Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnbeteiligung in Unternehmensgruppe
Leitsatz (redaktionell)
Auslegung einer Gewinnbeteiligungsordnung; haftet das Beschäftigungsunternehmen oder eine familienrechltich zusammengehaltene Unternehmensgruppe auf die Gewinnbeteiligung
Normenkette
BGB §§ 242, 611, 133, 157
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Teilurteil vom 19.05.1988; Aktenzeichen 4 b Sa 11/88) |
ArbG Heilbronn (Urteil vom 27.01.1988; Aktenzeichen 1 Ca 324/87) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 19. Mai 1988 – 4 b Sa 11/88 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine vereinbarte Gewinnbeteiligung aus dem Ergebnis des beklagten Unternehmens oder aus dem Ergebnis einer Unternehmensgruppe zu ermitteln ist.
Die Beklagte gehört zur Unternehmensgruppe G., die acht Unternehmen umfaßt. Dies sind die S. GmbH, die N. KG, die ad GmbH, die A GmbH, die Gebrüder G. GmbH, die Sp. GmbH & Co. KG, die G. Zentralverwaltung GmbH und die Beklagte. Alle Unternehmen befassen sich im wesentlichen mit der Produktion, dem Im- und Export, der Aufstellung, Betreuung und dem Vertrieb von Spielautomaten sowie dem Betrieb von Freitzeitzentren sowie der Durchführung von Dienstleistungen. Die einzelnen Unternehmen sind rechtlich selbständig und nicht durch Unternehmensverträge über eine gemeinsame Holdinggesellschaft miteinander verbunden. Teils als Allein-, teils als Mitgesellschafter sind Mitglieder der Familie G. an den einzelnen Gesellschaften beteiligt und zum Teil deren Geschäftsführer. Die G. Zentralverwaltungs GmbH übernimmt für die meisten der Gesellschaften, u. a. für die Beklagte, die Personalverwaltung, Bearbeitung von Rechtsfragen und die EDV. Die Gruppe G. hat insgesamt etwa 3000 Arbeitnehmer.
Die Beklagte wurde im Jahre 1980 gegründet. Ihre Alleingesellschafterin ist die ad … GmbH. Sie vertreibt die von anderen Unternehmen der G.-Gruppe hergestellten Spielautomaten. Sie beschäftigt ca. 50 Mitarbeiter.
Der Kläger trat auf Grund schriftlichen Arbeitsvertrages ab 1. Juli 1983 zunächst in die Dienste der G.-Zentralverwaltungs GmbH. Ab 1. Januar 1984 war er bei der S. GmbH und schließlich ab 1. April 1984 bei der Beklagten angestellt. Dem gingen jeweils „Änderungsmitteilungen” des neuen Arbeitgebers voraus, nach denen die Bestimmungen des ursprünglichen Arbeitsvertrages vom 9. Mai 1983 weitergelten sollten. Diese waren – wie der Arbeitsvertrag – für die Arbeitgeberseite jeweils von der gleichen Person unterschrieben.
Der Vertrag enthielt folgende Bestimmungen:
§ 2
„Dem Mitarbeiter ist bekannt, daß die oben genannte Firma zur Firmengruppe G gehört, die sich aus mehreren Unternehmen zusammensetzt. Der Mitarbeiter erklärt sich damit einverstanden, daß sein Anstellungsverhältnis von einem anderen Unternehmen innerhalb der Firmengruppe zu den bisherigen Bedingungen übernommen wird, wenn dies aus betriebsorganisatorischen oder in der Person des Mitarbeiters liegenden Gründen erforderlich werden sollte.”
§ 5
„Weiterhin wird der Mitarbeiter in die Gewinnbeteiligung einbezogen, wie sie innerhalb der Firmengruppe G. besteht.”
Eine Gewinnbeteiligung wurde im Jahre 1973 von Herrn P. G. in der „Mitarbeiterbeteiligung System G.” (im folgenden: „MSG”) geregelt. Im „Leitwort” dazu heißt es unter anderem:
„Aufbauend auf… schließen Mitarbeiter und Geschäftsführung der Firmen:
- Paul G., bzw. deren Rechtsnachfolger;
- ad. GmbH, bzw. deren Rechtsnachfolger;
- A. KG, bzw. deren Rechtsnachfolger;
- S. GmbH & Co. KG.
(im folgenden für diese Firmengesamtheit; Firma) eine Vereinbarung über betriebliche Mitarbeiter –Beteiligung–.”
In einer Mitarbeiterinformation der „G.
-Firmengruppe” vom September 1981 steht:
„Wie Sie wissen, sind alle Mitarbeiter der Firmengruppe G. nach einer durchschnittlichen Wartezeit von 1 1/2 Jahren an dem Erfolg – sprich Gewinn – der Unternehmensgruppe beteiligt- und das schon seit 1971.”
Der Kläger verlangt im Wege der Stufenklage von der Beklagten Auskunft über die Höhe seiner Gewinnbeteiligung und Zahlung von 5 % daraus.
Er hat die Ansicht vertreten, zugrundezulegen sei der Gewinn der gesamten Unternehmensgruppe und nicht allein das Ergebnis der Beklagten.
Er hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger durch Vorlage eines Kontoauszugs, der den Anforderungen nach § 9 Abs. 10 der Satzung über die Mitarbeiterbeteiligung nach dem System G. entspricht, Auskunft über die Höhe und die Bewegungen seines Mitarbeiterguthabens aus der Zeit vom 1.7.1983 bis 28.2.1987, errechnet nach § 6, 7 und 8 Abs. 1 und 2 der vorgenannten Satzung auf der Basis des steuerlichen Gewinns der Gesamtheit aller Unternehmen der Firmengruppe G. und der individuellen Jahreslohnsumme des Klägers zu erteilen,
- die Beklagte zu verurteilen, 5 % des sich nach Erledigung des Klageantrags Ziffer 1 ergebenden Gesamtbetrags an den Kläger zu zahlen,
hilfsweise zu 1. und 2.
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli 1983 bis 28. Februar 1987 eine Mitarbeiterbeteiligung nach dem System G. mit der Maßgabe zu gewähren, daß die Beteiligung auf der Basis des steuerlichen Gewinns der Gesamtheit aller Unternehmen der Firmengruppe G. und der individuellen Jahreslohnsumme des Klägers zu errechnen ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, sie selbst habe keinen Gewinn erzielt. Für die Gewinnermittlung nach dem „System G.” sei schon immer auf das jeweilige Unternehmen abgestellt worden, bei dem der Arbeitnehmer beschäftigt sei. Die Gewinnbeteiligung könne aus bilanztechnischen und steuerrechtlichen Gründen nicht durchgeführt werden, wenn die Unternehmen zusammengefaßt würden. Sie könne die geforderte Auskunft auch nicht erteilen, weil sie von den anderen Unternehmen keine Auskunft über deren Gewinne verlangen könne.
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Auskunftsklage auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie insoweit die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger kann von der Beklagten Auskunft über den Gewinn der Unternehmensgruppe G. verlangen. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
1. Nach dem Arbeitsvertrag des Klägers ist für die Ermittlung der Gewinnbeteiligung auf den Gewinn der gesamten Unternehmensgruppe abzustellen. In § 5 des Arbeitsvertrages heißt es, daß der Kläger in die Gewinnbeteiligung einbezogen wird, wie sie innerhalb der Unternehmensgruppe besteht. Nach dem objektiven Erklärungswert kann dies nur dahin verstanden werden, daß für die Gewinnbeteiligung auf die Unternehmensgruppe abzustellen ist. In § 2 des Arbeitsvertrages hat sich die Beklagte die Möglichkeit vorbehalten, das Arbeitsverhältnis des Klägers von dem einen zu anderen Unternehmen zu übertragen. Unabhängig davon, ob diese Übertragungsklausel wirksam ist, konnte sie aus der Sicht des Klärungsempfängers nur dahin verstanden werden, daß der Kläger im Rahmen der Unternehmensgruppe versetzt werden kann, dies aber andererseits auch nicht zu Verdienstminderungen führt, sondern für die Ermittlung des Gewinnes auf die Gruppe abgestellt wird.
2. Auch aus der Zusage über die Mitarbeiterbeteiligung System G. ergibt sich die Beteiligung am Gruppengewinn.
a) Im Leitwort der Mitarbeiterbeteiligungsordnung werden die seinerzeit unterhaltenen Unternehmen als „Firma” zusammengefaßt. Hieraus folgt, daß immer dann, wenn in der Mitarbeiterbeteiligungsordnung von „Firma” die Rede ist, die Unternehmensgruppe gemeint ist. Damit ist auch der Gewinn aus dem Gruppengewinn zu ermitteln.
b) In § 8 Abs. 3 MSG ist für das Jahr 1971 eine Sonderregelung für die Gewinnbeteiligung geschaffen. Der Gewinn wird als Gruppengewinn ausgewiesen.
c) In § 11 MSG ist für Fragen der Mitbestimmung ein Partnerschaftsausschuß gebildet. Der Partnerschaftsausschuß setzt sich aus acht Mitgliedern der „Firma” zusammen, wovon vier von der Geschäftsführung und vier von der Belegschaft gewählt werden. Auch hier wird auf die Unternehmensgruppe insgesamt und nicht auf das Einzelunternehmen abgestellt.
d) Gegen die Auslegung ist nichts aus § 6 MSG abzuleiten. Nach § 6 Abs. 1 MSG ist Ausgangsgröße zur Feststellung des beteiligungsfähigen Gewinns der Jahresgewinn laut Steuerbilanz. Eine Steuerbilanz wird zwar in jedem einzelnen Unternehmen erstellt. Hieraus ist aber nicht zugleich zu folgern, daß für die Ermittlung der Gewinnbeteiligung nur auf das Einzelunternehmen abzustellen ist. Vom Zweck will § 6 MSG sicherstellen, daß das Nominalkapital und die stillen Reserven angemessen verzinst werden und der Dispositionsfaktor der Unternehmensführung hinreichend vergütet wird. Es steht aber nichts im Wege, den Gewinn der Gruppe zu ermitteln.
e) Ebensowenig kann etwas gegen die Auslegung aus dem Umstand abgeleitet werden, daß die Beklagte nach ihrem Vortrag bislang jeweils nur Gewinnbeteiligungen aus den Einzelunternehmensgewinnen gezahlt hat. Hieraus ergibt sich nicht mehr, als daß sie bislang nicht vertragsgemäß geleistet hat.
3. Auch die Unternehmensinformationen sprechen dafür, daß für die Gewinnbeteiligung auf den Gruppengewinn abzustellen ist. Im ersten Absatz der Mitarbeiterinformation aus dem September 1981, die dem Kläger bekannt ist, heißt es, daß alle Mitarbeiter an dem Erfolg – sprich Gewinn –„der Unternehmensgruppe” beteiligt sind.
4. Der Senat vermag den Angriffen der Revision gegen die Auslegung des Arbeitsvertrages und des Mitarbeiterbeteiligungssystems nicht zu folgen.
a) Zu Unrecht rügt die Revision, dem Landesarbeitsgericht seien bei der Auslegung des Vertragswerkes methodische Fehler und Widersprüche unterlaufen. Das Landesarbeitsgericht hat das Regelungswerk nach dem objektiven Erklärungswortlaut und nicht nach den subjektiven Verständnismöglichkeiten des Klägers ausgelegt. Dies ist nicht zu beanstanden.
b) Der Auslegung des Landesarbeitsgerichtes kann nicht entgegengehalten werden, sie führe zu wirtschaftlich unvernünftigen Ergebnissen.
Nach § 9 Abs. 2 MSG werden nach Ermittlung der Gewinnbeteiligung fünf Prozent an die Mitarbeiter ausgezahlt; der Rest wird sieben Jahre zinslos im Unternehmen angelegt und nach Ablauf dieser Frist in stille Beteiligungen umgewandelt (§ 9 Abs. 3 MSG). Der Beklagten ist zuzugeben, daß in einem Einzelunternehmen auch dann stille Beteiligungen entstehen können, wenn das Unternehmen nicht mit Gewinn arbeitet. Für die Organisation des Gewinnbeteiligungssystems ist aber die Unternehmensgruppe verantwortlich und nicht der Kläger. Überdies können die durch die stillen Gesellschaftsanteile bewirkten finanziellen und steuerlichen Effekte gewollt sein.
c) Zu Unrecht beanstandet die Beklagte, das Landesarbeitsgericht habe sie zu einer unmöglichen Leistung verurteilt. Eine objektive Unmöglichkeit der Auskunftsleistung scheidet von vornherein aus. Eine solche liegt nur dann vor, wenn der Auskunftsanspruch unerfüllbar ist. Dies ist nicht der Fall. Eine subjektive Unmöglichkeit führt nicht zur Unwirksamkeit der Verbindlichkeit (bereits RGZ 80, 249; MünchKomm/Emmerich, BGB, 2. Aufl., vor § 275 Rz 9).
5. Der Anspruch auf Auskunft ist bislang nicht erfüllt (§ 362 BGB). Leugnet der zur Auskunft Verpflichtete, daß ein Anspruch besteht, so kann im Leugnen keine Auskunft über den Gewinn gesehen werden (BGH Urteil vom 24. März. 1959 – VIII ZR 39/58 – NJW 1959, 1219).
Unterschriften
Dr. Heither, Schaub, Griebeling Halberstadt, Dr. Schwarze
Fundstellen