annahme einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Erkrankungen nicht auf ein Grundleiden, sondern auf zwar unterschiedliche, aber nicht einmalige Ursachen zurückzuführen sind. Vielmehr kann der Tatrichter eine begründete Wiederholungsgefahr auch aus der Häufigkeit verschiedener Krankheiten folgern (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1987, aaO, zu II 3 d der Gründe).
III. Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, allein die zu erwartende wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers mit außergewöhnlich hohen Lohnfortzahlungskosten, die für jährlich jeweils einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind, stelle einen zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung geeigneten Grund dar, wobei nur auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses abzustellen sei. Die hiergegen von der Revision erhobenen Einwendungen, die Berücksichtigung der Lohnfortzahlungskosten für die Kündigung stelle einen Wertungswiderspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB dar, hat der Senat in dem Urteil vom 16. Februar 1989 (aaO, zu III der Gründe) behandelt und nicht für durchschlagend erachtet; auf diese Ausführungen wird verwiesen.
IV. Auch die Interessenabwägung des Berufungsgerichts hält jedenfalls im Ergebnis der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Die Zumutbarkeit der wirtschaftlichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen hängt zunächst davon ab, welche Kostenbelastung der Arbeitgeber in der Zukunft zu erwarten hat. Deshalb können für diese Belastung auch nur Lohnfortzahlungskosten berücksichtigt werden, die auf die auch in Zukunft zu erwartenden, im Rahmen der negativen Gesundheitsprognose ermittelten Ausfallzeiten entfallen. Zutreffend hat das Berufungsgericht deshalb die Lohnfortzahlungskosten, die für die auf Betriebsunfall beruhenden 91 Fehltage aufgewendet wurden, nicht berücksichtigt. Es hätte aber weiter auch die Kosten außer Betracht lassen müssen, die für die auf den Schleimbeutelerkrankungen beruhenden 48 Fehltage im Jahre 1984 aufgewendet wurden, da es diesen Erkrankungen auch keine Indizwirkung für die negative beigemessen hat.
2. Auf diesem Rechtsfehler beruht das angefochtene Urteil jedoch nicht (§ 563 ZPO).
a) Die für die künftig zu erwartende Belastung nicht zu berücksichtigenden Kosten für 48 Fehltage stellen nur einen verhältnismäßig geringen Teil der für insgesamt 438 Fehltage aufgewendeten Kosten dar. Auch wenn man nur auf die beiden letzten Jahre 1986 und 1987 abstellt, sind Kosten für Ausfallzeiten von rund 25 % und somit das Doppelte der Belastung zu erwarten, die der Arbeitgeber (für sechs Wochen im Jahr) hinnehmen muß.
b) Das Berufungsgericht hat zutreffend zugunsten der Beklagten berücksichtigt, daß die Beklagte im Hinblick auf das noch verhältnismäßig niedrige Lebensalter des Klägers bei Ausspruch der Kündigung auf nicht absehbare Zeit mit ganz erheblichen Lohnfortzahlungskosten rechnen muß (vgl. dazu BAGE 45, 146 = AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, sowie Senatsurteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 224/89 - zur Veröffentlichung bestimmt).
c) Zugunsten der Beklagten sind zusätzlich noch zwei weitere Umstände zu werten.
aa) Zum einen war das Arbeitsverhältnis auch vor dem Jahre 1982 nicht störungsfrei verlaufen. Es war vom zweiten Beschäftigungsjahr (1976) an mit Ausfallzeiten belastet, die, von den Jahren 1979 und 1981 abgesehen, bereits den Sechs-Wochen-Zeitraum erheblich überschritten und ihm in den beiden genannten Jahren nahekamen. Im Rahmen der Interessenabwägung ist dabei die tatsächliche bisherige Belastung des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten ohne Rücksicht darauf zu berücksichtigen, inwieweit sie für Ausfallzeiten aufgewendet wurden, die auf nicht für eine Prognose geeigneten Erkrankungen beruhen (vgl. Senatsurteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 224/89 -). Deshalb sind unter diesem Gesichtspunkt auch die 48 auf den Schleimbeutelerkrankungen beruhende Fehltage einzubeziehen.
bb) Zum anderen hat die Beklagte auch in der Abteilung des Klägers eine jedenfalls der durchschnittlichen krankheitsbedingten Ausfallquote entsprechende Personalreserve vorgehalten, wie den Angaben in dem die Anhörung des Betriebsrates einleitenden Schreiben der Beklagten vom 4. Februar 1988 zu entnehmen ist.
d) Entgegen er Ansicht der Revision enthält das Berufungsurteil auch keinen Widerspruch, soweit es die Chancen des Klägers für einen neuen Arbeitsplatz im Hinblick auf sein niedriges Lebensalter günstig beurteilt, dieses aber gleichzeitig bei der Interessenabwägung zu seinen Ungunsten gewertet hat. In letzterem Fall geht es allein um das Ausmaß der bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers künftig zu erwartenden wirtschaftlichen Belastung der Beklagten. Demgegenüber kann sich das verhältnismäßig niedrige Lebensalter des Klägers für seine Chancen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt günstig auswirken.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Ascheid
Mauer Baerbaum
Fundstellen