Entscheidungsstichwort (Thema)
Dienstordnungsangestellte; Fragebogenlüge; Personalfragebogen
Leitsatz (amtlich)
1. Die fehlende Zustimmung des Personalrats zu einem Personalfragebogen gibt dem Arbeitnehmer nicht das Recht, eine in dem Fragebogen individualrechtlich zulässigerweise gestellte Frage wahrheitswidrig zu beantworten.
2. Zur Beteiligung des Personalrats bei der Entlassung eines Dienstordnungsangestellten wegen arglistiger Täuschung über eine frühere MfS-Tätigkeit.
Normenkette
BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 8, §§ 69, 79 Abs. 1, 3-4, § 78 Abs. 1 Nr. 4; BGB § 12 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 2; Dienstordnung für die Angestellten der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege vom 24./25. Mai 1976 § 9
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 17. März 1998 – 3 Sa 18/97 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger war seit 1. Oktober 1990 bei der beklagten Berufsgenossenschaft zunächst befristet bis zum Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfung zum Technischen Aufsichtsbeamten im Angestelltenverhältnis tätig. Vor oder unmittelbar nach der Einstellung unterzeichnete er eine eidesstattliche Erklärung, die folgenden Wortlaut hat:
„Erklärung
Ich, K, geboren am 03.02.1954, erkläre an Eides statt, daß ich zu keiner Zeit in den Diensten des Staatssicherheitsdienstes der DDR stand, oder für ihn tätig war und keine Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit begangen habe.”
Nach Ablegung seiner Prüfung zum Technischen Aufsichtsbeamten wurde der Kläger als Tarifangestellter weiterbeschäftigt. Auf seinen Antrag hin erfolgte mit Wirkung zum 1. März 1994 seine Übernahme als Dienstordnungs-Angestellter. In dem Einstellungsvertrag, der auf die Dienstordnung für die Angestellten der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege vom 24./25. Mai 1976, vom Bundesversicherungsamt genehmigt am 1. Juli 1976 (DO), Bezug nimmt, war vereinbart, für die Rechtsstellung und die Besoldung des Klägers sollten die Vorschriften für Bundesbeamte auf Probe gelten. Gleichzeitig wurde durch schriftlichen Auflösungsvertrag das Tarifangestelltenverhältnis beendet.
Auf eine Regelanfrage der Beklagten hin erteilte der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Gauck-Behörde) unter dem 14. März 1995 eine Auskunft über den Kläger, wonach dieser nach einer Kontaktphase vom 3. Mai bis 28. Juni 1988 als inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit mit dem Decknamen in der Zeit vom Juli 1988 bis November 1988 mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zusammengearbeitet, vier Berichte selbst verfaßt, für zahlreiche Berichte seiner Führungsoffiziere die Informationen geliefert und für seine Tätigkeit ein Präsent im Werte von 105,00 DM und insgesamt 500,00 DM als Anerkennung erhalten hatte. Nachdem der Kläger unter dem 15. März 1995 schriftlich Stellung genommen hatte, hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Hauptpersonalrat mit Schreiben vom 19. Juli 1995 zu der beabsichtigten Entlassung des Klägers an. Der Hauptpersonalrat widersprach der Entlassung. Auf einen entsprechenden Beschluß des Verwaltungsausschusses des Vorstandes hin sprach die Beklagte mit Schreiben vom 11. September 1995 zum 31. Dezember 1995 die Entlassung des Klägers aus dem Dienstordnungs-Angestelltenverhältnis gemäß § 9 DO iVm. § 31 Abs. 3 Bundesbeamtengesetz (BBG) aus.
Der Kläger hält die Entlassung für unwirksam. Er hat geltend gemacht, er sei nicht konspirativ für das MfS tätig gewesen, sondern habe nur im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit Kontakt mit der Staatssicherheit gehabt. Soweit er dienstliche Informationen weitergegeben habe, habe er hierüber jeweils seinen Vorgesetzten in Kenntnis gesetzt. Bei der Unterzeichnung der eidesstattlichen Erklärung sei er deshalb jedenfalls subjektiv nicht davon ausgegangen, hinsichtlich einer Tätigkeit für die Staatssicherheit eine falsche Erklärung abzugeben. Als er bei den ersten freien Wahlen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik im März 1990 für die CDU kandidiert habe, habe auch eine Anfrage der zuständigen Kreisbehörde zu der Mitteilung geführt, er sei nicht für die Staatssicherheit tätig gewesen. Die eidesstattliche Erklärung sei ihm erst nach seinem Dienstbeginn am 1. Oktober 1990 zur Unterschrift vorgelegt worden, ohne daß zuvor in einem Vorstellungsgespräch eine entsprechende Frage gestellt worden sei. Dies zeige schon, daß die Beklagte seiner Erklärung wenig Bedeutung beigemessen habe. Auf die eidesstattliche Erklärung könne die Beklagte im übrigen die Entlassung schon deshalb nicht stützen, weil es sich bei dem Formular um einen Personalfragebogen gehandelt habe und die Beklagte diesen ohne Beachtung der Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung benutzt habe. Ob mildernde Umstände vorlägen, die eine andere Maßnahme als die Entlassung rechtfertigten, habe die Beklagte überhaupt nicht geprüft. Auf angeblich mangelnde Eignung könne die Beklagte die Entlassung schon deshalb nicht stützen, weil bei der Beteiligung der Personalvertretung die Entlassung ausdrücklich nur damit begründet worden sei, er habe seine Einstellung durch arglistige Täuschung herbeigeführt. Die Beteiligung der Personalvertretung sei im übrigen nicht ordnungsgemäß erfolgt, sie hätte nach § 79 BPersVG durchgeführt werden müssen, weil es sich nicht um die Entlassung eines Beamten, sondern um die Kündigung eines Arbeitnehmers gehandelt habe. Auch das erforderliche Disziplinarverfahren habe die Beklagte nicht durchgeführt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß das Anstellungsverhältnis des Klägers als Dienstordnungsangestellter nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 11. September 1995 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, der Kläger habe seine Einstellung als Dienstordnungs-Angestellter durch arglistige Täuschung erlangt. Er sei entgegen der von ihm bereits vor dem 1. Oktober 1990 abgegebenen eidesstattlichen Erklärung und entgegen seinen mündlichen Versicherungen bei dem Vorstellungsgespräch als inoffizieller Mitarbeiter für das MfS tätig gewesen. Wäre der Kläger Bundesbeamter auf Probe gewesen, dann wäre wegen der arglistigen Täuschung gemäß § 12 BBG seine Ernennung zum Beamten auf Probe zurückzunehmen gewesen. Gemäß § 9 DO sei deshalb seine Entlassung gerechtfertigt. Sie sei auch nicht aus personalvertretungsrechtlichen Gründen gehindert, sich auf die unrichtige eidesstattliche Erklärung des Klägers zu berufen. Die dem Kläger vorgelegte Erklärung stelle keinen Personalfragebogen dar, außerdem sei nachträglich ein Mitbestimmungsverfahren durchgeführt worden. Bei der Entlassung seien auch Beteiligungsrechte der Personalvertretung nicht verletzt worden und die Durchführung eines Disziplinarverfahrens sei nach der Dienstordnung nicht erforderlich gewesen.
Das Arbeitsgericht hat nach der Zeugenvernehmung des Führungsoffiziers des Klägers die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Dienstordnungs-Angestelltenverhältnis des Klägers hat durch Entlassung mit dem 31. Dezember 1995 geendet.
I. Die Rüge des Klägers, das angefochtene Urteil sei nach § 551 Nr. 7 ZPO als eine Entscheidung ohne Gründe anzusehen, weil es nicht innerhalb der Fünf-Monats-Frist des § 552 ZPO ordnungsgemäß unterschrieben zur Geschäftsstelle gelangt sei, ist offensichtlich unbegründet. Nach dem Akteninhalt ist die Frist eingehalten. Die Beanstandungen des Klägers, die Notakte habe in Randbereichen nicht exakt der offenbar bei Beratung und Verkündung des angefochtenen Urteils noch vorliegenden Prozeßakte entsprochen, sind nicht geeignet, eine Rüge nach § 551 Nr. 7 ZPO zu begründen.
II. Das Landesarbeitsgericht hat – kurz zusammengefaßt – angenommen, die Entlassung des Klägers aus dem Dienstordnungs-Angestelltenverhältnis sei rechtswirksam erfolgt. Die Personalvertretung sei bei der Entlassung von Dienstordnungs-Angestellten nicht nach § 79 BPersVG, sondern in entsprechender Anwendung von § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG zu beteiligen, was vorliegend geschehen sei. Eine Unwirksamkeit der Entlassung wegen fehlender sozialer Rechtfertigung gemäß § 1 KSchG scheide aus, weil sich die Wirksamkeit der Entlassung des Klägers ausschließlich nach § 9 DO in Verbindung mit den für die Entlassung von Beamten geltenden Vorschriften bestimme. Die Entlassung des Klägers sei gemäß § 9 Abs. 1 a DO iVm. § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG rechtswirksam, weil der Kläger seine Einstellung als Dienstordnungsangestellter durch arglistige Täuschung herbeigeführt habe, die Beklagte bei ihrer Entscheidung nicht ermessensfehlerhaft gehandelt habe und der Entlassung auch kein förmliches Disziplinarverfahren habe vorausgehen müssen. Eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts der Personalvertretung bei der Verwendung der vorformulierten eidesstattlichen Erklärung habe dem Kläger kein Recht gegeben, die ihm in dem Fragebogen gestellten Fragen falsch zu beantworten.
III. Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch in weiten Teilen der Begründung.
1. Die Entlassung ist nicht bereits, wie die Revision geltend macht, nach § 79 Abs. 1 iVm. Abs. 4 BPersVG unwirksam. Nach § 79 Abs. 1 BPersVG wirkt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit. Die Dienstentlassung eines Dienstordnungs-Angestellten ist jedoch nicht, wie der Kläger meint, mit einer ordentlichen Kündigung gleichzustellen. Im Recht der Dienstordnungs-Angestellten stellen die Kündigung und die disziplinäre Dienstentlassung aufgrund der Dienstordnung zwei voneinander scharf zu trennende Rechtsinstitute dar, weil sie sich in ihrer Funktion – die Dienstentlassung ist Dienststrafe, die Kündigung dagegen nicht – wesentlich unterscheiden (BAG 25. Februar 1998 – 2 AZR 256/97 – AP BGB § 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 69). Der Dienstordnungs-Angestellte steht in einem Dienstverhältnis, das einem Beamtenverhältnis entspricht. Deshalb ist es sachlich nicht gerechtfertigt, die Vorschriften über die Personalratsbeteiligung bei Arbeitgeberkündigungen auf die Entlassung eines Dienstordnungs-Angestellten auch nur entsprechend anzuwenden (so schon BAG 11. November 1971 – 2 AZR 218/70 – AP BGB § 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 31 [zu § 70 Abs. 1 Buchst. b Nr. 5 PersVG]).
2. Auch eine Personalratsanhörung nach § 79 Abs. 3 BPersVG war nicht erforderlich. Zwar ist nach dieser Vorschrift eine Personalratsanhörung nicht nur bei einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung, sondern auch bei einer fristlosen Entlassung erforderlich. Die Dienstentlassung des Klägers ist jedoch nicht fristlos, sondern fristgerecht erfolgt.
3. § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG ist ebenfalls nicht verletzt. Wendet man auf die Dienstentlassung eines Dienstordnungs-Angestellten die Vorschriften des BPersVG über die Mitwirkung des Personalrats bei der Entlassung von Beamten an, so war der Personalrat überhaupt nicht zu beteiligen, denn § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG sieht bei dem Tatbestand, auf den die Beklagte die Entlassung stützt, der Rücknahme der Ernennung eines Beamten nach § 12 Abs. 1 BBG, keine Beteiligung der Personalvertretung vor. Es kann dahinstehen, ob dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen ist, § 78 Abs. 1 Nr. 4 b BPersVG sei gleichwohl – unmittelbar oder analog – auf den Fall des Klägers anwendbar, weil § 9 Abs. 1 a DO auch bei einem Tatbestand, der bei einem Beamten zur Zurücknahme der Ernennung führen würde, lediglich eine Ermessens-entscheidung vorsieht. Das Beteiligungsverfahren nach § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG hat die Beklagte vorsorglich durchgeführt und nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, gegen die der Kläger keine Verfahrensrüge erhebt, das dabei zu beachtende Verfahren eingehalten.
4. Zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß die Voraussetzungen für eine Entlassung des Klägers nach § 9 Abs. 1 a DO iVm. § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG vorgelegen haben (vgl. zur Täuschungsanfechtung wegen Falschbeantwortung der Frage nach Stasi-Mitarbeit: BAG 28. Mai 1998 – 2 AZR 549/97 – AP BGB § 123 Nr. 46).
a) Wenn § 9 Abs. 1 a DO das Vorliegen eines Tatbestandes, der bei einem Beamten zur Zurücknahme der Ernennung führen würde, als Entlassungsgrund nennt, so nimmt dies Bezug auf § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG. Danach ist eine Beamtenernennung ua. dann zurückzunehmen, wenn sie durch arglistige Täuschung herbeigeführt wurde. Die Ernennung muß nach § 13 Abs. 2 BBG innerhalb einer Frist von sechs Monaten zurückgenommen werden, nachdem der Dienstvorgesetzte von der Ernennung und dem Grunde der Rücknahme Kenntnis erlangt hat. Vor der Rücknahme ist der Beamte nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BBG zu hören, soweit dies möglich ist.
b) Zu Unrecht rügt die Revision, die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe die Beklagte durch Unterzeichnung der eidesstattlichen Erklärung über eine Stasi-Tätigkeit arglistig getäuscht, sei schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil die dem Kläger vorgelegte, vorgefertigte Erklärung einen Personalfragebogen darstelle, dieser unter Verletzung der Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung benutzt worden sei und sich die Beklagte deshalb auf etwa unrichtige Angaben in dieser Erklärung nicht berufen könne.
aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, die dem Kläger zur Unterschrift vorgelegte Erklärung sei als Personalfragebogen im Sinne von § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG anzusehen. Unter Personalfragebogen ist die formularmäßige Zusammenfassung von Fragen über die persönlichen Verhältnisse, insbesondere Eignung, Kenntnisse und Fähigkeiten einer Person zu verstehen (BAG 21. September 1993 – 1 ABR 28/93 – AP BetrVG 1972 § 94 Nr. 4; GK-Kraft, BetrVG, 6. Aufl. § 94 Rn. 8, jeweils mwN). Schon die dem Kläger vorgelegte Erklärung für sich, die mehrere Fragen über seine etwaigen Beziehungen zum MfS enthält, erfüllt diese Voraussetzungen. Abgesehen davon wurde dem Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gleichzeitig ein anderer Fragebogen mit zahlreichen weiteren Fragen vorgelegt.
bb) Die nach § 75 Abs. 3 Nr. 8, § 69 BPersVG danach grundsätzlich erforderliche Zustimmung des Personalrats hat die Beklagte jedenfalls vor der Ausfüllung des Personalfragebogens durch den Kläger unstreitig nicht eingeholt.
cc) Die fehlende Zustimmung des Personalrats zu einem Personalfragebogen (§ 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG) nimmt dem Arbeitgeber jedoch nicht seine individualrechtlichen Befugnisse, bei wahrheitswidriger Beantwortung zulässigerweise gestellter Fragen durch den Arbeitnehmer diesen zu entlassen bzw. den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten (BVerwG 28. Januar 1998 – 6 B 2/97 – ZfPR 1998, 113; offengelassen BAG 7. September 1995 – 8 AZR 828/93 – nv.; GK-Kraft, BetrVG, 6. Aufl. § 94 Rn. 33; ErfK-Hanau/Kania, § 94 BetrVG Rn. 3; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, 5. Aufl. Rn. 786; Raab, ZfA 1997, 183, 227; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 5. Aufl., § 94 Rn. 34; aA Klebe in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., § 94 Rn. 25; aA für den Fall, daß die Zulässigkeit der betreffenden Frage zweifelhaft sein kann: Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 94 Rn. 34; für ein Beweisverwertungsverbot: Fischer, BB 1999, 154, 156). Das Bundesverwaltungsgericht führt in dem zitierten Beschluß aus, Sinn des Mitbestimmungsrechtes nach § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG sei es, von Seiten der Personalvertretung darauf achten zu können, daß der Arbeitgeber keine dienstrechtlich unzulässigen Fragen stelle (vgl. Altvater/Bacher/Hörter/Peiseler/Sabottig/Schneider/Vohs, BPersVG, 4. Aufl. 1996, § 75 Rn. 58 a; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 8. Aufl. 1995, § 75 Rn. 136; Lorenzen/Haas, BPersVG, § 75 Rn. 163 a; Fischer/Goeres in: Fürst, GKÖD Bd. V K § 75 Rn 97). Das Mitbestimmungsrecht des Personalrates berechtige den Arbeitnehmer dagegen nicht, auf eine rechtlich zulässige Frage des Arbeitgebers eine in wesentlicher Beziehung falsche Antwort zu geben. Die Verletzung von § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG möge den Arbeitnehmer berechtigen, die Antwort auf die gestellten Fragen zu verweigern, zur Täuschung seines Dienstherrn sei er jedoch keinesfalls befugt. Dem schließt sich der Senat an.
Bei den Rechtsfolgen unterbliebener Mitbestimmung ist zwischen den betriebsverfassungs-/personalvertretungsrechtlichen Rechtsfolgen und den Rechtsfolgen im Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu unterscheiden. Nicht jede Verletzung von Mitbestimmungsrechten durch den Arbeitgeber bietet einen rechtlichen Anknüpfungspunkt für konkrete Rechtsfolgen im Individualarbeitsverhältnis. So hat etwa eine mitbestimmungswidrige korrigierende Rückgruppierung eines Arbeitnehmers noch nicht dessen höheren Vergütungsanspruch zur Folge (BAG 26. August – 4 AZR 210/92 – BAGE 71, 139; 8. September 1996 – 6 AZR 1013/94 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 46; vgl. 20. August 1991 – 1 AZR 326/90 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 50). Durch die Einschaltung des Betriebs-/Personalrats bei der Erstellung von Personalfragebogen soll sichergestellt werden, daß die Fragen und Angaben auf Gegenstände beschränkt bleiben, an denen der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis haben kann (Raab, ZfA 1997, 183, 226 unter Hinweis auf BT-Drucks. VI/1786 S 50; GK-Kraft BetrVG, 6. Aufl. § 94 Rn. 1). Schon individualrechtlich sind jedoch Fragen des Arbeitgebers unzulässig, die für den konkreten Arbeitsplatz ohne Bedeutung sind. Die Zulässigkeit der Fragen hängt eng mit dem Anforderungsprofil zusammen, das der Arbeitgeber in Ausübung seiner unternehmerischen Freiheit für die persönliche und fachliche Qualifikation seiner Arbeitnehmer aufstellt. Der Betriebs-/Personalrat hat deshalb im wesentlichen nur ein Mitbeurteilungsrecht (Raab, aaO S 226 mwN). Dem würde es widersprechen, wollte man auch in dem Fall, daß eine in einem Fragebogen gestellte Frage zulässig war und der Betriebs-/Personalrat die Aufnahme dieser Frage in den Fragebogen im Ergebnis nicht hätte verhindern können, dem Arbeitgeber für den Fall einer unwahren Beantwortung der Frage durch den Arbeitnehmer sein individualrechtlich bestehendes Recht zur Entlassung des Arbeitnehmers bzw. zur Anfechtung des Arbeitsvertrages abschneiden.
c) Ebenso unberechtigt ist die Rüge der Revision, der Tatbestand des § 9 Abs. 1 a DO iVm. § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG könne von vornherein schon deshalb nicht erfüllt sein, weil nicht bewiesen sei, daß der Kläger bereits vor seiner Einstellung zum 1. Oktober 1990 nach einer Tätigkeit für das MfS gefragt worden sei. Nach § 12 BBG ist die Ernennung eines Beamten zurückzunehmen, wenn sie durch arglistige Täuschung herbeigeführt wurde. Der Begründung eines Beamtenverhältnisses durch Ernennung iS von § 12 BBG steht im Fall des Klägers erst seine Einstellung als Dienstordnungs-Angestellter durch den Einstellungsvertrag vom 1. März 1994 gleich, denn erst durch diesen Einstellungsvertrag hat der Kläger bei der Beklagten eine einem Beamtenverhältnis vergleichbare Stellung erlangt. Durch eine arglistige Täuschung herbeigeführt worden sein kann eine Beamtenernennung durch jede Täuschungshandlung, die vor der fraglichen Ernennung begangen worden ist. Es reicht deshalb, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, aus, daß der Betreffende den Arbeitgeber während der Dauer eines dem Beamtenverhältnis bzw. beamtenähnlichen Verhältnis vorangegangen Arbeitsverhältnisses getäuscht hat (ebenso Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, BBG, § 12 Rn. 6 zur Herbeiführung der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit durch Täuschung während des Beamtenverhältnisses auf Probe).
d) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe durch falsche Angaben über seine MfS-Tätigkeit in der eidesstattlichen Versicherung einen Tatbestand verwirklicht, der bei einem vergleichbaren Beamten zur Rücknahme seiner Ernennung geführt hätte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine arglistige Täuschung im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG liegt vor, wenn der zu Ernennende durch unrichtige Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewußt war oder deren Unrichtigkeit er für möglich hielt, jedoch in Kauf nahm, oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Amtsträger der Ernennungsbehörde einen Irrtum in dem Bewußtsein hervorrief, diesen durch Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen (BVerwG 24. Oktober 1996 in: Schütz, Beamtenrecht, ES/A II 5.1 Nr. 59; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, BBG, § 12 Rn. 4). Zweck der Vorschrift ist es, die Entschließungsfreiheit des Dienstherrn zu schützen, ob er, gegenüber wem er und zu welchem Zeitpunkt er eine Ernennung vornehmen will, und das Berufsbeamtentum von ungeeigneten Personen möglichst frei zu halten (Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, aaO Rn. 2 a mwN). Eine arglistige Täuschung kommt dabei vornehmlich bei der Begründung eines Beamtenverhältnisses in Betracht, etwa bei einer Täuschung über die Verfassungstreue betreffende Umstände einschließlich Verstößen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit, bzw. bei Stasi-Tätigkeiten in der früheren DDR (vgl. BVerwG 24. Oktober 1996, aaO [zur Entlassung eines Zeitsoldaten]).
aa) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Kläger habe mit der Unterzeichnung der eidesstattlichen Erklärung eine objektiv falsche Erklärung im Hinblick auf eine Tätigkeit für das MfS gegenüber der Beklagten abgegeben und damit einen entsprechenden Irrtum bei der Beklagten hervorgerufen, ist zunächst seinem rechtlichen Ausgangspunkt zuzustimmen, daß diese Fragen zulässig waren und vom Kläger wahrheitsgemäß hätten beantwortet werden müssen (st. Rspr., vgl. ua. BVerfG 8. Juli 1997 – I BvR 2111/94 – ua. – BVerfGE 96, 171; BAG 26. August 1993 – 8 AZR 561/92 – BAGE 74, 120; 13. September 1995 – 2 AZR 862/94 – AP Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX Nr. 53; 13. Juni 1996 – 2 AZR 483/95 – BAGE 83, 181 und zuletzt 29. April 1999 – 2 AZR 470/98 – nv.). An die tatsächliche Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger habe über dienstlich erstellte Meßprotokolle und dabei festgestellte Grenzwertüberschreitungen hinaus weitere Informationen an das MfS im Sinne einer bewußten, finalen Zusammenarbeit weitergegeben, ist der Senat nach § 561 Abs. 2 ZPO gebunden, da insoweit ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff nicht erhoben ist. Soweit die Revision die durch das Landesarbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung angreift, wird nicht konkret ein angeblicher Verfahrensfehler des Landesarbeitsgericht gerügt, die Revision möchte vielmehr lediglich eine für den Kläger günstigere Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts setzen. Soweit die Revision im wesentlichen darauf abstellt, dem Kläger seien keine Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit nachgewiesen, wird verkannt, daß in dem Formular der eidesstattlichen Erklärung allgemein nach einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der DDR und lediglich darüber hinaus („und”) nach Verstößen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit gefragt war, so daß der Kläger verpflichtet war, jede Tätigkeit für das MfS anzugeben, soweit sie für die Einstellungsentscheidung von Bedeutung sein konnte. Der Kläger hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht nur zahlreiche Daten über Versäumnisse in seinem konkreten Arbeitsbereich an das MfS weitergegeben, sondern auch Informationen über das Verhalten und die Ansichten von Bürgern: Insbesondere hat er kurz vor der Wende auftragsgemäß Kirchenveranstaltungen besucht und seinen Führungsoffizier konkret über die besuchten Kirchenveranstaltungen informiert. Diese Tätigkeit für das MfS durfte der Kläger bei seiner eidesstattlichen Erklärung der Beklagten nicht verschweigen. Seine eidesstattliche Erklärung, er sei nicht für das MfS tätig gewesen, war deshalb objektiv falsch und hat einen entsprechenden Irrtum bei der Beklagten hervorgerufen.
bb) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Landesarbeitsgericht weiter zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger habe seine Einstellung als Dienstordnungs-Angestellter durch arglistige Täuschung hervorgerufen. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, es sei lediglich Mitursächlichkeit der Täuschung für den Einstellungsbeschluß erforderlich und es reiche aus, wenn der Getäuschte Umstände dargetan habe, die für seinen Entschluß von Bedeutung sein könnten und die Täuschung nach der Lebenserfahrung Einfluß auf die Entscheidung haben könne (BAG 11. November 1993 – 2 AZR 467/93 – AP BGB § 123 Nr. 38). Bei einem Dienstordnungs-Angestellten, dessen Rechtsstellung weitgehend dem Beamtenstatus angenähert ist und der ua. mit hoheitlichen Aufgaben befaßt ist, ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß für den Arbeitgeber bei der Eignungsbeurteilung eine frühere Tätigkeit des Betreffenden für das MfS beim Vertragsabschluß Einfluß auf die Entscheidung haben kann und die Offenbarung einer solchen Tätigkeit jedenfalls, was ausreicht, eine weitere Prüfung der näheren Umstände nach sich ziehen würde. Außerdem hatte die Beklagte durch ihre ausdrückliche Frage nach der MfS-Tätigkeit schon in unmittelbarem Zusammenhang mit der befristeten Einstellung des Klägers im Jahre 1990 zu erkennen gegeben, daß eine frühere MfS-Tätigkeit für ihre Eignungsbeurteilung von erheblicher Bedeutung war. Dem steht nicht, wie der Kläger geltend macht, entgegen, daß ihm nach seiner Behauptung das entsprechende Formular nicht vor, sondern erst unmittelbar nach Abschluß des befristeten Arbeitsvertrages vorgelegt worden ist. Die Täuschung des Klägers, er sei nicht für das MfS tätig gewesen, bildete nach der Lebenserfahrung somit einen Umstand, der die Beklagte zum Abschluß des Vertrages vom 1. März 1994 bewogen hat.
cc) Der Kläger hat auch arglistig gehandelt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 Abs. 2 ZPO) war er sich der Unrichtigkeit der abgegebenen Erklärung, er sei zu keiner Zeit für die Staatssicherheit tätig gewesen, bewußt. Die mit der Revision wiederholte Behauptung des Klägers, er habe bei der Unterzeichnung der Erklärung angenommen, wahrheitswidrig verneine er eine MfS-Tätigkeit nur dann, wenn er auch gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen hätte, hat das Berufungsgericht mit überzeugender Begründung als Schutzbehauptung gewertet, ohne daß der Kläger insoweit eine zulässige Verfahrensrüge erhoben hätte. Auch wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, die Erklärung sei ihm erst nach seinem Dienstantritt im Oktober 1990 vorgelegt worden, steht dies der Annahme einer Arglist nicht entgegen. Gerade wenn der Kläger, wie er behauptet hat, die Beklagte zunächst für eine normale Versicherungsgesellschaft gehalten hat, mußte ihm bei seiner Einstellung als Dienstordnungs-Angestellter unter gleichzeitiger Aufhebung des vorherigen Angestelltenverhältnisses klar sein, daß der Entschluß der Beklagten, ihn in einer beamtenähnlichen Stellung weiterzubeschäftigen, durch seine noch nachwirkende wahrheitswidrige eidesstattliche Erklärung maßgeblich beeinflußt werden konnte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte sich der Kläger offenbaren müssen. Dadurch, daß er dies unterließ, nahm er billigend in Kauf, daß der Entschluß der Beklagten, ihn als Dienstordnungs-Angestellten einzustellen, durch seine Täuschung maßgeblich beeinflußt wurde.
e) Die Beklagte hat auch nicht ermessensfehlerhaft gehandelt, indem sie die arglistige Täuschung des Klägers zum Anlaß seiner Entlassung nach § 9 Abs. 1 a DO genommen hat. Zu Unrecht macht die Revision unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu den Sonderkündigungsvorschriften des Einigungsvertrages und zu § 1 Abs. 2 KSchG bzw. § 626 BGB geltend, es hätte wie bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung eine umfassende Interessenabwägung erfolgen müssen. Wie bei der Irrtumsanfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB (vgl. hierzu BAG 28. Mai 1998, aaO) geht es auch bei der Entlassung nach §§ 9 DO, 12 BBG wegen arglistiger Täuschung nicht in erster Linie um die Beseitigung eines Vertrages wegen aktueller Leistungsstörung, sondern um die Beseitigung einer seinerzeit fehlerhaften Willensbildung: Wie bereits dargelegt, schützt nämlich § 12 BBG die Entschließungsfreiheit des Dienstherrn. Dies rechtfertigt es, vornehmlich auf die Interessen des getäuschten Erklärungsempfängers und nicht auf die des täuschenden Vertragspartners abzustellen. Die Interessen des täuschenden Dienstordnungs-Angestellten sind hinreichend dadurch geschützt, daß § 9 DO im Gegensatz zu § 12 BBG die Entlassung im Fall der arglistigen Täuschung als Ermessensentscheidung ausgestaltet hat.
Danach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 a DO für eine Dienstentlassung wegen der durch den Kläger bewirkten arglistigen Täuschung lägen vor. Konkrete Ermessensfehler zeigt die Revision auch nicht auf.
Die Beklagte ist als Träger der Sozialversicherung gem. § 29 Abs. 1 SGB IV eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Der Kläger wurde für die Tätigkeit eines technischen Aufsichtsbeamten eingestellt, was eine hoheitliche Vertrauensposition darstellt, denn nach § 712 Abs. 1 RVO haben die Berufsgenossenschaften durch technische Aufsichtsbeamte die Durchführung der Unfallverhütung zu überwachen und ihre Mitglieder zu beraten; gemäß § 714 Abs. 1 RVO sind die technischen Aufsichtsbeamten berechtigt, die Mitgliedsunternehmen zu besichtigen und Auskunft über Einrichtungen, Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffe zu verlangen sowie Proben von Arbeitsstoffen zu entnehmen und bei Gefahr im Verzug sofort vollziehbare Anordnungen zur Beseitigung von Unfallgefahren zu treffen; die Behinderung der technischen Aufsichtsbeamten bei Erfüllung dieser Aufgaben ist gemäß § 717 a RVO als Ordnungswidrigkeit sanktionsbewehrt. Entsprechende Kompetenzen der nunmehrigen „Aufsichtspersonen” enthalten mit Geltung ab dem 21. August 1996 (Art. 36 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch ≪Unfallversicherungs-Einordnungs-Gesetz-UVEG≫ vom 7. August 1996, BGBl. I, § 1254) die §§ 17 bis 19 SGB VII, wobei die Bußgeldvorschrift des § 209 Abs. 1 Nr. 2, 3 SGB VII erst mit Wirkung zum 1. Januar 1997 in Kraft getreten ist (Art. 36 UVEG).
Vor dem Hintergrund der Qualifizierung der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der entsprechenden Wahrnehmung von öffentlichen Überwachungs- und Beratungsaufgaben durch den Kläger kann nicht angenommen werden, daß die Rechtsposition der Beklagten durch die frühere Stasi-Tätigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung nicht mehr beeinträchtigt war. Dabei kann zugunsten des Klägers eine bisher fachlich beanstandungsfreie Tätigkeit unterstellt werden. Eine glaubwürdige rechtsstaatliche Verwaltung kann nicht auf der Annahme aufgebaut werden, die Belastung eines Mitarbeiters werde schon nicht bekannt werden (BAG 16. Oktober 1997 – 8 AZR 702/95 – nv., zu B I 2 der Gründe). Die Beklagte hat im Prozeß darauf hingewiesen, sie könne sich aufgrund ihrer hoheitlichen Aufgaben gegenüber ihren Mitgliedern und Mitgliedsbetrieben nicht erlauben, einen Mitarbeiter mit einer derartigen Vergangenheit weiterzubeschäftigen. Diese Annahme erscheint jedenfalls nach einer knapp fünfjährigen Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten gerechtfertigt. Diese Zeit reicht noch nicht aus, um davon auszugehen, es sei bereits „Gras über die Angelegenheit gewachsen”.
Das Vorliegen mildernder Umstände, die eine Ermessensentscheidung zugunsten des Klägers erforderlich gemacht hätten, hat das Landesarbeitsgericht geprüft und dabei den umfangreichen Sachvortrag des Klägers zu den einzelnen Umständen seiner Stasi-Tätigkeit berücksichtigt. Wenn das Berufungsgericht insoweit zu dem Ergebnis gelangt ist, es sei kein genügend triftiger Grund erkennbar, der die arglistige Täuschung des Klägers entschuldigen könne, so hält sich dies im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz und läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
f) Abwegig ist die Rüge der Revision, die Beklagte habe nicht rechtzeitig „entsprechend §§ 119, 123 BGB” die „Anfechtung” erklärt. Abgesehen davon, daß § 124 Abs. 1 BGB für die Täuschungsanfechtung eine Jahresfrist vorsieht, ist hier die Sechs-Monats-Frist des § 13 Abs. 2 BBG einschlägig. Beide Fristen rechnen jedoch nicht, wie der Kläger offenbar meint, ab der Täuschungshandlung, sondern ab Kenntnis von der arglistigen Täuschung, hier also frühestens ab der Mitteilung der Gauck-Behörde.
5. Entgegen der Auffassung der Revision verstieß die Ausübung des Entlassungsrechts durch die Beklagte vorliegend auch nicht gegen Treu und Glauben, § 242 BGB. Richtig ist zwar, daß auch das Recht, sich wegen arglistiger Täuschung von einem Vertrag zu lösen, unter dem Vorbehalt steht, daß seine Ausübung nicht gegen Treu und Glauben verstößt; ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben ist anzunehmen, wenn die Rechtslage des Getäuschten im Zeitpunkt der Anfechtung durch die arglistige Täuschung nicht mehr beeinträchtigt ist (BAG 12. Februar 1970 – 2 AZR 184/69 – BAGE 22, 278; zuletzt vom 11. November 1993 – 2 AZR 467/93 – BAGE 75, 77, 86, mwN). Gerade auch aufgrund der Tatsache, daß das Arbeitsverhältnis ein Dauerschuldverhältnis darstellt, kann sich ergeben, daß der Anfechtungsgrund angesichts der nachträglichen Entwicklung soviel an Bedeutung verloren hat, daß er eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr rechtfertigen kann. Bei einer Ermessensentscheidung nach § 9 DO über eine Entlassung wegen arglistiger Täuschung wird es allerdings regelmäßig bereits einen Ermessensfehler darstellen, wenn von dem Entlassungsrecht Gebrauch gemacht wird, obwohl die Rechtslage des Getäuschten durch die arglistige Täuschung nicht mehr beeinträchtigt ist; eines Rückgriffs auf § 242 BGB bedarf es dann nicht. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls, wie bereits dargelegt, wegen der hoheitlichen Aufgaben der Beklagten und der Gefahr des Ansehensverlustes bei Mitgliedern und Mitgliedsbetrieben im Falle einer Weiterbeschäftigung des Klägers nicht davon auszugehen, daß im Zeitpunkt der Entlassung die arglistige Täuschung durch den Kläger soviel an Bedeutung verloren hätte, daß sie seine Entlassung nicht mehr hätte rechtfertigen können.
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Baerbaum, Mauer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 02.12.1999 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 41 |
BB 2000, 1092 |
DB 2000, 1418 |
NJW 2000, 2444 |
ARST 2000, 259 |
FA 2000, 284 |
FA 2000, 95 |
NZA 2001, 107 |
ZTR 2000, 323 |
AP, 0 |
MDR 2000, 839 |
NJ 2000, 667 |
PersR 2000, 336 |
RDV 2000, 220 |
ZfPR 2000, 239 |
ZfPR 2001, 13 |
AUR 2000, 156 |