Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Fernauslösung
Orientierungssatz
Abgrenzung von Nah- und Fernmontage (Auslegung des Montagetarifvertrages für den Zentralheizungs-, Lüftungs- und Rohrleitungsbau, Industrie und Handwerk, Hamburg vom 25.5.1982); Fahrt von Wohnung; Bedeutung des Betriebssitzes; Verständigung der Tarifvertragsparteien als Vorstufe eines Schiedsspruches.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 08.05.1987; Aktenzeichen 8 Sa 98/86) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 10.09.1986; Aktenzeichen 23 Ca 366/84) |
Tatbestand
Der 37-jährige Kläger ist seit 1. März 1981 bei der Beklagten als Monteur beschäftigt. Beide Parteien gehören den tarifschließenden Verbänden für die Heizungs-, Klima- und Sanitärtechnik sowie den Rohrleitungsbau (Industrie und Handwerk) an.
Der Betriebssitz der Beklagten liegt in Hamburg. Der Kläger wohnt seit 1982 in Rendsburg. In den Monaten Mai und Juni 1984 wurde der Kläger von der Beklagten für Arbeiten auf der Werft B in Hamburg-S eingesetzt. Diese Arbeitsstelle liegt etwa 10 km vom Betriebssitz der Beklagten in Hamburg-St entfernt. Die Entfernung zwischen Hamburg-S und dem Wohnsitz des Klägers in Rendsburg beträgt etwa 125 km.
Die Beklagte zahlte dem Kläger für seine Tätigkeit bei der Werft B in den Monaten Mai und Juni 1984 Nahauslösung und teilweise Fahrgeld. Der Kläger macht für 32 Kalendertage in diesen Monaten gegen die Beklagte Ansprüche auf Fernauslösung geltend.
Der Kläger hat vorgetragen, nach dem Montagetarifvertrag sei für die Frage, ob Fernmontage vorliege, allein die Entfernung zwischen Montagebaustelle und der Wohnung des Arbeitnehmers maßgebend. Insoweit komme es darauf an, ob dem Arbeitnehmer die tägliche Hin- und Rückfahrt zumutbar sei oder nicht. Er habe in den Monaten Mai und Juni 1984 von seiner Wohnung bis zur Baustelle bei der Werft B mindestens vier Stunden Wegezeit aufwenden müssen. In Pinneberg habe er in dieser Zeit eine Unterkunft gehabt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
DM 1.064,95 nebst 4 % Zinsen seit dem
3. August 1984 (Tag der Klageerhebung)
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, für die Frage, ob Nah- oder Fernmontage vorliege, komme es nicht allein auf die Entfernung zwischen Baustelle und Wohnung an. Vielmehr sei entscheidend, ob die Entsendung vom Betriebssitz zur Montagestelle ursächlich dafür sei, daß die tägliche Rückkehr zur Wohnung unzumutbar sei. Dies sei für die Tätigkeit des Klägers bei der Werft B zu verneinen, da der Kläger insoweit nur wenige Kilometer vom Betriebssitz entfernt gearbeitet habe. Ferner sei für die arbeitsfreien Tage am Wochenende, die der Kläger nicht am Montageort verbracht habe, keine Fernauslösung zu zahlen, da insoweit für den Kläger keine Mehraufwendungen am Montageort entstanden seien. Im übrigen bestreite die Beklagte mit Nichtwissen, daß der Kläger während seiner Tätigkeit bei der Werft B nicht täglich nach Hause gefahren sei. Ebensowenig könne die Beklagte zugestehen, daß der Kläger über das Wochenende die von ihm behauptete Unterkunft in Pinneberg habe beibehalten müssen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils mit der Maßgabe, daß er die Klageforderung als Bruttobetrag geltend macht und die Zinsen nur aus dem Nettobetrag verlangt. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt es für die Frage, ob dem Kläger Fernauslösung zusteht, ausschließlich darauf an, ob ihm die tägliche Rückkehr von der Baustelle zu seiner Wohnung unzumutbar ist.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Vorschriften des Montagetarifvertrags für den Zentralheizungs-, Lüftungs- und Rohrleitungsbau (Industrie und Handwerk) Hamburg vom 25. Mai 1982 (Montage TV) mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Dieser Tarifvertrag gilt nach seinem § 2 Ziff. 1 ausdrücklich auch für Montagestammarbeiter, zu denen der Kläger gehört, weil er von der Beklagten als Monteur eingestellt wurde und diese ihre Montagen außerhalb des Betriebssitzes ausführt. Demgemäß ist der Montagetarifvertrag dafür maßgebend, ob der Kläger in der vorliegend strittigen Zeit (Mai und Juni 1984) auf Nah- oder Fernmontage gearbeitet hat und entsprechend Nah- oder Fernauslösung beanspruchen kann. Der Montage TV unterscheidet begrifflich streng zwischen Nahmontage und Fernmontage. § 4 Montage TV regelt nach seiner Überschrift die Nahmontage und bestimmt unter Ziffer 1:
Begriff
-------
Nahmontage ist der Einsatz auf einer Montagebaustelle,
bei der dem Montagestammarbeiter
die tägliche Hin- und Rückfahrt zwischen Baustelle
und Wohnung zumutbar ist.
§ 5 Montage TV regelt demgegenüber nach seiner Überschrift die Fernmontage und bestimmt in Ziffer 1:
Begriff
-------
Fernmontage ist der Einsatz auf einer Montagebaustelle,
der ein auswärtiges Übernachten des
Montagestammarbeiters erfordert, weil ihm die
tägliche Hin- und Rückfahrt zwischen der Baustelle
und Wohnung außerhalb der regelmäßigen
Arbeitszeit nicht zumutbar ist.
Ob ein Arbeitnehmer auf Nahmontage oder Fernmontage arbeitet, richtet sich nach den tariflichen Bestimmungen ausschließlich danach, ob dem Arbeiter die tägliche Rückkehr zu seiner Wohnung zumutbar ist. Die Frage des Betriebssitzes spielt insoweit überhaupt keine Rolle. Die Tarifvertragsparteien hätten dies auch anders regeln und etwa bestimmen können, daß eine Fernmontage nur dann vorliegt, wenn dem Arbeitnehmer auch die tägliche Rückkehr zum Betriebssitz nicht zumutbar ist, wie dies z.B. nach § 6 des Bundestarifvertrags für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaus vom 30. April 1980 von den Tarifvertragsparteien ermöglicht wird. Eine solche Regelung, die auch auf die Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr zum Betriebssitz abstellt, haben die Parteien des vorliegenden Tarifvertrags aber nicht getroffen. Die tarifliche Regelung ist insoweit eindeutig (BAG Urteil vom 26. Juni 1985 - 4 AZR 139/84 -, nicht veröffentlicht).
Die demgegenüber von der Beklagten geltend gemachten Einwendungen sind nicht begründet. Die Beklagte beruft sich auf § 2 Montage TV und meint, daraus ergebe sich, daß der Betriebssitz zum Bezugspunkt und Ausgangspunkt für die Entsendung zum Einsatz auf einer Baustelle gemacht werde und demzufolge eine Fernmontage nur vorliege, wenn durch die Entsendung vom Betriebssitz aus ein auswärtiges Übernachten des Montagestammarbeiters erforderlich werde, weil ihm wegen der Entsendung vom Betriebssitz zur Montagestelle nunmehr die tägliche Hin- und Rückfahrt zwischen Baustelle und Wohnung nicht zumutbar sei. Diese Argumentation kann nicht überzeugen. § 2 Montage TV lautet:
Montagearbeitnehmer
-------------------
1. Montagestammarbeitnehmer
---------------------------
Montagestammarbeitnehmer sind Arbeitnehmer,
die kraft Arbeitsvertrages von einem Betrieb
eingestellt sind entsprechend dem fachlichen
Geltungsbereich dieses Tarifvertrages, um
vom Betriebssitz aus (entsendender Betrieb)
auf Nah- und/oder Fernmontage-Baustellen eingesetzt
zu werden.
2. Montagezeitarbeitnehmer
--------------------------
Montagezeitarbeitnehmer sind Arbeitnehmer,
die ohne Entsendung kraft Arbeitsvertrages
ausschließlich zum Einsatz auf einer Fernmontage-Baustelle
eingestellt sind, und zwar
entweder für eine kalendermäßig bestimmte
Zeit oder ohne feste Frist bis zum Ende der
Baustelle.
Diese Begriffsbestimmung des Montagestammarbeitnehmers und Montagezeitarbeitnehmers hat mit dem Begriff der Nahmontage oder Fernmontage nichts zu tun. Nach Wortlaut und Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung wird vielmehr der Begriff der Nahmontage in § 4 Ziff. 1 Montage TV und der Begriff der Fernmontage in § 5 Ziff. 1 Montage TV entsprechend dem ausdrücklichen Wortlaut der tariflichen Bestimmungen erschöpfend und ausschließlich umschrieben. § 2 Montage TV steht dem nicht entgegen. Aus dieser Vorschrift ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, daß für die Fernmontage auf die Entfernung zwischen Betriebssitz und Baustelle abzustellen ist. § 2 Ziff. 1 Montage TV ist insoweit in einem Zusammenhang mit § 2 Ziff. 2 Montage TV zu sehen. Während für den Montagestammarbeitnehmer kennzeichnend ist, daß er von einem Betrieb eingestellt wird und von dort aus als der das Weisungsrecht ausübenden Stelle auf Baustellen in Nah- oder Fernmontage entsandt wird, stehen dem Montagezeitarbeitnehmer gegenüber, für die nach § 2 Ziff. 2 Montage TV kennzeichnend ist, daß sie ausschließlich zum Einsatz auf einer Fernmontage-Baustelle eingestellt sind, also nicht vom Betriebssitz aus an andere Baustellen entsandt werden können. Die Entsendung vom Betriebssitz aus im Sinne von § 2 Ziff. 1 Montage TV enthält insoweit nur eine Abgrenzung zu den Arbeitnehmern im Sinne von § 2 Ziff. 2 Montage TV und betrifft damit die Arbeitnehmer, nach deren Arbeitsvertrag - wie beim Kläger - die Einstellung am Betriebssitz erfolgt und von hier aus die Entsendung zu auswärtigen Baustellen bestimmt wird. Mit dem Begriff der Fern- oder Nahmontage hat dies nichts zu tun. Dieser Begriff wird ausschließlich durch die §§ 4 und 5 Montage TV bestimmt.
Wenn die Revision demgegenüber meint, eine Fernmontage setze voraus, daß dem Arbeitnehmer "wegen der Entsendung vom Betriebssitz zur Montagestelle die tägliche Hin- und Rückfahrt zwischen Baustelle und Wohnung nicht zumutbar sei", so will sie damit für den Begriff der Fernmontage eine weitere Voraussetzung aufstellen, die im Montage TV keine Grundlage findet. Hätten die Tarifvertragsparteien eine Regelung treffen wollen, wie sie der Auffassung der Beklagten entspricht, hätten sie in § 5 Ziff. 1 Montage TV ohne weiteres einfügen können, daß die Fernmontage ein auswärtiges Übernachten dann erfordert, wenn dem Arbeitnehmer "wegen der Entsendung vom Betriebssitz zur Montagestelle" die tägliche Rückkehr zu seiner Wohnung nicht zumutbar ist. Eine solche Regelung haben die Tarifvertragsparteien aber gerade nicht getroffen. Deshalb muß es dabei bleiben, daß sich Fernmontage und Nahmontage allein danach unterscheiden, ob dem Arbeitnehmer die tägliche Rückkehr von der Baustelle zur Wohnung zumutbar ist oder nicht. Insoweit kann auf das Senatsurteil vom 26. Juni 1985 - 4 AZR 139/84 - (nicht veröffentlicht) verwiesen werden, das ebenfalls den Betrieb der Beklagten betrifft.
Die Revision kann ihre Auffassung, daß die Entsendung vom Betriebssitz zur Montagestelle ursächlich dafür sein müsse, daß dem Montagestammarbeiter die tägliche Rückkehr zur Wohnung unzumutbar sei, auch nicht auf die Erklärung der Tarifvertragsparteien vom 6. Oktober 1983 zu Auslegungsfragen zum Montage TV stützen. Dieser Erklärung kommt im vorliegenden Fall keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Es handelt sich insoweit nicht um einen Tarifvertrag. Die an der Besprechung Beteiligten haben das Protokoll nicht mit tariflichem Charakter ausgestattet. Sie haben weder Vorschriften des Montage TV abgeändert noch den Montage TV - etwa in Form einer Protokollnotiz oder authentischen Interpretation - ergänzt. Die gemeinsame Erklärung der Tarifvertragsparteien ist zwar nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut gemäß § 25 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer in der Heizungs-, Klima- und Sanitärtechnik sowie im Rohrleitungsbau, Industrie und Handwerk, Hamburg, in der damals geltenden Fassung vom 16. Februar 1978 zustande gekommen. Danach ist zur Erledigung von Streitfällen grundsätzlicher Art, die sich aus der Auslegung von Tarifverträgen der unterzeichnenden Tarifpartner ergeben, zunächst eine Verständigung der Tarifpartner anzustreben. Auf welche Weise eine solche Verständigung herbeizuführen ist, ist aber tariflich nicht vorgeschrieben und damit den Tarifvertragsparteien im Einzelfall überlassen. Daher können die Tarifvertragsparteien zwar zur Erledigung von Streitfällen normative Regelungen zur Ergänzung oder Erläuterung des Tarifvertrags vereinbaren, die dann auch mit unmittelbarer und zwingender Wirkung auf die tarifunterworfenen Arbeitsverhältnisse Anwendung finden. Ein solcher normativer Charakter läßt sich der Erklärung vom 6. Oktober 1983 jedoch nicht entnehmen, auch wenn sie das Formerfordernis (Schriftform) für eine tarifliche Regelung erfüllt. Vielmehr erläutern die Tarifvertragsparteien hier an konkreten Beispielen, welche Auslegung der Vorschrift über Fernmontage sie für richtig halten. Damit kommt in der Erklärung vom 6. Oktober 1983 nicht zum Ausdruck, daß die Tarifvertragsparteien bestimmte tarifliche Begriffe abstrakt für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen in einem ganz bestimmten Sinne verstehen. Nur dann könnte von einer normativen Regelung gesprochen werden.
Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war es auch nicht die Absicht der Tarifvertragsparteien, mit der Erklärung vom 6. Oktober 1983 eine normative Regelung zu treffen. Vielmehr sollte dadurch nach den Ausführungen des Beklagtenvertreters vor dem Senat ein konkreter Streitfall, Einstellung eines Arbeitnehmers in Flensburg für dort längere Zeit laufende Baustellen, beigelegt werden. Das Besprechungsergebnis in der gemeinsamen Erklärung der Tarifvertragsparteien kann daher allenfalls zur Auslegung von Tarifnormen herangezogen werden, wenn diese unklar sind (BAG Urteil vom 3. Dezember 1986 - 4 AZR 19/86 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Davon kann vorliegend jedoch keine Rede sein, da Wortlaut und Gesamtzusammenhang des Montage TV eine eindeutige Auslegung erlauben. Im übrigen erscheint es zweifelhaft, ob im Sinne der Erklärung vom 6. Oktober 1983 unter einem Arbeitnehmer, der "für den Hamburger Betrieb eingestellt" wird, ein Arbeitnehmer - wie der Kläger - verstanden werden kann, der nicht für den Betrieb der Beklagten in Hamburg, sondern für von der Beklagten bestimmte und zugewiesene außerbetriebliche Montagestellen eingestellt wird.
Auch die Auffassung der Beklagten, die Fernmontage setze voraus, daß ein auswärtiges Übernachten erforderlich sei, was nicht zutreffe, wenn der Arbeitnehmer - wie sie vom Kläger behauptet - tatsächlich nicht am Montageort übernachte, sondern in seiner Wohnung, wird dem Montage TV nicht gerecht. Nach § 5 Ziff. 1 Montage TV ist die Erforderlichkeit des auswärtigen Übernachtens daran geknüpft, daß dem Arbeitnehmer die tägliche Hin- und Rückfahrt zwischen Baustelle und Wohnung nicht zumutbar sei. Dies bedeutet, daß immer dann, wenn insoweit eine Unzumutbarkeit zu bejahen ist, ein auswärtiges Übernachten des Arbeitnehmers erforderlich ist. Daran ändert sich aber nichts, wenn der Arbeitnehmer im Einzelfall tatsächlich nicht am Montageort übernachtet, sondern nach Hause zurückkehrt. Wenn ein Arbeitnehmer etwas Unzumutbares (tägliche Hin- und Rückfahrt von der Wohnung zur Baustelle) auf sich nimmt, beseitigt er damit nicht die Voraussetzungen einer Fernmontage. Diese stellt allein auf die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit der täglichen Hin- und Rückfahrt zur Baustelle und insoweit auf die Erforderlichkeit einer auswärtigen Übernachtung ab. Danach kommt es nicht darauf an, ob ein Arbeitnehmer etwa trotz Zumutbarkeit der täglichen Hin- und Rückfahrt am Montageort übernachtet oder trotz Unzumutbarkeit der täglichen Hin- und Rückfahrt gleichwohl täglich in seine Wohnung zurückkehrt. Der Begriff der Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit ist insoweit objektiv und unabhängig von Willensentscheidungen des Arbeitnehmers, die allenfalls ein Indiz abgeben können.
Die von der Beklagten vertretene Auffassung würde zudem zu ungereimten Ergebnissen führen. Einerseits wäre nach dieser Auffassung dem Arbeitnehmer Fernauslösung zu versagen, wenn er zwar weit entfernt von der Baustelle wohnt, die sich aber in der Nähe des Betriebssitzes befindet. Andererseits wäre dem Arbeitnehmer nach dieser Auffassung Fernauslösung auch dann zu versagen, wenn sich die Baustelle zwar weit entfernt vom Betriebssitz befindet, aber in der Nähe der Wohnung des Arbeitnehmers, da dem Arbeitnehmer dann die tägliche Rückkehr in seine Wohnung von der Baustelle zuzumuten wäre. Ein solches Ergebnis erscheint in sich widersprüchlich.
Demgemäß kann der Kläger im vorliegenden Fall von der Beklagten Fernauslösung beanspruchen, wenn ihm im Klagezeitraum die tägliche Rückkehr von der Montagestelle in Hamburg zu seiner Wohnung in Rendsburg nicht zumutbar war. Diese Frage hängt von den Verkehrsverbindungen und dem Zeitaufwand für die Fahrten von der Montagestelle zur Wohnung des Klägers ab. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, ob der Kläger im Klagezeitraum ein Kraftfahrzeug benutzt hat und damit einen geringeren Zeitaufwand für die Fahrten von der Montagestelle zur Wohnung benötigte als mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Beklagte kann von dem Kläger zwar nicht verlangen, daß er für die Fahrten zur Montagestelle ein Kraftfahrzeug benutzt. Benutzt er aber ein solches Fahrzeug, ist dies für die Frage der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr von der Montagestelle zur Wohnung von Bedeutung. Bei einer Entfernung von rd. 125 km von der Wohnung zur Montagestelle in Hamburg - wie sie im vorliegenden Fall im Klagezeitraum vorlag - läßt sich die Frage der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr zur Wohnung nicht von vornherein eindeutig im einen oder anderen Sinne beantworten. Das Landesarbeitsgericht wird daher noch die erforderlichen Feststellungen treffen und unter Berücksichtigung aller Umstände im Rahmen seines Beurteilungsspielraums entscheiden müssen, ob dem Kläger im Klagezeitraum die tägliche Rückkehr von der Montagestelle in Hamburg zu seiner Wohnung zumutbar war oder nicht.
Kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, daß dem Kläger im Klagezeitraum die tägliche Rückkehr von der Montagestelle zur Wohnung unzumutbar war, hat der Kläger für jeden Kalendertag während seiner Tätigkeit auf der Montagestelle in Hamburg Anspruch auf Fernauslösung. Dies gilt auch für die arbeitsfreien Tage am Wochenende, an denen der Kläger nicht am Montageort, sondern außerhalb des Montageorts - etwa in seiner Wohnung - übernachtete. Dies folgt aus dem für die Tarifauslegung in erster Linie maßgebenden Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Nach § 5 Montage TV ist die Fernauslösung kalendertäglich zu gewähren (§ 5 Ziff. 2 Montage TV). Dies schließt von vornherein auch die arbeitsfreien Tage am Wochenende ein, an denen in aller Regel nicht gearbeitet wird. Für den Fall einer vorübergehenden Abwesenheit vom Montageort haben die Tarifvertragsparteien in § 5 Ziff. 9 Montage TV für bestimmte Fälle (Anordnung des entsendenden Betriebs, Erholungsurlaub, tarifliche Heimfahrten, Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit) eine Sonderregelung getroffen. Unter diese Fälle fallen nicht arbeitsfreie Wochenenden, die der Arbeitnehmer nicht am Montageort verbringt und an denen auch keine tarifliche Heimfahrt vorliegt. Daraus muß geschlossen werden, daß für diese Fälle (arbeitsfreies Wochenende) die Fernauslösung in vollem Umfange zu zahlen ist; andernfalls hätten die Tarifvertragsparteien insoweit eine Sonderregelung getroffen. Auch aus § 5 Ziff. 10 Montage TV ergibt sich, daß die kalendertägliche Auslösung auch für die arbeitsfreien Tage zu zahlen ist. Denn nach dieser Vorschrift entfällt der Anspruch auf die Auslösung für die arbeitsfreien Tage, wenn der Arbeitnehmer am letzten Arbeitstag vor oder ersten Arbeitstag nach freien Tagen am Wochenende oder Feiertagen der Arbeit unbegründet fernbleibt. Aus dieser Regelung ist zu schließen, daß der Anspruch auf Auslösung für die arbeitsfreien Tage dann nicht entfällt, wenn der Arbeitnehmer vor oder nach den freien Tagen zur Arbeit erscheint.
Für die Auffassung der Beklagten, für die arbeitsfreien Tage am Wochenende sei nur dann Auslösung zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer am Montageort übernachte, findet sich im Montage TV kein Anhaltspunkt. Bei tariflichen Heimfahrten vermindert sich der Anspruch auf Fernauslösung gemäß § 5 Ziff. 9 Montage TV. Bei Fernmontagen bis 150 km hat der Arbeitnehmer aber nur einmal pro Kalenderjahr (bei Antritt des Erholungsurlaubs) Anspruch auf eine Heimfahrt. Das bedeutet, daß der Arbeitnehmer an den übrigen Wochenenden keinen Anspruch auf eine tarifliche Heimfahrt hat. Dann aber ist es gerechtfertigt, daß dem Arbeitnehmer für diese Wochenenden Fernauslösung gezahlt wird, gleichgültig, wo er sich aufhält. Will der Arbeitnehmer keine zusätzlichen Kosten verursachen, muß er am Montageort übernachten, was die Zahlung der Fernauslösung rechtfertigt. Will er das Wochenende an anderer Stelle verbringen, sei es in seiner Wohnung oder anderswo, entstehen ihm zusätzliche Kosten, wobei zu bedenken ist, daß er die Kosten für die Unterkunft am Montageort oft weiterzahlen muß. Diese durch die Tätigkeit an der Montagestelle verursachten Kosten rechtfertigen es ebenfalls, daß ihm für die arbeitsfreien Tage am Wochenende Fernauslösung zusteht. Nur diese Auslegung entspricht auch dem Grundsatz, daß im Zweifel derjenigen Tarifauslegung der Vorzug zu geben ist, die zu einer vernünftigen, gerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAGE 46, 308, 316 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung, mit weiteren Nachweisen). Hätten die Tarifvertragsparteien den Auslösungsanspruch des Arbeitnehmers bei arbeitsfreien Wochenenden kürzen wollen, hätten sie insoweit eine besondere Regelung getroffen, wie sie dies für die Fälle in § 5 Ziff. 9 bis 11 Montage TV vorgesehen haben.
Das Landesarbeitsgericht wird auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten mitzuentscheiden haben.
Dr. Neumann Dr. Freitag Dr. Etzel
Prieschl Prof. Dr. Knapp
Fundstellen