Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung. Wissenschaftlicher Mitarbeiter

 

Orientierungssatz

Wurde ein Arbeitsvertrag auch zum Zwecke der wissenschaftlichen Weiterqualifikation und insbesondere zur Förderung eines Promotionsvorhabens abgeschlossen, so trägt dies die vereinbarte Befristung bereits auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des BAG, nach der ein sachlicher Befristungsgrund vorliegt, wenn einem wissenschaftlichen Mitarbeiter neben der Erfüllung seiner Dienstaufgaben Gelegenheit zu einer speziellen wissenschaftlichen Qualifikation (wie etwa einer Promotion) gegeben werden soll.

 

Normenkette

BGB § 620 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 05.03.1986; Aktenzeichen 3 Sa 125/85)

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 10.10.1985; Aktenzeichen 13 Ca 25/85 A)

 

Tatbestand

Der 1947 geborene Kläger stand als Lehrer, beschäftigt an einer Realschule, in einem Anstellungsverhältnis zum beklagten Land. Anfang 1980 bewarb er sich um die von der Pädagogischen Hochschule S ausgeschriebene Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters auf Zeit. In diesem Zusammenhang schrieb der Kläger am 2. Mai 1980 dem Rektor der Pädagogischen Hochschule u.a., er könne sich wahrscheinlich aus dem Schuldienst beurlauben lassen, vorausgesetzt, er könne in dem Urlaubsantrag einen Termin nennen. Seinerzeit galt für eine "Vorübergehende Freistellung von Lehrern im BAT-Angestelltenverhältnis aus persönlichen Gründen" die Verwaltungsvorschrift vom 12. Juli 1979. Hiernach sollte eine Beurlaubung vorläufig nicht länger als fünf Jahre dauern und konnte nur in der Form der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsvertrages in Verbindung mit einer Wiedereinstellungszusage erfolgen.

Am 9. Mai 1980 schloß der Kläger mit dem beklagten Land, dieses vertreten durch die Pädagogische Hochschule, vorbehaltlich der Genehmigung durch das Ministerium für Wissenschaft und Kunst einen für die Zeit vom 1. August 1980 bis 31. Juli 1985 befristeten Arbeitsvertrag, durch den der Kläger bei der Pädagogischen Hochschule als wissenschaftlicher Angestellter für das Fach Pädagogik eingestellt wurde. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages lautet:

"Die wahrzunehmenden Dienstleistungen sind aus der

Anlage 1 ersichtlich, die Bestandteil dieses Vertrages

ist. Es handelt sich um weiterbildende Dienstaufgaben

im Sinne des § 53 Abs. 2 Satz 2 PHG."

Sodann schrieb der Kläger am 14. Mai 1980 an das Oberschulamt:

"Betr.: Antrag auf vorübergehende Freistellung aus persönlichen

Gründen

Bez.: Vorübergehende Freistellung von Lehrern im

BAT-Angestelltenverhältnis aus persönlichen Gründen.

Bekanntmachung vom 12. Juli 1979 (K.u.U. S. 835)

Hiermit stelle ich den Antrag auf vorübergehende Freistellung

ab 1.08.1980, vorbehaltlich der positiven Entscheidung

des Wissenschaftsministeriums betr. meines Arbeitsvertrages

mit der Pädagogischen Hochschule S.

(Dieser Arbeitsvertrag ist mit der PH S

geschlossen und wird gegenwärtig vom Ministerium

geprüft. Es handelt sich um die Beschäftigung als wissenschaftlicher

Mitarbeiter, die zeitlich auf maximal 5 Jahre

begrenzt ist.)

Begründung:

Ich möchte diese Tätigkeit aufnehmen, um mich wissenschaftlich

weiterzuqualifizieren, insbesondere um meine

Dissertation abzuschließen und in Erziehungswissenschaft

zu promovieren. Die Möglichkeit und die Verpflichtung zur

Weiterqualifikation sind Bestandteil des Arbeitsvertrages.

Da die im o.g. Erlaß formulierten Bedingungen auf mich

zutreffen, bitte ich um Freistellung unter der Zusage

des Oberschulamtes, innerhalb der gegebenen Frist ein

neues Arbeitsverhältnis begründen zu können.

Gleichzeitig bitte ich um Auskunft darüber, wie im Falle

der Wiederbegründung eines BAT-Arbeitsverhältnisses die

gegebene Zusage auf Übernahme ins Beamtenverhältnis behandelt

werden wird."

Nach einem Zwischenbescheid der Schulverwaltung wurde der Arbeitsvertrag am 4. Juni 1980 vom Ministerium genehmigt. Der Kläger nahm seine Tätigkeit an der Pädagogischen Hochschule am 1. August 1980 auf. Am 26. August 1980 wurde ihm vom Oberschulamt eine Wiedereinstellungszusage erteilt. Im Februar 1983 wurde der Kläger an der Universität Konstanz promoviert.

Zwischenzeitlich hatte sich der jährliche Einstellungstermin für Lehrer vom 1. August auf den Zeitpunkt des jeweiligen Schuljahresbeginns, das war 1985 der 9. September, verschoben. Um dem Kläger einen nahtlosen Übergang in den Schuldienst zu ermöglichen, bot ihm die Pädagogische Hochschule durch Schreiben vom 24. Mai 1985 die Verlängerung seines Vertrages bis zum 5. September 1985 an. Dieses Angebot nahm der Kläger durch Anwaltsschreiben vom 29. Mai 1985 an.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, beide Befristungsabreden seien mangels eines sie sachlich rechtfertigenden Grundes unwirksam.

Er hat zuletzt beantragt:

1. Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien

bestehende Arbeitsverhältnis unbefristet über den

5. September 1985 hinaus fortbesteht.

2. Zusätzlich für den Fall, daß dem Antrag zu 1.

stattgegeben wird: Das beklagte Land wird verurteilt,

den Kläger über den 5. September 1985

hinaus weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, angesichts der dem Kläger vom beklagten Land erteilten Wiedereinstellungszusage sei der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht gefährdet gewesen, so daß die Befristungen keiner sachlichen Rechtfertigung bedurft hätten. Überdies sei eine solche sachliche Rechtfertigung in dem Weiterbildungszweck des Arbeitsverhältnisses und der Wahrnehmung von Aufgaben vorübergehender Dauer zu sehen. Ferner habe die Befristung des Vertrages vom 9. Mai 1980 dem Wunsch des Klägers entsprochen, der sich die Möglichkeit habe offenhalten wollen, in den Schuldienst zurückzukehren. Durch die Verlängerung des Vertrages bis zum 5. September 1985 habe ein nahtloser Übergang zum Schuldienst gewährleistet werden sollen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen, denn das Arbeitsverhältnis des Klägers hat aufgrund rechtswirksamer Befristung zum 5. September 1985 geendet.

1. Gegenstand der Überprüfung, ob der Kläger zum beklagten Land in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht, ist nicht nur der Verlängerungsvertrag zum 5. September 1985, sondern auch der zum 31. Juli 1985 befristete Arbeitsvertrag vom 9. Mai 1980. Denn das Anwaltsschreiben vom 29. Mai 1985, durch das der Kläger die Verlängerung des Vertrages bis zum 9. September 1985 annahm, ist dahin auszulegen, daß es einen hinreichend deutlichen Vorbehalt enthält, der der Auslegung entgegensteht, die Parteien hätten durch den Verlängerungsvertrag den bisherigen Arbeitsvertrag aufheben wollen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 8. Mai 1985 - 7 AZR 191/84 - EzA § 620 BGB Nr. 76). Die Annahmeerklärung des Klägers wurde während des laufenden Prozesses über die Wirksamkeit der Befristung des Vertrages vom 9. Mai 1980 abgegeben und sollte diesen Prozeß nicht gegenstandslos machen, sondern lediglich für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum die zwischenzeitliche Weiterbeschäftigung des Klägers sicherstellen.

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, daß der Arbeitsvertrag vom 9. Mai 1980 rechtswirksam befristet war.

a) Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die Befristungsabrede sei nach Grund und Dauer sachlich gerechtfertigt. Ausweislich seines Schreibens vom 14. Mai 1980 habe der Kläger die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestrebt, um sich wissenschaftlich weiterzuqualifizieren und seine Dissertation abzuschließen. Die Beschäftigung zum Zwecke einer wissenschaftlichen Qualifikation (wie z.B. einer Promotion) oder zu einer ähnlich qualifizierten speziellen Weiterbildung in Forschung und Lehre bilde einen gewissermaßen klassischen Typ eines sachlichen Befristungsgrundes. Durch die fünfjährige Dauer der Befristung hätten die Parteien ersichtlich im Interesse des Klägers die nach den Richtlinien mögliche fünfjährige Höchstdauer seiner Beurlaubung voll ausschöpfen wollen.

b) In diesen Ausführungen liegt zunächst die tatsächliche Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Parteien hätten den Arbeitsvertrag vom 9. Mai 1980 zum Zwecke der wissenschaftlichen Weiterbildung des Klägers und insbesondere der Förderung seines Promotionsvorhabens abgeschlossen. Gegen diese Feststellung hat die Revision keine Verfahrensrüge erhoben. Unabhängig davon kann an der Richtigkeit dieser Feststellung kein Zweifel bestehen. Zum einen bestimmt bereits der Arbeitsvertrag in seinem § 1 Abs. 2 selbst, daß es sich bei den Dienstleistungen des Klägers um weiterbildende Dienstaufgaben handele. Zum anderen ergeben die gesamten Umstände, daß auch der Kläger diese Formulierung als Bestimmung des Vertragszwecks, die wissenschaftliche Weiterqualifikation des Klägers zu fördern, verstanden hat. In seinem Schreiben vom 14. Mai 1980 führt der Kläger selbst aus: "Die Möglichkeit und die Verpflichtung zur Weiterqualifikation sind Bestandteil des Arbeitsvertrages." Insbesondere darf nicht außer Acht gelassen werden, daß der Arbeitsvertrag zum Zeitpunkt dieses Schreibens des Klägers vom 14. Mai 1980 noch nicht genehmigt war. Da sich der Kläger sowohl in seinem Arbeitsverhältnis als Lehrer als auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Pädagogischen Hochschule in einem Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber befand (auch der Arbeitsvertrag vom 9. Mai 1980 wurde namens des beklagten Landes abgeschlossen), gelten alle Erklärungen des Klägers als gegenüber dem beklagten Land abgegeben. Wie schon das Landesarbeitsgericht richtig gesehen hat, steht deshalb der Vertragsabschluß vom 9. Mai 1980 (und insbesondere seine Genehmigung vom 4. Juni 1980) in untrennbarem Zusammenhang mit der "Beurlaubung" des Klägers und damit auch in Zusammenhang mit seinen diesbezüglich abgegebenen Erklärungen. Der Kläger setzt sich daher in unzulässigen Widerspruch zu seinem früheren Verhalten, wenn er nicht mehr gelten lassen will, daß er den Vertrag selbst zur Förderung seiner Promotion anstrebte.

c) Ist mithin der Arbeitsvertrag vom 9. Mai 1980 auch zum Zwecke der wissenschaftlichen Weiterqualifikation und insbesondere zur Förderung des Promotionsvorhabens des Klägers abgeschlossen worden, so trägt dies die vereinbarte Befristung bereits auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der ein sachlicher Befristungsgrund vorliegt, wenn einem wissenschaftlichen Mitarbeiter neben der Erfüllung seiner Dienstaufgaben Gelegenheit zu einer speziellen wissenschaftlichen Qualifikation (wie etwa einer Promotion) gegeben werden soll (vgl. Urteile vom 19. August 1981 - 7 AZR 252/79 - BAGE 36, 171 = AP Nr. 60 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, vom 30. September 1981 - 7 AZR 467/79 - BAGE 36, 235 = AP Nr. 62, aaO, vom 6. Mai 1982 - 2 AZR 1037/79 - BAGE 38, 372 = AP Nr. 67, aaO und vom 11. Dezember 1985 - 7 AZR 329/84 - AP Nr. 100 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Es braucht deshalb noch nicht einmal auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dem Senatsurteil vom 12. Februar 1986 (- 7 AZR 482/84 - EzA § 620 BGB Nr. 82, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) zurückgegriffen zu werden, nach der auch die allgemeine wissenschaftliche Fort- und Weiterbildung an einer Hochschule die Befristung des Arbeitsvertrages unter dem Gesichtspunkt der Nachwuchsförderung rechtfertigen kann.

3. Überdies rechtfertigt sich die Befristung des Vertrages vom 9. Mai 1980 auch dadurch, daß sie auf dem eigenen Wunsch des Klägers beruhte. Für diesen Befristungsgrund ist erforderlich, daß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses objektive Anhaltspunkte vorliegen, aus denen gefolgert werden kann, der Arbeitnehmer sei selbst nur an einer befristeten Beschäftigung interessiert, so daß der Arbeitgeber annehmen darf, der vom Arbeitnehmer geäußerte Wunsch nach einer Befristung des Arbeitsvertrages entspreche einem wirklich bestehenden (objektiven) Interesse des Arbeitnehmers (vgl. insbesondere Senatsurteil vom 26. April 1985 - 7 AZR 316/84 - AP Nr. 91 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Nicht erforderlich ist hingegen, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Wahl zwischen einem befristeten und einem unbefristeten Vertrag eingeräumt hatte, also auch zur unbefristeten Einstellung des Arbeitnehmers bereit gewesen wäre. Denn der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber können daran interessiert sein, nur einen befristeten Vertrag abzuschließen.

Im Entscheidungsfall liegen objektive Anhaltspunkte dafür vor, daß dem Kläger an einer Befristung seines Arbeitsvertrages gelegen war. In seinem Schreiben vom 2. Mai 1980, das unmittelbar zum Vertragsabschluß vom 9. Mai 1980 führte, hatte sich der Kläger entscheidend auf seinen Plan gestützt, sich aus dem Schuldienst lediglich beurlauben zu lassen. Eine solche Beurlaubung aber war nach der Verwaltungsvorschrift vom 12. Juli 1979 auch im Falle ihrer rechtstechnischen Ausgestaltung als Aufhebungsvertrag mit Wiedereinstellungszusage nur bis zur Höchstdauer von fünf Jahren möglich. Das Schreiben des Klägers vom 2. Mai 1980 war daher vom Empfängerhorizont gesehen nur so zu verstehen, daß sich der Kläger die Möglichkeit offenhalten wollte, spätestens nach fünf Jahren in den Schuldienst zurückzukehren, und er daher gerade nur eine befristete Beschäftigung anstrebte. Mit diesem Schreiben hat der Kläger eine plausible, objektiv nachvollziehbare Begründung für seinen Befristungswunsch gegeben. Ein etwa entgegenstehender innerer Wille des Klägers muß als geheimer Vorbehalt unbeachtlich bleiben.

4. Bei der Verlängerung des Vertrages bis zum 5. September 1985 handelte es sich ersichtlich um eine allein im Interesse des Klägers erfolgte Verlängerung aus sozialen Gründen. Sie sollte vermeiden, daß dem Kläger aus der Verlegung der Einstellungstermine vom 1. August auf den 9. September 1985 ein finanzieller Nachteil entstand. Diese Befristung ist deshalb als Befristung aus sozialen Gründen nach den Maßstäben des Senatsurteils vom 3. Oktober 1984 (- 7 AZR 132/83 - BAGE 47, 44 = AP Nr. 88 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, m.w.N.) sachlich gerechtfertigt.

Roeper Dr. Weller Dr. Steckhan

Dr. Blaeser Kordus

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441148

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